Mit Zootopia (2016) gelang den Disney Animationsstudios ein schöner Wurf. Die unterhaltsame Geschichte von Häsin Hopps, die Polizistin in der Grossstadt Zootopia werden will, wartet mit knallbunter, tempogeladener Animation, viel Witz und teils schrecklich aktuellen Seitenhieben gegen zeitgenössische Polit- und Gesellschaftsprobleme auf. Das Ergebnis bietet Unterhaltung für Gross und Klein. Die Musik zu Hopps› Abenteuer komponierte Michael Giacchino. Auf den Film zugeschnitten, durchläuft sein Score verschiedenste Stimmungsstadien und ist panaschiert mit zahlreichen Musikstilismen – mal grossorchestral, mal jazzig, mal mit indischem und italienischem Musikflair versetzt. Das Ergebnis ist lebhaft und ideenreich, doch ohne den filmischen Kontext dazu oder ohne diesen nach dem Kinobesuch im Kopf präsent zu haben, kann das gebotene Musik-Potpourri mangels einem klaren roten Faden etwas „anstrengend“ sein.
Das Album eröffnet mit dem Shakira-Song Try Everything. Im Film als Abschluss-Nummer mit viel Animationsklamauk drum herum witzig platziert, dürfte er den score-affinen Hörer als Albumeinstieg eher erschrecken als unterhalten. Überspringen dürfte die Folge hiervon sein; verpasst hat man wenig. Giacchinos Score startet mit der kurzen Nummer Stage Fright. Mit den Dissonanzen ein veritabler Musikkulturschock nach dem Shakira-Song, doch ist dieser nach unspektakulären 39 Sekunden auch bereits wieder vorbei (über Sinn und Unsinn dieser Track-Platzierung darf debattiert werden). Mit Grey’s Uh-Mad at Me und Ticket to Write halten komödiantischere Musikmomente Einzug. Hier klingen erstmals Stilismen von John Powell an – konkret: dessen Disney-Score Bolt(2008). Schnelle Rhythmen und viele Mickeymousing-Effekte prägen auch den weiteren Verlauf des Scores, nachdem Foxy Fakeout eine ruhigere Verschnaufpause bot. So springt, hüpft und dödelt die Musik weiter durch das Zootopia-Universum, mit rasanten und ruhig-melancholischen Momenten im Wechselspiel. An sich okay, doch beginnt man sich nach einem definierenden Musikthema zu sehnen. Leider präsentiert Giacchino kein starkes Hauptthema für die Häsin Hopps, welches einem einen „musikalischen Anker“ bieten würde. Mit der angebrochenen Mitte des Albums kommt weiterer Musikschabernack dazu: The Naturalist wartet mit indischen Shanti-Klängen auf, Work Slowly And Carry A Big Shtick ist tapsig-minimalistisch und Mr. Big lässt Godfather-Stimmung aufkommen. Im filmischen Kontext passt das alles wunderbar, doch als Stand-Alone-Listen fühlt man sich immer mal wieder etwas überrumpelt vom vielen Hin und Her der schnell wechselnden Klangcharaktere.
Fazit: 2015 präsentierte Michael Giacchino mit Jupiter Ascending, Tomorrowland, Jurassic World und Inside-Out vier sehr starke Filmmusiken hintereinander, wobei jede einen eigenen Klangcharakter und starke, neue Themen präsentierte (mit Ausnahme der Williams-Zitat in Jurassic World). Das war sehr beachtlich, hallte jeweils lange nach und resultierte nun in weiter gesteigerten Erwartungen an seinen nächsten Streich. Zootopia vermag dieses Qualitätslevel zumindest bezüglich dem Hörerlebnis abseits der Bilder nicht zu halten. Die Musik ist zu wenig fokussiert – beinahe jedes einzelne Stück scheint einem eigenen Musikkosmos anzugehören – und es fehlt ein präsentes Hauptthema. Mal wägt man sich bei den Incredibles, dann auf der LOST-Insel oder im Retro-Disco- und Funk-Schuppen um die Ecke. Im Film überhöht die Musik damit den Spassfaktor, doch abseits der Bilder ermattet der Zootopia-Score den Hörer mit Ideen-Overkill und Musikstil-U-Turns à la gehetzt-häsischem Hakenschlagen-Lauf.
ZOOTOPIA Michael Giacchino Walt Disney Records 62:32 Min. / 22 Tracks
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