Raya and the Last Dragon

Die zwei jüngsten Arbeiten von James Newton Howard, NEWS OF THE WORLD (2020) und RAYA AND THE LAST DRAGON (2021), könnten unterschiedlicher kaum sein. Auf beide Arbeiten freute ich mich riesig, doch keine der beiden konnte meine zugegeben hohen Erwartungen wirklich erfüllen. In NEWS OF THE WORLD hat mich der grossmehrheitlich grimmige, bare, zurückhaltende Charakter zu Beginn etwas enttäuscht – ich hoffte auf einen thematischen, stellenweise epischen, farbenfroheren Western-Score. Nach später Sichtung des Films war mir indes klar, dass ein solcher Ansatz nicht passend gewesen wäre und der filmische Kontext hat meine Faszination für diese Arbeit auch durchaus ansteigen lassen. Für RAYA wirft James Newton Howard indes jegliche Zurückhaltung über Bord und entspricht dem knallbunten, energiegeladenen Animationsstreifen aus dem Hause Disney mit einer ebenso üppigen Filmmusik. Für mich wiederum zu unruhig mit all den markanten Synthi-Elementen und den fernöstlichen Musikeinwürfen. Die Musik zu RAYA AND THE LAST DRAGON beinhaltet indes schöne, mitreissende Highlights, die ich mir für meine Playlist jedoch zusammenprogrammieren muss. Das ganze RAYA-Album höre ich mir kaum mehr an. Da ist mir zwischenzeitlich der 70-minütige NEWS OF THE WORLD viel lieber, da meiner Meinung nach harmonischer abgestimmt.

Meine Erwartungen an RAYA waren nicht zuletzt deshalb so hoch, weil mir Newton Howards erste Disney-Musik, DINOSAUR (2000), bis heute durchwegs sehr gut gefällt und für mich auch seine Folgearbeiten für das Mausstudio, ATLANTIS: THE LOST EMPIRE (2001) und TREASURE PLANET (2002), schöne Highlights beinhalteten. Für Disney-Abenteuerfilme muss er sich also in der Regel nicht auf Zurückhaltung konzentrieren und so hoffte ich auf einen grossorchestralen, mit Chor punktuell episch überhöhten Score, der von fernöstlichem Musikkolorit gesprenkelt ist. Genau das hat Newton Howard eigentlich auch geliefert, doch springt er mir zu sehr zwischen teils allzu komischen, mickeymousigen Momenten, esoterischen Stücken, Electro-Rhythmen und AVATAR-ähnlichen Ideen hin und her. Indes: Das Hauptthema, das man in «Young Raya and Namaari» und insbesondere im fantastischen Stück «Running on Raindrops» zu hören bekommt, ist klasse und hat ausgeprägten Ohrwurmcharakter.

So abgegriffen diese Meinung auch ist, so will ich sie hier nicht aussparen: Ein erster Fehler dieses Albums kommt in Form des schrecklichen Songs «Lead the Way» daher. Die Tatsache, dass dieser Song das Album sogleich auch eröffnet, versetzt einem fast schon in einen Schock. Anyway, nach knapp vier Minuten ist er vorbei bzw. man kann ihn für wiederholte Hördurchgänge wegprogrammieren. Dann folgt das knapp 6-minütige Stück «Prologue», in das ich mich regelrecht reinflüchtete. Doch werde ich mit diesem Stück bis heute nicht warm, denn auch hier werden viele Synthi- und Pop-Elemente in teils abrupten Wechseln rumgereicht. Eine narrative Einheit lässt sich kaum erkennen. In «Young Raya and Namaari» folgt nach 10-minütigem Kummer endlich das schöne Hauptthema und mit «Betrayed» präsentiert James Newton Howard erstmals dramatische, deftige Orchestermusik. So gefällt mir das. Doch bis zu den nächsten Highlights braucht es einen längeren Atem beziehungsweise etwas Geduld. Stellen aus «Journey to Talon» trumpfen mit kraftvollen, von Aufbruch beseelten Kurzstatements auf, doch danach wird es erst ab dem 16. Stück, «Spine Showdown», wieder wirklich spannend. Verallgemeinert könne man sagen, dass hier das Action-Finale startet, das mit Ausnahme des üblen «Plans of Attack» grossmehrheitlich orchestral ausfällt und mit kraftvollen Themenstatements und Choreinsätzen gefällt. Die Synthi-Rhythmen sind zwar nach wie vor ausgeprägt vorhanden, was in diesem Falle generell etwas atypisch für Newton Howard scheint (wahrscheinlich ein Wunsch seitens der Disney-Bosse), doch damit hat man sich inzwischen im Falle von RAYA abfinden müssen.

Fazit: James Newton Howards Filmmusik für RAYA AND THE LAST DRAGON erinnert mich an einen Cupcake – sorry für den lapidaren Vergleich. Er wirkt unwiderstehlich, doch beim Reinbeissen vermiest das übersüsse Frosting-Topping ein an sich feines Kuchengebäck darunter. Für den weiteren Genuss muss ich zwingend auf das Frosting verzichten. In diesem Falle setzt sich dieses aus Durchhängern wie «Into the Shipwreck» und überdrehten Elektro-Lokalkolorit-Kombos wie «Fleeing from Tail» und «Captain Boun» zusammen. Damit setzt sich meine RAYA-Kurzfassung aus «Young Raya and Namaari», «Betrayed», «Spine Showdown», «Running on Raindrops», «Brothers and Sisters», «Return» und «The New World» zusammen. DINOSAUR bleibt bis auf weiteres mein Newton-Howard/Disney-Animation-Favorite.

Basil, 17.6.2021

 

RAYA AND THE LAST DRAGON

James Newton Howard

Walt Disney Records

69:52 Min.
24 Tracks