Julius Caesar (FSM)

Review aus The Film Music Journal No. 33/34, 2005

Dann und wann leuchtete in der Masse von Routineproduktionen des Filmstudios MGM auch einmal ein Projekt auf, das einem Künstler als echte Herausforderung erscheinen musste. Miklós Rózsa, nicht gerade ein Anhänger des Hollywoodsystems, hoffte stets auf derartige Filme und widmete sich ihnen mit besonderer Hingabe. 1953 wartete ein solches auf ihn. Shakespeare-Adaptionen waren zu jener Zeit Mangelware, weil die Produzenten nicht an die Kassenträchtigkeit des Dramatikers glaubten. Gleichwohl entschloss sich MGM, den populären JULIUS CAESAR-Stoff mit einer erlesenen Besetzung auf die Leinwand zu bringen und Joseph L. Mankiewicz mit der Inszenierung zu betrauen.

Trotz der kriegerischen Fabel ist Julius Caesar ein dialoglastiger Schwarzweißfilm, dessen Ansehen mit den Schauspielerleistungen steht und fällt. Wie so oft gab es in der Postproduktion Schnitte, wurde auch die Musik in Teilen so stark herabgepegelt, dass man sie nur mit Mühe verfolgen kann. Schon im LP-Zeitalter erschien eine Platte, die allerdings nur Auszüge und dann auch noch den Filmton präsentierte. Lange Zeit schien es so, als müsse man bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, ehe ein brauchbares Album erhältlich

sein würde. In den 90ern sprang Bruce Broughton in die Bresche und dirigierte eine willkommene Neueinspielung. Und jetzt bereitet das FSM-Team dem Warten ein Ende und legt die ultimative Fassung eines filmmusikalischen Meisterwerks vor. Zu den 68 Minuten der CD gehören auch wieder viele Bonustracks, die als Doku-Stücke die Produktion abrunden und glücklicherweise deren Anhang bilden.

JULIUS CAESAR besitzt zwei Hauptthemen von sonderbarer Beziehung, die sich auf drei Figuren verteilen. Im Mittelpunkt des Dramas stehen Brutus und Antonius, Caesar ist eher das Vehikel des Ganzen. Antonius schickt sich an, die Ermordung Caesars zu rächen, und Rózsa überträgt auch dessen Thema auf die Figur seines Schützlings. Höre man nur das «Preludium» mit seiner unerbittlich aufstrebenden Melodielinie, dem prächtigen Fugato und den rabiat herandrängenden Rhythmen, spüre die Versinnbildlichung geballter Arroganz. Paradoxerweise ist es, im Mittelteil desselben Stücks, gerade das Gegenthema für den Mörder Brutus, das zur Identifikation animiert. Die tragisch umwehten Streicherphrasen berühren weit unmittelbarer und erleichtern den Zugang zu einer Figur, dieeinem eigentlich unsympathisch sein müsste, von Shakespeare aber aufs Herrlichste ins Zentrum gerückt wird.

Rózsa selbst liebte das Drama und gerade die Figur des zweifelnden Ehrenmannes Brutus mehr als irgendetwas anderes, und beim Anhören der Musik kann man die Begeisterung nachvollziehen.

JULIUS CAESAR besitzt die monumentalfilmtypischen Märsche, verzichtet allerdings auf Tanzeinlagen. Ein besonders packendes Stück ist die Vorbereitung von Brutus großem Monolog, und dann natürlich die legendäre Steigerung im Finale, wo sich die beiden Hauptthemen abwechseln und im Klangraum umherwandern. Hier geht es nicht mehr darum, zwei Einfälle schlichtweg zu präsentieren, sondern ihre musikalische Vielfalt ins beste Licht zu rücken und gleichzeitig die Kräfteverhältnisse neu zu regeln.

Über allem liegt der Schleier des Verhängnisses, und Rózsa hält in der Wahl der dunklen Klangfarben merklich Distanz zu vielen Ausstattungsschinken, die er seinerzeit zu betreuen hatte. Gerade diese zurückhaltende, etwas spröde Orchestrierung hebt seine JULIUS CAESAR -Partitur aus ihrem Umfeld heraus.

Der direkte Vergleich zwischen Originalsoundtrack und Neueinspielung stimmt übrigens bedenklich. Während Broughtons IVANHOE-CD auch nach Erscheinen der Originalaufnahme eigenständig bestehen kann, mag man seine Caesar-Neuaufnahme nun nicht mehr hören. Sie wirkt in der Tempowahl, Phrasierung, Dynamik und den Ausdruckscharakteren sonderbar drucklos und verfehlt, weshalb sie wohl zum Staubfänger werden wird. Die in saturiertem Monoklang erhaltene Originaleinspielung gleicht hingegen einem Energiefeld mit Leuchtpunkten und Blitzen, so viel Spannung besitzt das Spiel des keineswegs überragenden MGM-Orchesters unter der Leitung des Komponisten. Eine maßstabsetzende Filmmusik-CD.

Matthias  |  2005

JULIUS CAESAR 
Miklós Rózsa
FSM Vol. 7 Nr. 9
68:05 | 20 Tracks