Rudy (The Deluxe Edition)

Ein weiterer «holy grail» in Sachen Jerry Goldsmith kann mit Erscheinen dieser Varèse Sarabande Club CD abgehackt werden. Die knapp 37 Minuten sind nun auf 66 Minuten erhöht worden, wobei zwei Tracks Footballgesänge sind, die entweder von einer College Brass Band oder den Zuschauern gesungen während den Spielen jeweils zum Besten gegeben werden (und besser ans Ende des Albums gesetzt worden wären).

In «Another Week with Jerry 3» bin ich bereits kurz auf den Film eingegangen, trotzdem sei hier nochmals erwähnt, dass Goldsmith mit Regisseur David Anspaugh und Produzent und Autor Angelo Pizzo in den leider nur zwei Zusammenarbeiten bei HOOSIERS (1986) und RUDY zur Höchstform aufgelaufen ist. Während HOOSIERS ein Mix aus viel Elektronik und Orchester und dabei nicht weniger mitreissend ist, hat Goldsmith bei RUDY vollständig auf Musiker und Chor zurückgegriffen – und das ebenfalls mehr als beeindruckend. Kaum bemerkbar sind die und da Synthieklänge eingewoben. Dass ihm bei RUDY eine Nomination des wichtigsten aller Filmpreise verwehrt wurde (in einem zugegeben starken Filmmusikjahr), bleibt ebenso unverständlich wie die Tatsache, dass Varèse damals wieder einmal sehr sparsam mit dem Album-Programm umgesprungen ist.

Während zehn Jahren versuchte Daniel Ruettiger (Rudy) in Hollywood die wahre, nämlich seine Geschichte des Underdogs, der nur mit Müh und Not und viel Arbeit ans Notre Dame College kam und dort schliesslich im Footballteam seinen Traum verwirklichen konnte – wenn auch nur für drei Spielzüge. Er gelangte wiederholt an HOOSIERS-Autor Pizzo und es dauerte nochmals mehrere Jahre, ehe Rudy sein Projekt, RUDY (1993), umgesetzt sah.

Goldsmith soll nach dem Anschauen von HOOSIERS (ohne Musik, so wie er es meist verlangte) dermassen gerührt geesen sein, dass er den Machern sagte, er wolle auf alle Fälle auch ihr nächstes Projekt vertonen. HOOSIERS fand Gnade bei der Academy und holte eine Oscarnomination für den Komponisten und Goldsmith war ohne Umschweife bereit auch die herzzerreissende, so uramerikanische Geschichte von RUDY musikalisch zu unterlegen.

Goldsmith, seinerseits kein Sportfan, entwickelte zwei hauptsächliche Ideen: Das Hauptthema, für RUDY, zunächst für Flöte und Harfe, das mit Dauer und zunehmender Dramatik des Films sich bis zur vollen Entfaltung für Orchester und Chor entfalten wird (so bereits in «Main Title» vollführt) Variiert wird dieses Thema in der Instrumentierung, mal gespielt von einer Klarinette oder der Oboe, da kurz vom Horn, natürlich von den Violinen, mal begleitet vom Klavier und oft vom Chor; wohlige Gänsehautmomente. Eine wundervolle Variante ist in «More Training» zu hören. Ein weiteres, gerne mysteriös gehaltenes Motiv kann mit der Notre Dame Universität in Verbindung gebracht werden, so in «To Notre Dame», dieses bewegt sich stets nah am Hauptthema.

Als zweites prägnantes Thema präsentiert Goldsmith temporeichere Musik für Trainingsbetrieb und Spielszenen, die die Bewegungen unterstreichen und gerade in den Zeitlupenszenen wunderbar wirken. Dieses in diversen Tracks fanfarenartige zu hörende Thema gehört ebenso wie das Hauptthema mit zu den Feinsten von den von Goldsmith in seiner späten Schaffensphase komponierten. Aber das gilt insgesamt für den Score zu RUDY, der voll und ganz auf der melancholischen und emotionalen Seite zu stehen kommt – und da gehört er auch hin.

Diese 66 Minuten bringen uns keine neuen Motive oder Themen, aber sie stellen den gesamten verwendeten sowie drei nicht gebrauchte Stücke dar («Last Game», «For Father», «Ready Champ») und die auf dem alten Varèse Album zuhörenden Versionen (original soundtrack version) und so eine umfangreichere Entwicklung der Komposition und gesteigerten Genuss dieser wundervollen Musik dar. Jerry Goldsmith wollte oft mehr «people movies» vertonen. RUDY ist «people movie as good as it gets» und Goldsmith fügt die sentimentale und mitreissende, bewegende und gefühlvoll geladene, erstklassige Musik dazu bei, die bei vielen Fans nicht zu Unrecht zu den beliebtesten des Komponisten gehört – Goldsmith selbst zählte RUDY zu seinen eigenen Favoriten.
Ich mochte die Musik zu HOOSIERS immer, auch die vielgescholtenen Simmons Drums und elektronischen Klänge – vielleicht liegt es auch an der Zeit, in der der Film mit Gene Hackman und Dennis Hopper erschien (als Film ist HOOSIERS um Längen besser) – und so bleibt dieser mein persönlicher Goldsmith-Sportfilm-Sieger.

Weder HOOSIERS noch RUDY waren grosse Erfolge an den Kinokassen beschieden, beide gehören sie aber zum Besten was menschliche Sportdramen anbelangt – und wenn es um die Musik geht, sowieso. Abgerundet wird diese Deluxe Edition von einem 24-seitigen Booklet mit Liner Notes von Tim Grieving, ohne Track-by-Track Analysen.

Phil | 31.10.2022

Phil | 31.10.2022

RUDY
Jerry Goldsmith
Varèse Sarabande Club
66:56 | 24 Tracks
Limitiert auf 3000 Stück