Review aus The Film Music Journal No. 15, 1998
Einen aussergewöhnlichen Ausflug unternahm Martin Scorsese 1997 mit seinem Film KUNDUN, einem biografischen Werk über das junge Leben, sowie die Flucht aus Nepal des 14. Dalai-Lamas – dazu deckt er die Jahre 1937 bis 1959 ab. Gedreht wurde mit einem unbekannten Cast hauptsächlich in Marokko, das Drehbuch stammt von Melissa Mathison, die einst für Steven Spielberg E.T. – THE EXTRA-TERRESTRIAL (1982) schrieb. Hinter der Kamera sass Roger Deakins und für die Musik war Philip Glass besorgt. Beide steuerten zwei der insgesamt vier Oscar-Nominationen bei, die es für KUNDUN gab. Auf mehr Interesse als in den USA stiess der Film in Europa.
Martin Scorsese hatte bekanntlich immer seine eigenen Vorstellungen was Musik in seinen Filmen anbelangte, dennoch schafften es so illustre Filmmusiknamen wie Howard Shore und Elmer Bernstein mehrere Filme des umtriebigen Regisseurs mit ihrer Musik unterlegen zu können. Philip Glass’ Zusammenarbeit mit Scorsese beschränkt sich hingegen auf KUNDUN.
Seine Musik hierzu darf als durchaus «typisch» für den Komponisten bezeichnet werden: Repetitionen, heruntergebrochen in kurze motivische Schiftungen, oft nur zwei oder drei Noten lang, aber auch auf- und absteigende Tonsegmente. Eines der auffälligsten Merkmale dieser Art in KUNDUN ist das unter anderem in «Caravan Moves Out» zu vernehmende Zwei-Ton-Motiv für Harfe und Klavier über tiefen, beinahe pulsierenden Rhythmen der Bässe. Dieser Track ist mitunter Hinweis gebend für das Konzept des Scores und auch dessen düstere, recht pessimistisch gehaltene Stimmung.
Mit der Mischung aus tibetanischem Mönchsgesang, fernöstlichem Schlagwerk, den an Didjeridoos erinnernden, tiefen Blasinstrumenten und feinfühligen, selten aufbegehrenden Orchesterteilen, umschwärmt Glass Scoreseses oft üppige, die Dramaturgie der Geschichte dokumentierenden Bilder. Was im Film überzeugend wirkt, funktioniert für sich allein gestellt auf CD nur zum Teil. Für mehr ist die Musik vielleicht zu wenig abwechslungsreich und mit 60 Minuten Länge wiederum durchaus ertragreich aufgeführt. Ein wenig erschlagen ist man danach schon und so stellt man die CD zurück ins Regal mit den Gedanken, im Film habe sie einem irgendwie besser gefallen, diese Musik.
Phil, 1998
KUNDUN
Philip Glass
Nonesuch
60 Min.
18 Tracks