Tribute to a Bad Man / The Green Berets

Review aus The Film Music Journal No. 30, 2003

Das Film Score Monthly-Team wertet die Rózsa-Goldgrube, die es durch den Lizenzvertrag mit dem Turner-Konzern erbeutet hat, nun in vollen Zügen aus und wirft fast jeden Monat eine neue Scheibe mit einem Score des legendären Komponisten als Golden Age-Scheibe auf den Markt. Was die beiden neuen CDs miteinander verbindet ist die Tatsache, daß Rózsa hier in beiden Fällen Musik für Genres (Western, Kriegsfilm) schrieb, mit denen man seinen Namen im allgemeinen nicht verknüpft und die ansonsten in seiner Filmographie keinen großen Stellenwert einnehmen. TRIBUTE TO A BAD MAN von Robert Wise sollte 1956 Rózsas zweiter und letzter Western-Score bleiben – bereits 1943 hatte er den heute mehr oder weniger vergessenen THE WOMEN OF THE TOWN vertont – und ist gegenüber der an dieser Stelle ebenfalls besprochenen THE GREEN BERETS-Komposition die qualitativ um Klassen bessere Musik.

Der sonst eher auf Gangsterrollen abonnierte James Cagney spielt in diesem immer wieder gerne gesehenen Western einen autoritären Rancher, der in den Bergen von Colorado das Gesetz in die eigenen Hände nimmt und seine Geliebte Jocasta fast an einen jungen Cowboy verliert, den er zuvor wie einen Sohn behandelte. Cagney stiehlt allen anderen Schauspielern in diesem Film die Show und zelebriert die brillante Charakterstudie eines selbstherrlichen Mannes, der erst nach vielen tragischen Ereignissen gegen Ende zur Versöhnung bereit ist. Rózsas Score war bisher als vom Komponisten selbst mit dem Royal Philharmonic Orchestra nachgespielte 5-MinutenSuite auf dem zweiten der Polydor-Alben vertreten gewesen und zudem mit 10 Minuten der Originalaufnahme auf dem RÓZSA AT MGM-Doppel-CD-Sampler von Rhino. Nun kommt also erstmalig die komplette Partitur ans Tageslicht und hält gleich noch einige musikalische Überraschungen parat, die bislang nicht in den Suiten enthalten waren, wie vor allem das wunderschöne lyrisch-romantische Liebesthema für die von Irene Papas gespielte Griechin Jocasta, das auf einem griechischen Volkslied mit dem Titel “Pandrevoun” basiert und von Rózsa gleich in mehreren Tracks wie Home, Letter oder Moonlight stimmungsvoll und mit aparter Instrumentierung entfaltet wird. Mit seiner modalen Melodieführung und den so archetypischen Rózsa-Wendungen und Verzierungen besitzt es bereits eine verblüffend große Ähnlichkeit mit dem weitaus bekannteren The Mother’s Love-Thema aus dem drei Jahre später entstandenen BEN HUR.

Natürlich besticht im Prelude sogleich das weit sich ausschwingende und prachtvolle Hauptthema, das immer wieder von mächtigen Akkordblöcken des Blechs und des Schlagwerks begleitet wird, durch seine pulsierende Grandeur und versinnbildlicht vor dem geistigen Auge geradezu das Bild der endlos weiten Prärie. Sicherlich einer von Rózsas schönsten melodischen Einfällen, dem wir durch die ganze Partitur hindurch in den verschiedensten thematischen Varianten wiederbegegnen werden. Spannungsreich, wuchtig und von dissonanzreichen Akkorden der tiefen Bläser geprägt kommen dagegen die dramatischen Mittelteile der Komposition daher, die allesamt von einem düsteren “Hanging Theme” geprägt werden. Auch hierbei zeigt sich Rózsa voll auf der Höhe seiner Erfindungskraft und begeistert durch rhythmische Intensität. Insgesamt liegt somit ein kraftvolles und farbiges Werk vor, das kaum Schwachpunkte kennt und außerdem losgelöst von den Bildern eine erstaunliche Eigenständigkeit besitzt. Wer Rózsa mag, kann an dieser herrlichen Scheibe einfach nicht vorbeigehen, zumal sich auch die Masterbänder noch in verhältnismäßig guter Verfassung befinden.

Anders hingegen sieht die Lage bei der zweiten Rózsa-CD von FSM aus, da sich seine Vertonung von John Waynes üblem und rechtslastigem Pro-Vietnam-Propaganda-Kriegsfilm von 1968 in der rückwärtsgewandten Perspektive doch sehr fragwürdig ausnimmt. Sicher, Rózsa hatte seit 1963 keinen Filmauftrag mehr bekommen und war nach dem Zusammenbruch des alten Studiosystems sowie dem vermehrten Eindringen von Pop-Songs in die Filmmusik kaum mehr im Geschäft und daher wohl dankbar für jedes Filmangebot. In seiner Autobiographie A DOUBLE LIFE gesteht er sogar ein, daß er nach dem Anruf seines Agenten zunächst der Meinung war, es handle sich um einen gewöhnlichen John Wayne-Western und erst später mitbekam, auf was er sich da eingelassen hatte. Dennoch gibt es einem nach wie vor Rätsel auf, was Rózsa außer Geldmangel zur Mitarbeit an diesem hanebüchenen Machwerk getrieben hatte. Hört man jedenfalls die Musik dazu auf dieser CD, so scheint ihm das Komponieren derselbigen wirklich keine allzu große Freude bereitet zu haben. Immerhin hat er annähernd zwei Monate – von Anfang Februar bis Ende März 1968 – an diesem Score gearbeitet, wobei das ziemlich lustlose Endprodukt in der Relation dazu absolut enttäuschend ausgefallen ist.

Tontechnisch steht zwar bei dieser FSM-CD mit sehr gutem Stereo-Sound alles zum Besten, da aber das thematische Rückgrat der Musik mehr als schwach geraten ist und Rózsa den im Main Title und im Finale auftauchenden und nicht von ihm selbst stammenden gesungenen Marsch Ballad of the Green Berets (der bereits 1965 von Barry Sadler komponiert worden war!) auch überhaupt nicht in seine Komposition integriert, sind die 70 Minuten (inklusive etwa 10 Minuten Source-Music) wirklich nur für Hardcore-Rózsa-Freaks durchzustehen. Über weite Strecken hört sich der Soundtrack denn auch so an, als ob man einen zweitklassigen Komponisten damit beauftragt hätte, den Rózsa-Stil im Eins zu Eins-Format zu imitieren. Natürlich gibt es die bekannten Rózsa-Wendungen und seine gewohnten Floskeln zu hören, doch erscheinen sie hier allesamt wie aus dem Zusammenhang gerissen – manche Passagen etwa aus KING OF KINGS (1961) tauchen schlecht recycelt wieder auf – und völlig schablonenhaft. Dazuhin klingt das Orchester im Vergleich zu Rózsas Soundtracks der 50er und frühen 60er Jahre oft recht dünn und hausbacken, und sowohl die humoristisch gemeinten Abschnitte (z.B. in Bedfellows) wie die atmosphärischen Spannungsmomente wirken auf Dauer eher mühselig und fade. Im Prinzip gibt es nur ein paar wenige wirklich energiegeladene Stücke, wo der alte Elan wenigstens für einige Augenblicke nochmals aufscheinen kann. Für mich sind das vor allem ein paar halbwegs fesselnde Tracks in der zweiten Hälfte wie etwa die Stücke 22 (Temporary Victory), 23 (Provo’s Death) oder 25 (Paratroopers/Frustration). Insgesamt wäre der Musik wohl besser gedient gewesen, wenn man sie auf einem Sampler als 10-Minuten-Suite untergebracht hätte – alles andere ist beileibe zuviel des Guten.

Daher kann man zum Kauf dieser CD im Grunde nur den Rózsa-Komplettisten raten. Alle anderen Filmmusik-Enthusiasten würden sich bei dieser Scheibe eher grün und blau ärgern. Interessant ist übrigens, daß das Booklet überhaupt keine Fotos aus dem Film selbst enthält (es handelte sich um keine MGM-Produktion, sondern um einen Warner-Seven ArtsFilm) – sozusagen nur das Bild eines vietnamesischen Tempels auf der vorletzten Seite -, weil es offenbar lizenzrechtliche Probleme mit der Produktionsfirma gab.

Stefan  |  2003

TRIBUTE TO A BAD MAN
THE GREENBERETS
TRIBUTE TO A BAD MAN

Miklós Rózsa

FSM Vol.5 No. 19

50:30 | 23 Tracks

 

 

 

THE GREEN BERETS

Miklós Rózsa

FSM Vol.5 No. 14

72:37 | 31 Tracks