Review aus The Film Music Journal No. 8, 1996
Recht hat er, der Roland Emmerich. Nach der überwältigend guten Zusammenarbeit mit David Arnold bei STARGATE (1994) konnte der deutsche Regisseur fast nicht anders, als auch die Musik für seinen neusten Film, INDEPENDENCE DAY (1996), dem Newcomer aus England anzuvertrauen. Und enttäuscht werden wir alle nicht.
Grösser, lauter, knalliger, monumentaler. ID4, wie er alsbald kurz und knackig in aller Mund war, sieht das Leben des Air Force Piloten Steven Hiller eines morgens auf den Kopf gestellt. Die Erde ist einem gnadenlosen Angriff Ausserirdischer ausgesetzt, die sich zuvor mit ihren Riesenraumschiffen strategisch über der Weltkugel verteilt haben. Der US-Präsident entkommt der Attacke und organisiert den Widerstand mit den übrig gebliebenen Piloten, einem Fernsehmacher und weiteren, teils kurligen Überlebenden. Emmerich, bestätigt nach dem Sleeperhit mit STARGATE, dass er Filme mit vielen Spezialeffekten aber einem einfachen Storybogen beherrscht und holte mit Will Smith den kommenden Superstar des Kinos an Bord. Weiters dabei sind Bill Pullman, Jeff Goldblum, Mary McDonell, Judd Hirsch, Randy Quaid, Robert Loggia und andere. Das Kinoinnere bebte nicht nur der gewaltigen Toneffekte wegen, auch das Publikum stürmte die Säle und katapultierte den Film auf Platz 2 der einspielträchtigsten Filme aller Zeiten.
Arnold bleibt seinem Weg treu: ID4 ist im Gefolge von STARGATE und LAST OF THE DOGMEN ein weiteres grossorchestrales und thematisches Werk. Aus Ermangelung jeglicher Tracktitel im Booklet oder auf dem Backcover (jedoch auf der CD selber sind sie zu lesen… ähm…), nenne ich jeweils die Tracknummern des CD-Players.
Der Beginn von ID4 ist düster, zeitweilen beklemmend und grosse Gefahr verheissend. Drei Hauptthemen und eine Vielzahl von Motiven sind in diesem Score auffällig. So zum Beispiel das dramatische, nervenaufreibende Theme, wenn die Riesenraumschiffe sich aus den Wolken befreien und über den Hauptstädten platzieren: Blechbläser, Perkussion und ein verloren klingendes Motiv der Solo-Trompete, das verschiedene Stücke eröffnet und auf hoffnungsvoll getrimmt in Track 7 zu hören ist. Für die wackeren Piloten der Streitkräfte hält Arnold ein heroisches Thema bereit. Voll entwickelt und gekonnt variiert in den Tracks 12, 13 und 14 enthalten. Gerade in den schnellen und bisweilen ganz schön lauten, actionbetonten Passagen strotzt ID4 vor Abwechslung. Stampfende Ostinati und Attacken von Blech und Schlagwerk, wirbelnde Streicher und Holzbläser. Undurchdachtes oder uninspiriertes Gebolze oder als Lärm zu empfindende Orchestercluster sind mit dem Score wirklich nicht in Verbindung zu bringen. Überall sind Feinheiten und musikalische Überraschungen integriert und so funktioniert die Musik auch bei mehrmaligem Anhören wunderbar. Arnold hat eine epische, abwechslungsreiche Filmmusik komponiert, die von einem fast zehnminütigen Finale abgerundet und von Arnold mit einem grossartigen Feuerwerk abgeschlossen wird – Fans von toll orchestrierten, massiven und gut gemachten Actionscores wie WATERWORLD (1995) oder JUDGE DREDD (1995) werden an INDEPENDENCE DAY ihre wahre Freude haben, ebenso wie die Freunde thematischer und mitreissender Filmmusik. Der Hype nach STARGATE um den Komponisten war also nicht übertrieben.
Nur schade, dass einige der prächtigsten Stücke aus dem Film, der nahe an die anderthalb Stunden Musik enthält, nicht auf diesem Album zu finden sind. Trotzdem deckt die 50 Minuten CD einen hörvergnüglich imposanten Teil ab. Auf mehr von David Arnold darf man zweifelsohne gespannt sein.
2010 erschien bei La-La Land Records eine 128 Minuten (inkl. 34 Minuten Alternates) CD von Arnolds Prachtsscore! Hier geht’s zur Rezension von Andi.
Phil | 2016
INDEPENDENCE DAY
David Arnold
Fox/BMG
50:41 | 14 Tracks