Review aus The Film Music Journal No. 19, 1999
Klaus Maria Brandauer ist dabei, trägt Hüte, wie immer. Genügt das? BECOMING COLETTE (1991) erzählt eine im bürgerlichen Künstlermilieu des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielende Geschichte, ist für einen europäischen Film recht üppig ausgestattet und mit der schönen Matilda May in der Titelrolle gut besetzt. Wenn der Film dennoch nie so richtig den Hintern hochbekommt, dann ist das nicht allein der lethargischen Regieführung zuzuschreiben, sondern, man kann es fast eine Stunde lang hören, auch der Musik von John Scott, einer seiner weniger befriedigenden Kreationen. Davon bemerkt man zu Beginn der CD noch nichts.
Erst einmal stimmt das Orchester, einige menschliche Stimmen plappern hinein, dann feiert eine theaterhaft-pompöse Ouvertüre die Geburt der Aphrodite. Beides sind bühnenmusikalische Bestandteile der inneren Filmhandlung, und so lange macht das Zuhören auch Spaß. Von da an geht es jedoch mit der Spannungskurve bergab. Mr. Scott hat während der Arbeit den Maschinenraum nie verlassen können, was auch daran liegt, daß Danny Hustons Romanze extrem dialoglastig ist und den Komponisten weitgehend zur Rücknahme zwingt. Vereinzelt schlängelt eine hübsche Melodie vorbei – so das wirklich aparte Thema für Colettes Kindheitserinnerungen und die euphorische Einstimmung auf das neue Haus. Wenn man einen Kopfhörer aufsetzt und den Regler recht weit hochfährt, mögen auch die Hochzeit in Paris und einige weitere Stationen des Eheunglücks bei der Stange halten. Bei friedlicher Zimmerlautstärke ertappt man sich allerdings schleunigst dabei, im Booklettext zu blättern oder nach einer Zeitung zu greifen.
Wie nicht anders zu erwarten, hat Scott auch in diesem Fall nicht wirklich schlechte Musik aufs Papier gebracht – ein Routinier wäre er noch unter Vollnarkose -, doch seine extrem defensive, zudem klangtechnisch distanziert fixierte Komposition entwickelt auf die Dauer einfach zu wenig Profil und wäre besser als Suite von fünf, sechs Stücken anstelle der vollständigen Einspielung herausgebracht worden. Nun denn: sorgfältige Auswahl führt vielleicht im Nachhinein zu einer höheren Bewertung dieser impressionistisch getönten Partitur.
Matthias | 1999
BECOMING COLETTE
John Scott
JOS
54:32 | 22 Tracks