Quincy Jones (1933 – 2024)

Ein Nachruf von Andi Süess

Mit Quincy Jones, der am 3. November 91-jährig in seinem Zuhause in Bel Air entschlafen ist, verliert die Musikindustrie eine der bedeutendsten und erfolgreichsten Persönlichkeiten, die die Branche während 70 Jahren nachhaltig mitgestaltet und -geprägt hat. Er war nicht nur Komponist und Bandleader, sondern auch Produzent, Arrangeur und Förderer zahlreicher namhafter Künstler von Jazz bis Pop. Seine bekannteste Einzelkomposition dürfte der schelmische «Soul Bossa Nova» aus dem Album BIG BAND BOSSA NOVA (1962) sein. Das Stück entwickelte im Laufe der Jahre ein Eigenleben und startete mit dem Einsatz in den AUSTIN-POWERS-Filmen so richtig durch.

Geboren wurde Quincy Jones am 14. März in Chicago. Illinois. Noch im Teenager-Alter lernte er Ray Charles kennen, mit dem er eine kleine Combo gründete und durch die Jazz-Klubs von Seattle zog. Als Siebzehnjähriger bekam er ein Stipendium für das Berklee College of Music in Boston, doch schon nach kurzer Zeit gab er das Studium auf, um als Trompeter mit Lionel Hampton auf Tournee zu gehen. In dieser Zeit begann er auch bereits, zu arrangieren.

Jones liess sich in New York nieder, wo er nebst Ray Charles auch etwa für Count Basie, Sarah Vaughan und Duke Ellington Arrangements verfasste. 1956 wurde er von Dizzy Gillespie als Orchesterleiter für dessen Welt-Tournee engagiert. Ein Jahr darauf bekam er einen Vertrag bei ABC-Paramount, wo er sein erstes Album THIS IS HOW I FEEL ABOUT JAZZ veröffentlichte. Im selben Jahr vertiefte er in Paris unter Nadia Boulanger seine musikalischen Studien. In Frankreich begann er auch, bei Barclay Records für Künstler wie Jacques Brel, Charles Aznavour oder Billy Eckstine Platten zu produzieren. Er ging mit verschiedenen Jazz-Bands auf Europa-Tourneen und begann 1958 als Orchesterleiter eines Galakonzerts von Frank Sinatra in Monaco seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Sänger.

Als Jones in die USA zurückkehrte, wurde er 1964 als Vizepräsident von Mercury Records der erste Afroamerikaner in der Führungsspitze eines Major-Labels und produzierte nebst Jazz erstmals auch Pop. 1963 gewann er seinen ersten Grammy und begann gleichzeitig, Filmmusik zu komponieren. Hier profilierte er sich vor allem in den Sechzigern und frühen Siebzigern mit Scores wie THE PAWNBROKER, IN THE HEAT OF THE NIGHT, IN COLD BLOOD, MACKENNA’S GOLD, THE ITALIAN JOB, THE GETAWAY (wo er von Steve McQueen geholt wurde, um Jerry Fielding zu ersetzen) und Spielbergs THE COLOR PURPLE. Auch im TV hinterliess er mit IRONSIDE und ROOTS seine Spuren. Mit seiner stilistischen Vielseitigkeit in Jazz, Blues, Pop, Funk, Folk und Klassik war er als Filmkomponist stets um Originalität und Eigenwilligkeit bemüht. Er erhielt unter anderem sieben Oscar-Nominierungen, durfte 1995 und 2024 einen Ehrenoscar entgegennehmen und gewann 1999 den Henry Mancini Award.

Ab Mitte der Achzigerjahre konzentrierte sich Jones in Hollywood mehr aufs Produzieren als aufs Komponieren. Auch ausserhalb der Filmindustrie arbeitete er als Produzent weiterhin erfolgreich mit bekannten Künstlern wie Aretha Franklin, Little Richard, Herbie Hancock, Ella Fitzgerald, George Benson, Joe Zawinul, Miles Davis oder Al Jarreau zusammen. 1985 produzierte er den von Michael Jackson und Lionel Richie mittlerweile zum Weihnachtsklassiker gewordenen Welthit «We are the World». Ab 2010 förderte Jones als Produzent und Mentor hoffnungsvolle junge Musiker.

Trotz all dieser bemerkenswerten Leistungen bleibt Quincy Jones im kollektiven Bewusstsein wohl am ehesten als Produzent der Michael-Jackson-Alben «Off the World», «Thriller» und «Bad» in Erinnerung. «Thriller» von 1982 gilt als das meistverkaufte Album aller Zeiten. Daneben durfte sich Quincy Jones mit zahlreichen Auszeichnungen schmücken, unter anderem 28 Grammys (bei 80 Nominierungen), einen Emmy für ROOTS, einen Tony Award für das Revival des Musicals THE COLOR PURPLE, den Polar Music Prize (inoffizieller Nobelpreis der Musik) und mit der Jazz Masters Fellowship die höchste Auszeichnung für Jazzmusiker in den USA.

Der dreimal verheiratete Quincy Jones zeugte mit fünf verschiedenen Frauen sechs Töchter und einen Sohn. Seine bekannteste Lebenspartnerin dürfte Nastassja Kinski gewesen sein. Die Beziehung, der die als Model bekannt gewordene Kenya Kinski-Jones entstammt, hielt von 1991 bis 1997. Sein einziger Sohn, Quincy Jones III, ist ebenfalls als Musikproduzent tätig.

11.11.2024