WONDERWELL
William Ross & Angelo Badalamenti, Movie Score Media
Der Film WONDERWELL (2023) von Regisseur Vlad Marsavin erzählt die Geschichte der 12-jährigen Violet, die zwischen dem heutigen Italien und einem imaginären Reich «jenseits der Grenze» zahlreiche Abenteuer erlebt. Das Märchen wartete jahrelang auf einen Filmverleiher – wohl nicht grundlos, denn der nun veröffentlichte Film erhielt überwiegend schlechte Kritiken. Aus filmmusikalischer Sicht darf einem aber warm ums Herz werden – William Ross’ einfühlsame Filmmusik (co-komponiert mit Alexander Kovacs und Alex Kharmalov) verzaubert mit schönen, verträumten Klangfarben und einer inhärenten Ruhe. Hinzu kommt, dass eines der Hauptthemen aus der Feder von Altmeister Angelo Badalamenti stammt und dass das London Symphony Orchestra zusammen mit Chor und Solisten – u.a. Gesang von Kiera Milward, der Violet-Darstellerin – aufspielt. Daraus ergibt sich ein schönes, stimmungsvolles Werk, zu dem man gerne abtaucht und sich gut entspannen kann. Eigentliche musikalische Steigerungsläufe bleiben zwar aus, was der Musik noch bisschen mehr Drive und Abwechslung verliehen hätte, doch gründet im meist gemächlichen, gar hypnotischen Fluss dieser Musik eben auch ein spezieller, eher selten gewordener Zauber.
| Basil
HOT FUZZ
David Arnold, La-La Land Records
Schöne Überraschung aus dem Hause La-La Land: ein wenig bekannter und zuvor nur als Download erhältlicher, damals mit 40 Minuten ausgestatteter Score von David Arnold. Hier nun erhalten wir den Overkill auf 2 CDs mit satten 93 Minuten Musik. Der Score für die buddy cop Komödie HOT FUZZ (2007) mit Simon Pegg und Nick Frost ist ein in allen Teilen «ernsthaft» komponierter, moderner high-octane Score mit Orchester und massig elektronischen Teilen. Den Komödienanteil blendet Arnold hier (dankenswerterweise) komplett aus, übrig bleibt eine äusserst geschäftige Filmmusik, die sich in einem Actionblockbuster genauso perfekt machen würde. Am Leckersten ist für mich «Theme from Hot Fuzz (Album Suite)» mit seinem 70er Vibe. Ansonsten erhält man Arnold, der auf Genremusiken à la Isham und Mancina macht ohne aber als Blaupause zu funktionieren.
Zusätzlich ist ein tolles, ausführliches Booklet mit Liner Notes von Jeff Bond enthalten.
| Phil
MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING: PART I
Lorne Balfe, La-La Land Records
Für MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING: PART I (2023) von Regisseur Christopher McQuarrie liefert der nimmermüde Komponist Lorne Balfe eine 2-stündige Fortsetzung seiner FALLOUT-Musik, die zwar mit Action-Highlights und auch ein paar schönen dramatischen Momenten besticht, aber erneut an Überlänge und Repetition krankt. Zu den Highlights zählen auch dieses Mal die zahlreichen Schifrin-Zitate und – neu – das markante Spiel des 25-köpfigen Basler Top Secret Drum Corps. Die Kombination hieraus resultiert in mitreissenden Stücken wie den «Dead Reckoning Opening Titles» – das macht richtig Spass! Das Problem ist indes, dass dieses und weitere Highlights – wie die «Rome»-Stücke und das Zug-Finale – von zu viel schummriger Stimmungsmusik umspielt werden und dass die Action-Stücke, wenn auch unterhaltsam, arg repetitiv sind. In der Folge kann man dieses Album eigentlich auch als Random-Playlist hören, ohne dass man sich hinsichtlich der Narration verloren fühlen würde. Das ist merkwürdig. Auch spielt der Film zwar im Beringmeer, in Abu Dhabi, in Rom und Venedig sowie in den Alpen, doch markantes musikalisches Lokalkolorit gibt es keines. So bleibt einem auch im Falle von DEAD RECKONING: PART I nichts anderes übrig als sich eine rund 30-minütige knackigere Version zusammenzustellen und diese dann in adäquater Lautstärke krachen zu lassen. Denn Balfes Musik mit den fetzigen Rhythmen will man durchaus wiederholt lauschen, aber nicht während vollen zwei Stunden.
| Basil
JOE HISAISHI: A SYMPHONIC CELEBRATION
Joe Hisaishi, Deutsche Grammophon
Eigentlich wäre dieses Jahr Joe Hisaishi als Gast bei «Hollywood in Vienna» vorgesehen gewesen, doch musste der traditionelle Filmmusik-Event wegen fehlender beziehungsweise abgesprungener Sponsoren leider abgesagt werden. Diese Scheibe von Deutsche Grammophon bietet wohl die Konzertatmosphäre, mit der Fan, der Hisaishi gerne live in Wien gesehen und gehört hätte, entschädigt wird.
Das Royal Philharmonic Orchestra interpretiert Musik aus zehn Filmen des Studio Ghibli zu denen Hisaishi die Musik geschrieben hat. Darunter finden sich eher längere Stücke aus KIKI’S DELIVERY SERVICE (1989), PORCO ROSSO (1992) und bekannte Werke wie PRINCESS MONONOKE (1997), SPIRITED AWAY (2001) und HOWL’S MOVING CASTLE (2004). Die Stücke sind eher klassisch gehalten und eingespielt, zu hören sind ebenfalls einige der Songs aus den Filmen. Puristen der Hisaishi-Scores müssen sich ein wenig umstellen – dann aber haben wir hier ein äusserst feines Hörerlebnis vorliegen, das in der Deluxe Edition auf CD 2 des Albums zwei kurze Bonuse enthält. Ausserdem ist ein Booklet beigelegt.
| Phil
CONFESS, FLETCH
David Arnold, Blue Note Records
Harold Faltermeyer hat zur Vertonung von FLETCH (1985) sein kultiges BEVERLY HILLS COP Thema auf den Kopf gestellt und eine sonderbare musikalische Figur daraus gebastelt. Viele Jahrzehnte später – nämlich 2022 – kommt David Arnold ins Spiel: Er hat erkannt, was Faltermeyer nicht gelungen ist und vollendet seine Arbeit, indem er ein freches, schillerndes Fletch Thema fürs Remake entwickelt. Problem: Arnolds Beitrag zum CONFESS, FLETCH Album ist recht kurz ausgefallen und findet nur Platz in zwei Cues: «Tunnel Escape» und «Fletch in the Alley». Beide ergeben in Summe eine Spielzeit von zwei Minuten. Ja, zwei lausige Minuten! Wie gerne hätte ich mehr davon gehört.
Den Rest des einstündigen Albums durften posthum diverse sechziger Jahre Jazz Urgesteine besteuern. Mit Filmmusik hat das freilich nicht mehr viel zu tun. Insgesamt aber bereitet die stimmungsvolle Swing-Jazz-Funk-Mixtur Freude und läßt sich gut durchhören. Fazit: Sehr kurzes, aber empfehlenswertes Vergnügen für David Arnold-Kenner. Durch die geringe Spielzeit ist eine Bewertung allerdings nicht möglich.
Geheimtipp für Achtziger-Jahre Fans: Im «Kefrens Megademo 8» gibt es den Part «Rotate». Dort wird das 1985er-FLETCH-Thema so präsentiert, dass es Spaß macht; inklusive fetziger Copper-Animationen.
Oliver
MONEY
Ennio Morricone, Beat
Ein wahres who is who in diesem kaum gesehenen Thriller aus dem Jahr 1991: Nebst Hauptdarsteller Eric Stoltz spielen F. Murray Abraham, Christopher Plummer, der italienische Tausendsassa Tomas Milian, Ex-Bond Girl Maryam d’Abo und das deutsche Schwergewicht Mario Adorf. Stoltz jagt in MONEY den Personen nach, die seinen Vater in den Ruin getrieben haben.
Die Musik hat Ennio Morricone verfasst, die hier mit dem selben Programm (37 Minuten) wiederaufgelegt wurde wie die nur mehr schwierig erhältliche GDM CD. Morricones Musik hat einen rauchigen, mitunter jazzig angehauchten Touch, dafür setzt der Italiener ein Flügelhorn als Soloinstrument ein (in folgenden Tracks sind auch Saxophone eingebaut), ausserdem E-Bass und Synthesizer für das Hauptthema (Track 1). In Track 2 ist ein sentimentales Motiv für Streicher und später Flügelhorn und Englischhorn zu hören, dem man das Attribut «typisch Ennio Morricone» ohne Vorbehalte anhaften darf – und man höre sich dazu auch Track 12 an. Track 5 ist ein sich nach und nach aufbauendes, eher spannungstreibendes Stück mit Synths und Keys, Flöten, Schlagzeug, Blechbläsern, E-Gitarre (eher aus dem Synthie?), während Track 8 eher verspielt erscheint. Dieses sind die auffälligsten Teile dieses kurzweiligen Scores.
| Phil
THE LAST VOYAGE OF THE DEMETER
Bear McCreary, Sony Classical
Mit THE LAST VOYAGE OF THE DEMETER (2023) lieferte Regisseur André Øvredal quasi die Vorgeschichte zur bekannten Dracula-Legende. In Bram Stockers ikonischer Erzählung soll das Segelschiff Demeter vor den Küsten von North Yorkshire gesunken sein – mit einer Fracht aus Transsilvanien und einer niedergemetzelten Besatzung an Bord. Der Film erzählt, wie es hierzu kam.
Die Musik zum Film sollte ursprünglich Thomas Newman liefern, doch dieser musste das Projekt aus terminlichen Gründen abgeben. Übernommen hat Bear McCreary und er liefert erneut eine überzeugende Filmmusik, die insbesondere während den melancholischen, mysteriösen Momenten herrlich anzuhören ist. Entsprechend sollte einem der wuchtige, stampfende GOD OF WAR-ähnliche Auftakt nicht vorschnell Sorgen hinsichtlich einer überlauten Tour-de-Force bereiten, denn schon während der zweiten Hälfte des Stücks «The Last Voyage of the Demeter» lässt ein beklemmendes, berührendes Violinensolo die nicht minder tragische, dramatische Seite dieser Geschichte erahnen. Dazu kommen mystische Gesangseinlagen und sakral-morbide Chormomente. Dieses Wechselspiel zwischen orchestraler Gewalt und lyrischer Melancholie – wobei einem die Themen nicht mehr aus dem Kopf gehen – sorgt dafür, dass das 35-minütige Album nie langfädig oder strapaziös wird. Wieder gibt McCreary Anlass zur Freude und lässt einem hinsichtlich der wohl hektischen Produktionsumstände auch Staunen.
| Basil
MOUSE HUNT
Alan Silvestri, Varèse Sarabande Club
Gore Verbinskis Regieerstling MOUSE HUNT (1997) spielte weltweit 122 Mio.$ ein und wurde somit bei einem Budget von knapp 38 Mio.$ zu einem anständigen Hit für Jung und Alt. Für die Musik besorgt war Alan Silvestri, der im selben Jahr den beeindruckenden CONTACT mit Musik unterlegte und mit STUART LITTLE (1999) zwei Jahre später erneut mäusisches Vergnügen verbreiten würde. Varèse erweiterte für diesen Clubrelease die Original-CD (knapp 30 Minuten) um 36 Minuten, wobei sich diese nun 66 Minuten auf stolze 44 Tracks aufteilen, soll heissen: viele Stücke dauern 30 Sekunden bis knapp 1:30 Minuten – nicht einfach hier einem musikalischen Fluss zu folgen. Ein Hauptthema aber verwendet Silvestri, dass er variiert und anpasst, beschleunigt, umorchestriert; ein weiteres auffälliges Motiv hat er für den von Nathan Lane gespielten Charakter auf den Leib geschrieben. Insgesamt ist MOUSE HUNT technisch natürlich fein gemacht, als Hörvergnügen aber sicher etwas schwierig zu geniessen. Daniel Schweiger hat die Liner Notes im 20-seitigen Booklet verfasst.
| Phil
THE ESCAPE ARTIST
Georges Delerue, Silva Screen Records
Caleb Deschanles (hochdekorierter Kameramann mit Oscar-Gewinnen u.a. für THE NATURAL (1985) und THE RIGHT STUFF (1984)) wenig erfolgreicher Erstling, der einiges an Tumulten in der Produktion und der Releasezeit erlebte (Francis Ford Coppolas Zoetrope Corporation zeichnte verantwortlich), erhielt einen hübschen, stellenweise erstaunlich spannungsgeladenen und ja, dem Thema des Films entsprechenden, hie und da magischen Score des damals in den USA tätigen Georges Delerue. Geschrieben für ein mittelgrosses Orchester, mit Soloinstrumenten in den Holzbläsern und mit Ausnahme von Hörnern keinen weiteren Instrumenten in der Blechblasabteilung. Delerue lässt nebenbei leichtes 80er Popfeeling aufkommen, störend wirkt das aber nicht gross.
2005 erschien bei Percepto eine 1500er Edition von THE ESCAPE ARTIST (1982) mit 22 Tracks, Silva Screen legt nun mit einer auf 26 Tracks erweiterten, aber an sich nur wenig längeren Veröffentlichung nach – enthalten ist ein 16 Seiten Booklet mit Text von Michael Beek. Wer also die Percepto CD damals nicht erwischte, kann sich diesen gelungenen Delerue nun doch noch zulegen.
| Phil
PHAR LAP
Bruce Rowland, Buysoundtrax
Hierbei handelt es sich um eine 1:1 Version der einst erhältlichen LP-Version. Bruce Rowland, mitunter melodiösester Filmmusikkomponist von Down Under, hat die Musik zu Simon Wincers wahrer Geschichte um das Rennpferd PHAR LAP (1983) geschrieben. PHAR LAP war Rowlands zweite Filmmusik nach THE MAN FROM SNOWY RIVER (1982) und wie bei dem George Miller Film behält Rowland auch hier das grossorchestrale, thematische Kleid bei. 100 Musiker versammelte Rowland und was wir zu hören kriegen, ist eine ins Ohr gehende, oftmals üppig bestückt manchmal etwas gar gewollt emotionale Musik, in der das Hauptthema eine wichtige und diverse Male angestimmte Hauptrolle einnimmt. Es ist vom Klavier gespielt, unterstützt vom Orchester, in «Phar Lap-Main Theme» zu hören oder mitreissend in einer Variation in «The Sandhills», in dem wir zu Beginn und zum Ende auch einen Synthesizer vernehmen. Der letzte Akt des Films spielt in Mexiko, dem zollt Rowland mit «Agua Caliente» oder «Training in the Desert» Tribut. Wehmutstropfen: eine Langversion des Oldies (40 Jahre ist es her), so vorhanden, wäre richtig vielleicht eine hübsche Überraschung gewesen?!
Ein 6-seitiges «Dioramabooklet» mit Liner Notes von Randall D. Larson liegt bei.
| Phil
04.09.2023