oder: Die Sache mit den grauen Haaren!
von Phil Blumenthal
30 Jahre ist es her – und spätestens jetzt merke ich, ja, ich werde alt – nachdem Jürg Zbinden und ich während eines Konzertbesuchs in Oulu, Finnland (der grosse Jerry Goldsmith stand gleich 2x auf dem Programm) und eines bevorstehenden Californiatrips, das Gefühl hatten, es sei Zeit für etwas «Kleines» in Sachen Filmmusik, ein Club, so eine Art Newsletter. Damals hätten wir nie gedacht, in was für ein Abenteuer wir uns da schliesslich stürzen würden, noch, dass 30 Jahre später die Thematik immer noch, naja, frisch kann man nicht sagen, aber doch immer noch bestehen würde.
In Oulu lauschten wir also zwei unterhaltsamen Konzerten von Jerry Goldsmith, an denen er sein Standardrepertoire zum Besten gab – und das in der nördlichst gelegenen Stadt Europas (ja, es war saukalt!). An diesem Anlass lernten wir Jonathan Axworthy von der Jerry Goldsmith Society kennen und verblieben so, dass wir einen Schweizer Ableger kreieren würden, deshalb war die Swiss Film Music Society, wie wir uns nannten, zu Beginn mit der Jerry Goldsmith Society verbandelt.
Kalifornien wiederum zog uns an, weil wir eine Reihe von Interviews mit Komponisten arrangiert hatten. Broughton, Folk, Eidelman waren darunter, auch ein berühmter Boss einer Agency für Kompnisten, der uns zwei Mal versetzte (Auto kaufen war wichtiger als einen Interviewtermin mit zwei Europäern halten).
Es war also höchste Zeit tätig zu werden. Aus dem geplanten, ursprünglich Swiss Film Music Society Newsletter betitelten Blättchen wurde alsbald The Film Music Journal und aus ein paar Seiten ein doch ansehnlich festes Magazin. Handgemacht natürlich. Kleine Nebengeschichte zum Titel unseres Hefts: Einige Ausgaben später meldete sich ein Scholar aus den USA und verlangte von uns diesen Titel nicht zu verwenden, er wolle sein Studentenjournal so nenne. Nun, der gute Mann hatte bis dahin kein einziges Blatt veröffentlicht, also beliessen wir es wie es heute noch heisst, eben The Film Music Journal.
Seite für Seite wurde mit unerbittlichen Programmen, die oft nicht das ausführten, was wir wollten, gelayoutet, Rahmen für Fotos und Covers freigelassen, die dann mit dem Prittstift eingeklebt wurden – und danach ging es ab in den Copy Shop. Was war es für ein Quantensprung, als wir Bilder schliesslich einscannten. Layoutmässig wurde es aber nicht einfacher, damals war Word ein Krampf und Kampf.
Das Geniale in dieser Zeit waren sicherlich die Kontakte zu Komponisten, der teils enger (Arnold, Isham, Doyle…), teils lose und hie und da auch gar nicht richtig bestanden. Schlimm, wenn man seinen Lieblingskomponisten interviewen möchte und dabei nur «yes!» und «no!» Antworten erhält! Das war eine deftige Lehre, nie wieder würde ich einen von mir favorisierten und über die Massen verehrten Filmmusiker zu einem Gespräch animieren. Und eben, es gab die Ausnahmen und so stand Bruce Broughton nicht nur zu einem langen Interview im Wohnzimmer seines Hausen – in Sichtweiste von Emmys etc. – bereit, nein, er händigte uns auch einen fetten Strassenatlas von Los Angeles aus, da er unsere Tourikarte für kaum hilfreich fand («Where did you buy this?»). Mark Isham war stets willig auch unbequemere Fragen zu beantworten und stand mehrfach bereit für ein Gespräch. Und bei John Barry ging es mit Cola Rum je länger desto detailreicher zu und her, ganz zum Entsetzen seiner Ehefrau. Aber so sind sie eben alle verschieden, die Komponisten, genau wie wir.
Die Zeit kam als ich endlich nur noch Daten an Patrick Ruf liefern konnte und das Heft digital gedruckt wurde, die Autorenschar nahm ebenfalls zu. Graue und weniger Haare waren aber auch mit dem Digitaldruck verbunden, denn nicht immer klappte es mit den abgespeicherten Formaten und dem, was das Gut-zum-Druck zeigte. So einige Male gab es bei jedem Heft etwas nachzukorrigieren.
Zum Übergang zur Cinema Musica hat sich Klaus in seiner Rückschau bereits geäussert, es war eine schmerzhafte Erfahrung, insbesondere die Forderung bestimmte CDs doch nicht so tief zu bewerten, führte mitunter zum Bruch. Das ist aber vorbei und die Cinema Musica, obwohl sie nur noch 1x jährlich erscheint, hat jetzt ein anderes und motiviertes Team.
Graue Haare gab es wieder als die erste Homepage kreiert wurde, absolut ahnungslos was da auf uns zukommen würde. Diese, die gute alte «blaue Phase», hielt einige Jahre an, dann wurde die Seite attackiert und der Provider verlangte, dass wir ein Update durchführen sollten – bloss gab es keins für dieses Tool. Also: Zurück zum Anfang… händisch wurden die bestehenden Rezis, Interviews, Artikel etc. – wenige waren es nicht – in die neue Plattform übertragen, die bis heute funktioniert, das berühmte «Houz alänge» gehört dazu. Ich würde mir wünschen zwei, drei weitere Autoren zu haben, die uns unterstützen könnten, aber mehr als nur «wow», «mies» und Smileys zu setzen, gestaltet sich heute anscheinend nicht mehr so einfach wie vor 15 Jahren.
Wir werden sehen, wo die Reise noch hinführt.
15.06.2024