30 Jahre Film Music Journal – Part 3

von Andi Süess

Die etwas älteren Semester werden sich erinnern: es gab eine Zeit, da fühlte man sich als Filmmusik-Sammler allein auf weiter Flur. Gewiss, ein paar massentaugliche Geschichten wie C’ERA UNA VOLTA IL WEST oder DOCTOR ZHIVAGO fanden den Weg in die Plattenschränke von Verwandten und Bekannten, aber das war’s dann auch schon.

Man frönte seinem Hobby also im stillen Kämmerlein, stets gewahr, dass es da noch andere Gleichgesinnte geben musste, denn nur für einen selbst hätten sich all die Soundtrack-Veröffentlichungen ja niemals gelohnt. Von denen es übrigens weitaus mehr gab als gedacht, wie ich im Laufe der Zeit herausfand, als ich ein bestimmtes Spezialgeschäft an den Hängen des Zürichsees entdeckte, ein wahres Mekka für Schweizer Filmmusiksammler.

Oder doch nicht? Bei meinen sporadischen Besuchen war ich meist der einzige Kunde im Laden. Wo waren denn all die Leute, für die das gut bestückte Sortiment gedacht war? Lag es vielleicht an den recht gesalzenen Preisen? Ich verliess das Geschäft jedenfalls immer mit einem deutlich leichteren Portemonnaie. Aber einmal auch mit einem Filmmusikheft, das mir, neben der Kasse aufgelegt, ins Auge gestochen war. Es handelte sich natürlich um das FMJ, und es war eine Offenbarung für den bis anhin sich unverstanden fühlende Filmmusik-Liebhaber. Es gab sie also doch, die Leute, die gleich tickten wie ich.

Das Heft (die Ausgabe 4, die mit einem Nachruf meines Lieblingsfilmkomponisten Miklós Rózsa begann) wurde zwar regelrecht verschlungen, aber die nächsten Ausgaben entgingen mir, und erst ab Nr. 7 verpasste ich kein Journal mehr, da ich es abonnierte. Es wurde jeweils voller Vorfreude erwartet, denn ich wusste die vielen wertvollen Informationen (die CD-Reviews waren stets das Highlight), und die spürbare Leidenschaft der Autoren sehr zu schätzen. In deren Kreis ich zu meiner Freude eines Tages selbst aufgenommen wurde.

Doch trotz dieser glücklichen Umstände blieben die «Verbündeten» jahrelang Namen ohne Gesichter. Das änderte sich mit unserem ersten, leicht verunglückten Treffen im Jahre 2000 irgendwo im Raum Zürich, wenn ich mich recht erinnere. Das war der Startschuss zu unseren jährlichen Treffen, wobei wir abwechselnd von einem unserer Autorenkollegen eingeladen wurden. Da erlebte man Frustrierendes, wenn die Begeisterung für eine Neuanschaffung partout nicht auf die anderen überspringen wollte und stattdessen despektierliche Bemerkungen fielen, und Amüsantes, wenn das Broughton-Bier (aus Schottland stammend und nichts mit dem Komponisten zu tun) statt im Glas an der Wohnzimmerwand landete oder bei zu erratender Musik aus der Sammlung des Gastgebers der North-Liebhaber die SPARTACUS-Overture nicht erkannte. Einfach schöne Momente, die für immer im Gedächtnis bleiben werden.

Nun gibt es das FMJ also tatsächlich schon 30 Jahre lang, und das wohl nur, weil Phil den Sprung ins Internet gewagt hat. 30 Jahre, das ist ungefähr so lange, wie es auf Filmmusik spezialisierte Labels gibt oder anders gesagt, wir haben die Blütezeit der Filmmusik-Veröffentlichungen von Anfang an miterlebt und begleiten dürfen; ein Privileg aber auch das Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.

Die aktuelle Filmmusik hat sich während der vergangenen 30 Jahre dramatisch verändert und wir wenigen Autoren, die wir noch sind, sind dem gegenüber vielleicht zu wenig aufgeschlossen, da zu altmodisch. Es bräuchte frisches Blut, das aber schwer zu finden ist. Das mag sich eines Tages ändern, aber bis dahin werden wir unseren bewährten Weg weitergehen, wenn auch wahrscheinlich keine weiteren 30 Jahre mehr.

05.08.2024

Teil 1
Teil 2
Teil 3