Review aus The Film Music Journal No. 15, 1998
Die Disc zu Oliver Stones neuestem Film – eine Art Roadmovie – ist zur Hälfte mit Songs gefüllt (Johnny Cash, Gloria Lynne, Ricky Nelson etc.) sowie mit dreizehn Tracks aus der Feder von Morricone. Glücklicherweise ist das Song- und Musikmaterial nicht vermischt vorzufinden!
Ins Schwärmen bin ich beim ersten Anhören nicht gekommen, doch gibt es zwei, drei Nummern, die ich nach mehrmaligem Lauschen ganz nett finde. Das Hauptthema besteht eigentlich aus vier sich immer wiederholenden, gleichen Noten, zu Beginn zu finden in Grace, wobei der Schlusstrack «Grace (Reprise)» um einiges besser ausfällt. In «U-Turn», «Go On…Kill Grace» oder «A Banjo In The Dessert» mischt der Italiener eine schmutzig amerikanische Mundharmonika in die Musik, was die Stimmung dieses Filmes wohl ganz gut treffen dürfte. Ansonsten gibt es doch wieder Stellen, die wohl im Film ihren Sinn und Zweck erfüllen, zum Anhören und Geniessen jedoch nicht sonderlich geeignet sind: In «Hallucination Walk» gleichen die Streicher einem Schwarm wildgewordener Wespen, dazu die erotisch stöhnende Stimme von Edda dell› Orso. Wirr schwirren die Streichinstrumente in den Tiefen in «Against» und in «End of Sheriff» findet man weitere depressive, öde Stimmungsklänge. Schlicht und sehr gefühlsvoll gelungen ist «Old Family Souvenirs», mit einfacher Gitarrenbegleitung und Edda Dell› Orsos Gesang.
Vielleicht hat der Herausgeber der „Ennio Morricone Society», Martin von Wouw recht, wenn er dazu schreibt: ,,…Dies will ich hören und nicht den Morricone, der auf der Suche nach immer neuen Klangfarben ist oder solche erfinden will…». Vielleicht will der beinahe siebzigjährige Morricone den grossen Bogen der Filmmusik schliessen und wieder zu seiner Anfangsliebe, der experimentellen Musik zurückkehren. Dieses Gefühl bekomme ich einfach nicht Ios, der Gedanke darf aber auf keinen Fall als abwertend verstanden werden.
Andreas Schweizer | 1998
U-TURN
Enno Morricone
Sony
70:35 | 23 Tracks