Der Titel dieser CD sagt schon alles, denn hier fasst Alhambra die dreimalige Zusammenarbeit von Lavagnino und Welles für dessen ambitionierte Shakespeare-Verfilmungen in einer attraktiven Präsentation zusammen. Während OTHELLO und FALSTAFF schon längst ihre Veröffentlichung erlebten, feiert THE MERCHANT OF VENICE auf diesem Silberling seine Premiere. Und wer des Italienischen mächtig ist, erfährt in ein paar Interviews Näheres über Lavagninos Erfahrungen mit dem grossen Filmemacher und seine Arbeit an den Filmen.
Das Programm wird mit MERCHANT OF VENICE unchronologisch eröffnet, denn es handelt sich bei diesem aus finanziellen Gründen unvollendeten Werk aus dem Jahre 1969 um den jüngsten der drei Filme. Lange als verschollen geglaubt, gelangte er 2015 beim Filmfestival von Venedig in einer vom Münchner Filmmuseum zusammengestellten, 36-minütigen Fassung doch noch zur Aufführung.
Die Musik dazu wird zunächst in der rund 15-minütigen Originalversion präsentiert, danach folgt eine 2015 aufgenommene, 22-minütige Live-Suite, die vom Orchestra Classica di Alessandria unter Roberta Granata am Filmfestival Venedig zu Gehör gebracht wurde. «In der Kürze liegt die Würze» trifft auf diesen Score zweifellos zu. Lavagnino nähert sich nicht nur der barocken Zeit mit Laute, Cembalo oder gedämpften Trommeln, sondern kontrastiert auch die tragische Romantik von «Jessica’s Theme» mit der Feierlichkeit von «Carnival of Venice» und der nicht ganz ungetrübten Unbeschwertheit von «Tarantella» (mit fürs Lokalkolorit sorgenden Mandolinen) und «Acrobats».
Unter den präsentierten 21 Minuten aus FALSTAFF (1965, auch als CHIMES OF MIDNIGHT bekannt) befinden sich rund 8 Minuten bisher unveröffentlichten Materials. Die der mittelalterlichen Handlung angepasste Musik besitzt zunächst sowohl volkstümlichen als auch tänzerischen Charakter, wobei hier Holzblasinstrumente und Perkussion dominieren, und wechselt mittig mit «Attack on the Pilgrims» und «Battaglia a Campo di Morte», wo sich ein (an)klagender Frauenchor dazugesellt, in einen kriegerischen Modus. Das letzte Drittel wiederum ist lyrischen und elegischen Klängen vorbehalten.
Bereits 1951 entstand THE TRAGEDY OF OTHELLO: THE MOOR OF VENICE, oder ganz einfach OTHELLO. Während Varèse 1993 den kompletten Score in einer Neuaufnahme veröffentlichte, offeriert Alhambra nun drei Tracks der Originaleinspielung mit teilweise geringfügigen Toneffekten. Auch hier haben wir eine Mischung aus Folklore und Dramatik, wobei letztere in vorliegenden Auszügen überwiegt, bekommen wir es doch in «Funeral» und «Finale» mit einer Begräbnismusik zu tun, zu dessen äusserst wirkungsvoller Stimmung auch ein Männerchor seinen Teil beiträgt.
Mit diesem Lavagnino-Album gelang Alhambra wieder ein echter Winner. Die drei präsentierten Scores zeigen anschaulich, wie stilsicher der italienische Komponist in verschiedene Epochen einzutauchen vermochte, ohne jedoch starr in selbigen zu verharren. Der einzige Wermutstropfen ist, dass von OTHELLO zu wenig vorhanden ist, um sich ein repräsentatives Bild davon zu machen. Darüber tröstet jedoch das tolle Booklet hinweg, denn es gefällt nicht nur durch seine Illustrationen von Bildern mit Shakespeare-Figuren, die Welles malte und Lavagnino schenkte, sondern es enthält auch die englischen Übersetzungen der Interviews.
THE ORSON WELLES/A.F. LAVAGNINO COLLABORATION Angelo Francesco Lavagnino Alhambra A 9043 79:41 Min. / 28 Tracks Limitiert auf 300 Stk.
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