Something Wild

Review aus The Film Music Journal No. 31/32, 2004

Überfallartig suchen die eröffnenden Clusterketten das unvorbereitete Ohr heim und sorgen für den Hechtsprung zum Dynamikregler, ehe die Nachbarn zu klopfen beginnen. SOMETHING WILD hat eine der schroffsten CD-Eröffnungen anzubieten, die sich denken läßt. Später beruhigt sich die Musik, wird lyrischer, weicher, ohne den Hörer jemals in Sicherheit zu wiegen. Denn der nächste Hieb kommt bestimmt.

Robert Townsons Label hat seine Produktion älterer Filmmusik recht drastisch zurückgeschraubt und in den Bereich des Varèse-Clublebens verwiesen. Aaron Coplands SOMETHING WILD jedoch erscheint innerhalb der regulären Filmmusikserie und kann zum Normalpreis erworben werden. Natürlich ist der Name Copland eine Zugnummer, und das ausführliche Booklet macht mit seinem Bericht über die Wiederentdeckung eines verlorengeglaubten Scores allemal neugierig. Auch wenn es einige Neueinspielungen gibt: Originalaufnahmen von Coplands Filmkompositionen sind Raritäten. In diesem Fall liegt eine seltene LP der Veröffentlichung zugrunde, ohne daß man die typischen Nebengeräusche wahrnehmen würde.

SOMETHING WILD ist freilich kein „offenes Buch“ und schon gar kein Musterbeispiel jener Sorte «Americana», die so oft auf Coplands Vorgaben zurückgeführt wird. In Anbetracht fehlender Leitmotive oder auch nur durchgängiger Gestalten muß man sich die komplexen Harmonien und Rhythmen erst erschließen, geduldig einhören und mit Sympathie verfolgen, anstatt die CD im Hintergrund laufen zu lassen. Copland arbeitet vor allem in den längeren Stücken gern mit vielen Stimmen, die ihr Eigenleben führen und nicht Begleitfunktionen übernehmen.

Ich muß gestehen, daß es mir nur selten gelingt, die Komposition zu mögen. Sie ist interessant, keine Frage, und ihre eigensinnigen Klanggebilde nehmen in Anbetracht der Tatsache, daß 1961 längst das Zeitalter der leichten Muse angebrochen war, sehr für den Komponisten ein. Vielleicht hilft es, selbst ein wenig aufgekratzt zu sein, die Aggressivität mitzutragen und sich auf diese Weise gegen die Schroffheiten einer keineswegs beliebigen Partitur zu wappnen. Kein Score für den Alltag, aber doch von unbestreitbarer Qualität.

Ich empfehle den Einstieg mit Track 6, einer Art musikalischen Erzählung ohne Sprecher, sieben pastoral-lyrische Minuten, zwischendurch nicht ohne Härten, aber insgesamt von großer melodischer Schönheit.

Matthias  |  2004

SOMETHING WILD
Aaron Copland
Varèse VSD 6469
35:10 | 14 Tracks