Terror Tract | Frailty | Darkness Falls | Hunted | Children of Dune

Review aus The Film Music Journal No. 30, 2003

Im März 2003 brachte Varèse Sarabande gleich drei Filmscores von Brian Tyler auf den Markt und fokussierte solchermaßen das öffentliche Interesse auf den kaum bekannten Nachwuchskomponisten. Dieser hatte zwar schon vorher einige Filmpartituren abgeliefert, von denen SIX STRING SAMURAI und 4TH FLOOR auch auf CD erschienen, aber noch keinen prägenden Eindruck hinterließen.

Vor zwei Jahren schrieb Tyler eine bislang unveröffentlichte, nur als Promo-CD zirkulierende Musik, die allemal aufhorchen läßt, so man ihrer denn habhaft werden kann: TERROR TRACT, selbstredend ein Horrorthriller. Hier wird Tylers eklektischer Zugriff auf verschiedenste Kompositionstechniken besonders deutlich, und alle seither erschienenen Werke lassen erkennen, daß man seinen Stil nur anhand der Mischung verschiedenster Quellen bestimmen kann. Die meisten finden sich in der amerikanischen Filmmusiktradition der letzten 15 Jahre, wobei Elliot Goldenthals Instrumentierungskünste noch vor den Bezügen zu Elfman oder Goldsmith zu nennen sind. Hörte man nur einen Tyler-Score, so wäre die Fremdbestimmtheit der Musik gegenüber einem wie auch immer gearteten Personalton sicher dominant. Doch wie bei allen guten Eklektikern schält sich auch bei Tyler in der Gesamtschau auf seine Filmkompositionen ein typischer Sound heraus.

Nur läßt sich dieser kaum an Einzelelementen festmachen, sieht man von einem wiederkehrenden Thementypus mit langsamem Tempo und unheilschwangeren Melodiebögen ab. TERROR TRACT besticht zuerst durch seinen vorwärtsdrängenden Main Title, der als Epilog wiederkehrt. Er weicht einem fatalistisch wirkenden Streichereinfall, der in kleinen Wellen dahingleitet. Die Orchesterbesetzung ist immens und füllt den gesamten Klangraum aus. Wie alle anderen CDs von Tyler klingt auch diese exzellent. In der ersten Hälfte setzen die Streicher immer wieder zu pathetischen Aufwallungen an, bis in Track 7 ein neues, gefühlvolles, aber knapp bemessenes und bald in dunklere Gefilde überführtes Geigenthema eingeführt wird, das nur einmal wiederkehrt. Melodische Stücke wechseln mit rhythmusbetonten Abschnitten, ehe in der zweiten Hälfte, wie es sich für einen Horrorscore gehört, die Gruselelemente Oberhand nehmen und bis kurz vor Ende für teilweise drastische Akzente sorgen. Bleibt die Hoffnung, daß dieses interessante und ambitionierte Album eines Tages als offizielle CD erscheinen wird.

Nach TERROR TRACT kam Tyler mit dem Schauspieler und Regisseur Bill Paxton zusammen. Paxton hatte für den Temp Track seines Mysterythrillers FRAILTY bereits mit Musik anderer Tyler-Scores gearbeitet, ehe er den Komponisten kennenlernte. Tyler war überrascht, als er von Paxtons außergewöhnlicher Kenntnis auf verschiedensten Gebieten der Musikgeschichte erfuhr. Um so enger war dann die Zusammenarbeit während des FRAILTY-Projekts. Über diesen faszinierenden, wenngleich rasch aus den Kinos entwichenen Film darf man kaum etwas sagen, ohne sein Geheimnis zu verraten, das aus einer grundlegenden Wendung der Wirklichkeitsausdeutung besteht. Man muß schon zu Beispielen wie THE SIXTH SENSE greifen, um die dramatische, beim Zuschauer für einen Schockmoment sorgende Schlußpointe angemessen einordnen zu können, mit der das gesamte Wertesystem des Films gewollt zusammenbricht.

Bis dahin sind freilich schon Identitäten gewechselt worden, hat eine Rahmenhandlung einen bösartigen Verlauf genommen. FRAILTY ist mehr ein Geheimnis-Film als ein Horrormovie, und Tylers Score wird dem Anspruch voll gerecht. Vielleicht kommt er auf CD nicht so zur Geltung wie im Film, wo man sich frühzeitig vornimmt, die Import-CD aus den USA herbeizuschaffen, aber seine besten Momente nehmen auch auf dem Silberling für sich ein. Tyler hat ein gedehntes, mysteriöses Streicherthema aufgeboten, in dem sich die traurige Familiengeschichte mit ihrem Vexierspiel des Wer-ist-Wer bereits abzeichnet. FRAILTY ist auch deshalb ein verstörender Film, weil man nicht genau weiß, wohin die Axtmorde führen sollen. Handlung und Gegenhandlung spiegeln sich auch in der musikalischen Gestaltung angemessen wider. Wie in TERROR TRACT sind es die Streicher, deren unheilvolle Klangfelder die Wirkung prägen; unterbrochen von heftigen Orchesterattacken. Die bisherigen Veröffentlichungen von Tylers Filmmusik konzentrieren sich im Wesentlichen auf ein Genre, auch wenn sich dahinter unterschiedliche Erzähltypen verbergen.

Das ändert sich mit der nächsten CD um kein Jota: DARKNESS FALLS ist die musikalische Kulisse zu einem der momentan zahlreichen B-Horrorfilme, die für kurze Zeit die Kinosäle mit blutrünstigen Schauermärchen bevölkern. Hier ist Tyler ganz in seinem Element. Wieder hat er ein mit aggressiven Rhythmen aufgepeitschtes Warm-up in petto, vermutlich eine Prä-Credit-Sequenz, der sich im zweiten Track das eigentliche Hauptthema anschließt – in seinem gedehnten, abwärts gerichteten Melodiebogen und der schwer lastenden Instrumentierung fast schon ein Markenzeichen des Komponisten. Im Unterschied zu TERROR TRACT und FRAILTY nehmen die Orchestersforzato-Schläge spürbar zu, zweifellos dem effekthascherischen Film geschuldet. Folglich wirkt die Musik hier etwas künstlich hochgeputscht, gerät allerdings nie in der Gefahr, den Zuhörer zu langweilen. Ganz sicher kein Album für den Kopfhörer. Für den Genrefan ist DARKNESS FALLS jedenfalls eines der befriedigensten Soundtrackerlebnisse in den ersten fünf Zwölfteln des Jahres 2003.

THE HUNTED, die Geschichte einer Verfolgungsjagd quer durch unwegsames Gelände, bei der ein Schüler seinem Lehrer zu entkommen versucht, ist zwar frei von übernatürlichen Visionen, präsentiert dafür den ganz normalen, d.h. menschlichen Horror. Tylers Rezept in diesem Fall: dem Spannungsfilm geben, was des Spannungsfilms ist. Rhythmische Patterns ohne thematisches Gepräge bevölkern also eine halbe Stunde, die sich auch bei wiederholtem Hören nicht zu empfehlen versteht. Was im Film die nötigen Adrenalinausstöße hervorruft, wirkt auf Tonträgern recht verloren. Eindeutig die schwächste aller Tyler-CDs; woran ein weiterer Johnny-Cash-Ausflug ins Ländliche nichts zu ändern vermag.

Hochgelobt vom Internet-Nachwuchs, bietet die CD zu CHILDREN OF DUNE nicht den großen Wurf, den man sich vielleicht erhofft hätte. Natürlich, für eine TV-Produktion ist diese Komposition sehr beachtlich, solide komponiert, reich an thematisch-motivischen Gestalten, aber leider auch synthetischen Ersatzbefriedigungen, wo rein orchestrale Texturen angesagt wären. Da die Höhepunkte der Partitur auf schlichten Gedanken beruhen, die in der Film- und Fernsehgeschichte massenweise erprobt worden sind, bleiben mitreißende Momente hier Mangelware. Vielmehr wird ein weiteres Mal ersichtlich, daß Tyler als Synthetiker die erborgten Materialien im Sinne des aktuellen Projekts zusammenstellt. Hängen die Trauben der Erwartung besonders hoch – und das ist bei diesem Sujet gewiß der Fall –, so vermag die Musik nur durch eingelagerte Überraschungsmomente oder besonders raffinierte Klangverbindungen zu fesseln. Letzteres gelang Tyler in seinen besten Horrorscores. In CHILDREN OF DUNE dagegen wird die Erinnerung an prägnantere Vorbilder zum Verhängnis, weshalb die CD mit über 77 Minuten viele leere Momente besitzt und keine überdurchschnittliche Bewertung erforderlich macht.

Brian Tyler ist ein willkommener Nichtganz-Newcomer auf der Soundtrack-Tanzfläche. Da seine namhaften Kollegen sich derzeit rar machen (Williams, Shore, Goldenthal) oder mit nichtssagenden Scores hausieren (DREAMCATCHER!), hat er die Gelegenheit genutzt, um gierig aufs Parkett zu springen. Manche seiner Partituren sind attraktiv und hörenswert. Auf den singulären Neuankömmling im Hollywood des 21. Jahrhunderts warten wir jedoch weiterhin – gemeinsam mit jenen Produzenten, die genau das boykottieren, worauf wir Sammler alle hoffen: aktuelle Filmmusik, die nicht nur kompetent gemacht ist (diese Forderung erfüllt Tyler sehr wohl), sondern auch das gewisse Etwas besitzt und neue Perspektiven schafft. Und trotzdem: Hut ab vor dem Experiment, mit drei neuen CDs eines jungen Komponisten die Lichtkegel zu bündeln und etwas auszuprobieren. Den Versuch war es jedenfalls wert.

Matthias  |  2003

TERROR TRACT
FRAILTY
DARKNESS FALLS
THE HUNTED
CHILDREN OF DUNE
TERROR TRACT

Brian Tyler

Promo-CD

42:17 | 25 Tracks

FRAILTY

Brian Tyler

OCF 004

52:06 | 17 Tracks

DARKNESS FALLS

Brian Tyler

Varèse Sarabande

48:32 | 26 Tracks

THE HUNTED

Brian Tyler

Varèse Sarabande

35:13 | 17 Tracks

CHILDREN OF DUNE

Brian Tyler

Varèse Sarabande

77:23 | 36 Tracks