Snow White

Review aus The Film Music Journal No. 16, 1998

Noch Erinnerungen an die Märchenstunden der Kinderzeit? Da reichte doch der Satz «Es war einmal…», um in wohlig erwartungsfrohe Verzückung zu geraten. Und als die Erwachsenen keine Lust mehr zum Lesen hatten, kauften sie einem diese «Europa»-Platten mit Märchenhörspielen aller Art. Weil es da nichts zu sehen gab, mußte man schon die eigene Fantasie bemühen. Und für die Kinderseele ist das Grimm’sche Schneewittchen ja bildkräftig genug. Nun aber bemächtigen sich die Drehbuchautoren der Geschichten, verleihen ihnen zusätzlichen Gruselanstrich und bitten Schauspiel-Stars wie Sam Neill und Sigourney Weaver dazu. Letztere gibt jene böse Königin zum Besten, welche ständig den Spiegel an der Wand befragt, wer die Schönste im Land sei. In die Kinos schaffte es diese Schauermär wohl nicht, dafür aber ist der Video-Auswertung bereits die CD vorausgeeilt.

John Ottman, aus dem Stand heraus mit THE USUAL SUPECTS und INCOGNITO zu Kritikerlorbeer gekommen, setzt hier allzu freizügig auf die vorgekauten Horrorutensilien, so daß Begeisterung sich aller virtuosen Soundcollagen zum Trotz nicht recht einstellt. Das Bedrohliche wabert aus der gutbeschallten Orchestertiefe herauf, in höheren Registern locken Flöten und langgezogene Violinvokalisen. Die von Christopher Young her bekannten harmonischen Rückungen und Klaviersimplizismen fehlen ebenso wenig wie das konventionelle Herzrasen bei den Crash-Etappen oder die einsamen Stimmen in der Ferne.

Sieht man von der durchweg eklektischen Anverwandlung sattsam bekannter Vorbilder ab, so bietet Ottman auch hier eine solide Arbeit.

Matthias  |  1998

SNOW WHITE
John Ottman
Citadel
60:43 | 22 Tracks