Darkest Hour

Filme über Winston Churchill scheinen derzeit Hochkonjunktur zu haben. Zunächst holte sich John Lithgow mit seinem bemerkenswerten Spiel in der gelungenen Netflix Serie THE CROWN einen Emmy, danach gab Brian Cox den charismatischen Politiker ganz hervorragend in CHURCHILL und nun schlüpft unser aller und liebster Graf Dracula Gary Oldman in die Rolle in Joe (ATONEMENT) Wrights sechsfach für den Oscar nominierten Film.

Wright und Marianelli können seit ihrer ersten Zusammenarbeit mit PRIDE & PREJUDICE (2005) auf einige bemerkenswerte Filme zurückblicken, allen voran ATONEMENT (2007) für den Marianelli damals recht überraschend aber nicht ganz unverdient den prestigeträchtigen Goldmann abholen durfte. Danach folgten THE SOLOIST, ANNA KARENINA und REDEMPTION. Es erging Marianelli nach seinem Oscargewinn allerdings wie einigen seiner Vorgänger und Nachfolger in einer Zeit der Schwemme an neuen Namen in der Filmmusik (die so kamen, wie sie gingen), der grosse Durchbruch erfolgte nicht. Marianelli komponierte danach häufig intimere Filme wie EVERYBODY’S FINE oder SALMON FISHING IN THE YEMEN.

Von Beginn weg und spätestens mit „Where is Winston?“ zeigt in welche Richtung sein Score gehen wird: Geschäftiges Treiben und ostinati für die Streicher, Holzbläser aber auch das Klavier herrschen vor. Das eigentliche Hauptthema so man es denn so nennen darf, recht ausgedehnt und doch minimalistisch gehalten, ist in „Prelude“ und „A Telegram from the Palace“ vorhanden. In „Winston and George“ wird DARKEST HOUR äusserst „klassisch“, hier spielt der auf der CD prominent angepriesene isländische Pianist Vikingur Olafsson, den Marianelli in seinen kurzen Liner Notes ebenfalls erwähnt, eine grössere Rolle. Ab Mitte der CD nimmt die Dramatik deutlich zu, so in „Radio Broadcast“, „History is Listening“ und „Dynamo“. Marianelli verlässt dabei sein Instrumentarium aber nie, auch bleibt er den sich wiederholenden staccato Streicherfiguren treu, eine Seltenheit sind die Klänge der Perkussion wie in „We Must Prepare for Imminent Invasion“ und die chaotischeren Zustände in „Just Before Dawn“, in dem Olafssons Klavierspiel federführend ist. Insgesamt ist die Musik vielleicht etwas einsilbiger als manch einer es sich wünscht. Ein eigentliches Thema für Churchill, abgesehen von jenem zum Beispiel vom Solo-Horn in „District Line, East, One Stop“ kurz angespielten, gibt es wie zuvor erwähnt eigentlich nicht, oder doch, es gibt ein Holzbläser/Fagott Thema, das man, nachdem man den Film gesehen hat, mit dem unvergleichlichen Briten in Verbindung bringen kann. Dennoch ist es vielmehr die eingangs beschriebene, voran treibende, ruhelose Art und der Minimalismus, die hier die erste Geige spielen. Alles kumuliert schliesslich im abschliessenden, siebeneinhalb Minuten langen Stück „We Shall Fight“.

Von der Art der Musik her gepaart mit der Thematik des Films kann man sich gut vorstellen, dass Marianellis Score die Spannung, die Angst, die damals auf der britischen Insel herrschte und die Entschlossenheit des Protagonisten, sehr gut getroffen hat. Vielleicht ist zu argumentieren, ob ein zu üppiges Hauptmotiv mit der immensen persona Churchills im Film konkurriert hätte, rein musikalisch aber fehlt dem Score dieser Rahmen. Die Stärke der Filmmusik ist möglicherweise gleichzeitig ihre grösste Schwäche. Die Auflösung dazu wird aber wohl so oder so wie immer das Sichten des Films bieten. Rein als Hörerlebnis aber geht es mir hier insgesamt dann doch zu „unpersönlich“ zu und her.

Nach Schauen des Films bewerte ich die Musik wesentlich stärker, sie hält eine enge Verbindung mit den Charakteren und Geschehnissen. Churchill erhielt ein Motiv, das vom Fagott gespielt wird. Definitiv kann man sagen, dass die Musik in DARKEST HOUR einen bemerkenswerteren Eindruck erhält als der deutlich schwächere A SHAPE OF WATER von Desplat, der sich den Oscar holte. (1.4.2018)

Phil, 26.2.2018

DARKEST HOUR

Dario Marianelli

Deutsche Grammophon

52 Min. / 19 Tracks

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