Am 21. Juli 2024 waren es 20 Jahre seit Jerry Goldsmith verstorben ist.
Die Nachricht kam damals überraschend, für viele bestürzend, obwohl man vielleicht hörte, dass Goldsmith krank sei. Aber wenn ein Vielarbeiter wie er Teile einer Musik an einen anderen Komponisten vergibt, wie bei LOONEY TUNES: BACK IN ACTION (2003) geschehen, dann liegt es entweder daran, dass er, eben, viel zu tun hat – oder etwas anderes vorliegt. Ans Schlimmste denken, das taten wohl die Wenigsten unter uns.
STAR TREK-THE MOTION PICTURE (1979) war der erste Film, bei dem ich bewusst den Namen Jerry Goldsmith aufgenommen und nie wieder vergessen hatte. Diese gewaltige, majestätische Hymne (so klang es damals für mich, an einen Marsch dachte ich als Knirps nicht) zu Beginn des Films, die Musik für die Klingonen, die Trompete beim Flug zu der im «Trockendock» hängenden Enterprise und die Pausenmusik, die bei geschlossenem Vorhang ertönte. Ich war hin und weg. Mich störte dabei weder die Länge noch das bedächtige Tempo des Films, im Gegenteil ich suhlte mich, als knapp 10jähriger, in dieser Musik eines Mannes mit Namen Jerry Goldsmith, der für mich ab sofort Synonym für etwas ganz Besonderes war.
Damals stellte ich mir immer Menschen zu Namen vor – man bedenke, es gab absolut keinen Zugang zu irgendwelchen Informationen wie sie uns heute überfluten, schon gar nicht für mich als Kind und in einem so speziellen Gebiet wie es Filmmusik war. Als ich später das erste Mal ein Foto des Maestros sah, kam er mir irgendwie bekannt vor. Erklären kann ich mir das bis heute nicht, lag ich doch eigentlich immer daneben mit meinen bildlichen Assoziationen.
Auch war es kaum möglich an LPs mit den Zusätzen «Original Motion Picture Soundtrack» und «Composed and Conducted by» zu gelangen, dazu war weder das Geld da noch führte das lokale Plattengeschäft solche Hollywoodmusiken. Alleine in die Kinofilme, die Jerry Goldsmith musikalisch ausstattete, durfte ich noch einige Zeit nicht. Klar holte ich das alles nach, später, als ich mein eigenes Geld hatte und die Frage an der Kinokasse, «bist du denn schon 16?», keine Rolle mehr spielte. Inzwischen war da noch ein anderer Komponist in meinem Sichtfeld, nachdem ich THE EMPIRE STRIKES BACK (1980) sehen gehen durfte. Dann tauchte plötzlich mit James Horner ein weiterer Name im Feld des Science Fiction auf, damals mein absolutes Go-to-Genre – obwohl ich logischerweise hoffte, ehe ich mit Schrecken das Filmplakat sah, Goldsmith würde auch die Musik zum zweiten STAR TREK Film liefern. Doch Horner wickelte mich mit WRATH OF KHAN um den Finger. Im Rückblick darf man sagen: Was für eine goldene Zeit, die wir damals erleben durfte und wie trocken dazu die jetzige «Filmmusikernte» und leider auch das Boxoffice-Programm ausfällt.
Ja, Jerry Goldsmith mutierte zu meinem Lieblingskomponisten – auch LINK (1986) und MR. BASEBALL (1992) entmutigten mich nicht; sonderbarerweise mochte ich dem Ersteren sogar etwas abzugewinnen und LINK drehte einige Mal seine Runden auf dem Plattenteller.
Seine mitreissend beispiellose Actionmusik, sein Gespür für ein (das richtige?) Hauptthema, sein ganz besonderes Faible für ein Liebesthema sowie der Umgang mit Themen und Motiven, aber auch und insbesondere die Einbindung von Synthesizern in viele seiner Scores, all das war trotz der manchmal unglücklichen Filmauswahl für mich einfach unvergleichlich, so gerne ich Williams und Horner hörte.
Jerry Goldsmith verstarb viel zu früh. So wie man den Komponisten gekannt hat, wären da noch einige Scores auf uns zugekommen, hätte der Amerikaner noch so manches Konzert dirigieren können. Spannend wäre gewesen zu erleben wie er mit den neuen Anforderungen in und um Hollywood zurecht gekommen wäre – aber so wie er die Zeit anfangs der 70er Jahre, als Filmsongs und ultrakurze Filmmusiken en vogue waren, überstanden hatte, ist zu erwarten, dass er, Jerry Goldsmith, auch diese neuerliche Phase der Filmmusikdürre mit Bravour hinter sich gebracht hätte.
Doch so verliess uns und seine Lieben am 21. Juli 2004 einer der ganz grossen Filmkomponisten und hinterliess eine nicht zu füllende Lücke, die dank der Speciality Labels immerhin mit «definitiven» und «Deluxe» Ausgaben seiner Scores doch anständig bearbeitet wurde.
Nun steht eine mit Spannung erwartete Buchreihe an und fast gleichzeitig sind in Frankreich ebenfalls zwei Bücher über Jerry Goldsmith erschienen.
Jerry, wir vermissen Dich – nach wie vor!