Brother

Review aus The Film Music Journal No. 25, 2001

Spätestens seit dem hochgelobten HANA-BI und dem im DSF ausgestrahlten „Takeshis Castle», wo sich seine Landsleute in nicht ganz ernst gemeinten Wettkämpfen freiwillig zum Affen machen, ist das in Japan äusserst populäre Multitalent Takeshi Kitano auch bei uns ein Begriff. Künftig dürfte sich sein Bekanntheitsgrad noch steigern, denn mit seinem neuen Film BROTHER, einer japanisch/amerikanischen, im Yakuza-Milieu von Los Angeles angesiedelten Co-Produktion, streckt er – erfolgreichen Beispielen von Kollegen aus dem asiatischen Raum folgend – seine Fühler Richtung Westen aus. Dem CD-Booklet ist zu entnehmen, dass BROTHER Kitanos neunte Regie- und gleichzeitig die sechste Zusammenarbeit mit „Hisaishi-san» ist.

Er weiss wohl, warum er diesem Komponisten immer wieder sein Vertrauen schenkt, denn vorliegender Score ist ganz einfach… schön. Schön und eine wohltuende Verklärtheit ausstrahlend, die so gar nicht passen will zur Thematik des Filmes. Und auch der eine oder andere Tracktitel suggeriert ganz anderes als das, was man dann hört. Im ersten Track «Driften… in LAX» spielt das Flügelhorn ein Thema, das später mannigfaltig wiederkehrt. Es wirkt in seiner leichten Melancholie zeitlos und ist die Art von Musik, die gerne zur Untermalung des Grossstadtlebens – vornehmlich zu einsamer nächtlicher Stunde – eingesetzt wird. In «Party – One Year Later» wird es vom Piano vorgetragen, und gemeinsam mit dem in einen relaxten lateinamerikanischen Rhythmus verfallenden Orchester verbreitet es nostalgisches, Easy-listening-mässiges Flair.

Obwohl die Musik allgemein recht westlich angelegt ist, verliert man nie die Nationalität des Komponisten aus den Ohren. Da sind die japanischen Trommeln in «Raging Men», und ein fernöstliches Thema, das immer mal wieder anklingt, wird in «Wipe out» und «Liberation from the Death» vollends ausgerollt, was diese Stücke für mich zu den Höhepunkten des Scores machen. In beiden Tracks durchwandert das Thema verschiedene Instrumentengruppen und bleibt, was Spannung und Dynamik betrifft, in wellenförmiger Bewegung. Gepaart mit einer repetitiv agierenden Begleitung erzeugt dies eine schier hypnotische Wirkung, die lange nachhält. Das anschliessende «I love you… Aniki» beleuchtet in siebeneinhalb Minuten noch einmal das Hauptthema von allen Seiten, gibt ihm damit die Gelegenheit, sich im Hirn einzunisten, und da könnte man vielleicht als Kritik anbringen, dass dieses Thema über den ganzen Score gesehen ein wenig über Gebühr beansprucht wird.

Trotzdem: Für all jene, die gerne mal eine Auszeit nehmen möchten vom gewohnten (Hollywood)Einerlei, ohne dabei ganz auf Vertrautes verzichten zu müssen, könnte Hisaishis Musik ein Versuch wert sein, für alle anderen natürlich auch. Mir jedenfalls ist sie sehr sympathisch.

Andi  |  2001

BROTHER

Joe Hisaishi

Milan

49:47 | 15 Tracks