Top of the Lake: China Girl (bluray)

Als 2013 die Serie TOP OF THE LAKE ausgestrahlt wurde avancierte sie schnell zum Kritikerliebling und staubte dementsprechend bei der ein oder anderen Preisverleihung so manchen Preis ab. Entwickelt und inszeniert von der bekannten Regisseurin Jane Campion (DAS PIANO) wurden oft Vergleiche zur amerikanischen Kultserie TWIN PEAKS gezogen. Ähnlich wie in der amerikanischen Serie sezierte auch Campion mit scharfen Augen die scheinbare kleinbürgerliche Idylle und offenbarte menschliche Abgründe. Eigentlich sollte die neuseeländische Miniserie für sich alleine stehen, doch wie das so bei Erfolgen ist, weckt das natürlich Begehrlichkeiten. Nachdem schließlich Hollywood-Star Nicole Kidman zusagte, in einer Fortsetzung mitzuspielen, entschied sich Campion, die Geschichte weiterzuspinnen.

Im Zentrum des Geschehens steht wieder die von Elisabeth Moss gespielte Polizei Detektivin Robin Griffin. Nach den traumatischen Erlebnissen in der ersten Staffel, und einem seltsam missglückten Hochzeitsversuch, hat sie jedoch ihrer Heimat Neuseeland den Rücken gekehrt und versucht in Sydney ein neues Leben zu beginnen. Zunächst werden wir als Zuschauer jedoch Zeuge davon, wie ein Pärchen einen Koffer mit einer Toten darin über die Klippen ins Meer stößt. Wer und warum, das ist das Geheimnis, das es im weiteren Verlauf zu klären gilt. Der Verdacht wird schnell auf den Deutschen Alexander (David Dencik) gelenkt, der sich offenbar als Zuhälter verdingt und mit guru-haften Attitüden seine Frauen in seinen Bann zieht. Alexander erfüllt hierbei so jedes Klischee eines schmierigen Ekelpakets, ein Umstand, der sich gegen Ende als Taschenspielertrick von Jane Campion und ihrem Co-Autor Gerard Lee erweist.

Schon bald gerät jener Alexander natürlich in den Fokus der Ermittlungen, die mit allerlei konstruierten Situationen aufwartet, in denen Kommissar Zufall eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Hanebüchen wird es nämlich, als Campion enthüllt, dass Alexanders Freundin keine geringere ist, als Robins vor vielen Jahren zur Adoption freigegebene Tochter Mary ist. Robin entschied sich wiederum bewusst für den Umzug nach Sidney, um den Kontakt zur Tochter zu suchen. Hierbei offenbart sich ein dunkles Geheimnis, das schwer auf Robins Seele liegt. Nach einer Gruppenvergewaltigung wurde Robin schwanger. Nach der Geburt gab sie das Baby zur Adoption frei. Der erste Weg zur Kontaktaufnahme führt die traumatisierte Frau zu den Adoptiveltern, ein Bildungsbürgerpärchen mit ordentlich Beziehungsstress. Julia (kaum wiederzuerkennen, Nicole Kidman), Marys Adoptivmutter, ist eine selbstbewusste Feministin und hat gerade ihren Mann verlassen, um mit einer Frau zusammenzuleben. Über den zwielichtigen Freund ihrer Tochter ist sie natürlich empört. Doch Mary, schwer pubertierend, stellt auf stur und rebelliert und hält an ihrem 25 Jahre älteren Freund fest. Als Robin schließlich die Kontaktaufnahme gestattet wird, gibt sich die leibliche Tochter zunächst distanziert. Erst nach und nach lockert sich das Verhältnis und Mary beginnt, Vertrauen aufzubauen. Nicht minder eigenwillig entwickelt sich auch die Beziehung zu Robins neuer Kollegin Miranda („Game of Thrones“-Star Gwendoline Christie). Selbstverständlich zeigt sich auch in dieser seltsamen Beziehung Campions Hang, ihre Geschichte sehr konstruiert anzulegen. Die tapsig, aufdringliche Miranda wohnt natürlich zufällig Tür an Tür mit Robin und zeigt sich zunächst recht aufdringlich in ihrem Bemühen, nicht nur als Kollegin, sondern auch als Freundin akzeptiert zu werden. Da ein zentrales Thema dieser zweiten Staffel die Rolle von Müttern ist, verwundert es natürlich nicht, als sich herausstellt, dass Miranda, die raucht wie ein Schlot und auch dem Alkohol nicht abgeneigt ist, Schwanger ist. Aber es zeigt sich bald, dass in einer Welt, in der Männer ausnahmslos von ihren Trieben gesteuert sind und dementsprechend immer wieder Frauen belästigen, es nicht verkehrt ist, eine weibliche Verbündete zu haben. Ganz nebenbei ist die Figur der Miranda auch für den Humor-Faktor zuständig, was in Anbetracht der überdramatisierten Erzählung der Geschichte für angenehme Entspannung sorgt. An dieser Stelle ist dem Zuschauer schon längst klar, dass die Tode im Koffer, das titelgebende „China Girl“, nur ein Aufhänger ist, um ihre Heldin abermals auf seelische Höllenfahrt durch eine schwarz-weiß gezeichnete Welt zu schicken, in der das Wort Klischee noch nett formuliert ist.

Es mag ein von Campion bewusst gewähltes Stilmittel sein, mit diesem undifferenzierten Männerbild, das sie zeichnet, provozieren zu wollen, allerdings führt das auch dazu, dass die ernste Absicht dahinter zur Karikatur verkommt. Dabei hätte in Anbetracht der seit einigen Monaten entflammten „#meetoo“-Debatte das Thema durchaus eine ernsthafte und sensiblere Auseinandersetzung verdient. Wie das besser geht, zeigte Campion in der ersten Staffel. Während dort die männlichen Charaktere entweder kraft ihrer körperlichen Überlegenheit bedrohlich wirkten oder subtil als Wolf im Schafspelz daher kamen, wirkt das hier entworfene Männerbild überzogen und lächerlich, was dazu führt, dass ein relevantes Thema zur Nummernshow verkommt. Dass Campion am Ende doch noch dazu in der Lage ist, einen überraschend anderen Blick auf das männliche Ego zu werfen, überrascht insofern umso mehr. Erschwert wird der Zugang zu dieser zweiten Staffel durch einen unnötig schleppenden Erzählrhythmus, der jeden Ansatz von Spannung im Keim erstickt. Fast wirkt es so, als wolle Campion mit aller Gewalt vermeiden, dass man von ihr eine dritte Staffel verlangt. Das man dennoch den sechs Folgen gerne folgt, liegt an der angenehm spielenden weiblichen Darstellerriege, die sich wohltuend von den undankbaren Männerparts abhebt. Darstellerischer Mittelpunkt ist selbstverständlich Elisabeth Moss, die derzeit sowas wie ein Garantiesiegel für Qualitätsserien ist, und ihre Rolle angenehm zurückhaltend anlegt. Zuletzt gewann Moss zurecht einen Golden Globe und einen Emmy für die Hauptrolle in der hochgelobten Miniserie „The Handmaid‘s Tale“. Auch optisch ist die zweite Staffel ein absoluter Genuss. Kameramann Germain McKicking kleidet das tragische Geschehen in stimmungsvolle Bilder, die zuweilen eine poetische Faszination ausüben. Ein wahrhaft optischer Genuss ist die Unterwasserreise des eingangs erwähnten Koffers, die an ein morbides Ballett mit Eigenleben erinnert.

Zur Musik: Ergänzend zu den stimmungsvollen Bildern, liefert Komponist Mark Bradshaw („Bright Star“) eine zurückhaltende musikalische Begleitung. Der Australier, der bereits für die erste Staffel komponierte, schrieb einen unaufdringlichen Score, der irgendwo zwischen den zarten Pianotupfern der Marke Thomas Newman („Revolutionary Road“) und Ambient-Jazz angesiedelt ist. Melodien werden lediglich angedeutet, was allerdings dazu führt, dass der Musik auch ein eigenes Profil fehlt. Abseits der Bilder funktioniert der Score lediglich als unaufdringliche Begleitung zu einem gemütlichen Leseabend. Ein Soundtrack dazu ist lediglich als Download erhältlich.

Dennis, 1.4.2018

TOP OF THE LAKE: CHINA GIRL

R: Jane Campion

D: Elisabeth Moss, Gwendoline Christie, Nicole Kidman, Ewan Leslie, Alice Englert

M: Mark Bradshaw

Verleih: Impuls/Polyband

Veröffentlichungsdatum: 20.12.2017

 

 

 

 

 

Kommentar hinterlassen

Schreib einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .