Bernard Herrmann Prometheus XPCD 166 CD 1: 70:58 26 Tracks CD 2: 36:07 12 Tracks
Es wird heutzutage auf dem Soundtrack-Markt schon mit recht harten Bandagen gekämpft, um die Aufmerksamkeit der weltweiten Filmmusikfans auf sich zu ziehen. Während Labels wie Intrada, Varèse Club oder Kritzerland am laufenden Band mit auf 1000 oder 1500 Stück limitierten CD-Auflagen locken, bewegt sich Prometheus schon seit geraumer Zeit in einer Art dubioser Grauzone, bei der man sich als Konsument durchaus die Frage stellen muß, ob hier denn wirklich auch alles mit rechten Dingen bei der Lizenzierung der einzelnen Score-Veröffentlichungen zuging.
Bereits anläßlich der letzten Staffel zu Weihnachten 2008 hatte sich das belgische Label nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt, denn während Rózsas The Golden Voyage of Sinbad und Barrys Robin and Marian wohl von den isolierten Laserdisc-Tonspuren gezogen waren, wurden für den kompletten Cassandra Crossing von Goldsmith nur Mono-Backup-Quellen benützt, obwohl bei der Produktionsfirma in England angeblich Stereo-Bänder des vollständigen Scores vorliegen sollen.
Über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hatte Prometheus-Mitproduzent Ford Thaxton im Film Score Monthly-Forum einen fast einmalig zu nennenden Super-Hype veranstaltet, bei dem er von einem der tollsten Score-Releases aller Zeiten sprach, das demnächst erscheinen sollte. Es wurde wochenlang mit ein paar wenigen Rätsel-Clues angekündigt, verzögert, dann geschwiegen, wieder angekündigt und erneut verzögert, bis der Thread schließlich auf ein paar Dutzend Seiten und mehr als 60000 Zugriffe angewachsen war. Auch so fängt man Mäuse.
Im Juni wurde das Geheimnis nach zunächst weiteren marktschreiereischen Worten seitens Screen Archives schlußendlich gelüftet und die Katze aus dem Sack gelassen: Heraus schlüpfte mit der Doppel-CD von Herrmanns 7th Voyage of Sinbad nun eine weitere Kuriosität, die viele Filmmusik-Experten die Stirn runzeln ließ.
Herrmanns Tonschöpfung zu der auch heute noch überaus charmant-bezaubernden 1001 Nacht-Verfilmung von 1958 ist natürlich als grandios zu bezeichnen und beeindruckt durch ihren farbigen Klangzauber, ihre sinnliche Romantik und ihre unglaubliche dramatische Wucht. Erst des Komponisten sensorische Kompositionstechnik, bei der hier bevorzugt die tiefen Register der Bläser und reichhaltiges Schlagwerk aller Art zum Einsatz kommen, erweckt die von Trickspezialist Ray Harryhausen im berühmten Stop-Motion-Verfahren erschaffenen diversen Fabelwesen wie den einäugigen Zyklopen, den Vogel Roch, den Drachen und den fechtenden Knochenmann zum Leben und läßt sie vor den Augen oder besser gesagt Ohren des Hörers fast physisch greifbar erstehen.
Herrmann war ein regelrechter Meister der ausgetüftelten und auch ausgefallenen Instrumentation wie kaum ein zweiter Komponist zu Hollywoods goldenen Zeiten, was besonders der mitreißende Sinbad-Score in famoser Weise unter Beweis zu stellen vermag
Zwar wurde die komplette Partitur bereits 1998 von John Debney mit dem Royal Scottish National Orchestra auf Varèse neu eingespielt – wobei man merkwürdigerweise aber auf den bereits auf der alten Original-LP enthaltenen arabisch kolorierten Track Street Musicverzichtete – und dabei recht ordentlich interpretiert – jedoch blieb die komplette Originalaufnahme, die durchaus noch etwas mehr Schmiss und Elan sowie einen satteren Streicherklang aufweist – bislang auf offiziellem Tonträger unveröffentlicht.
Die im Jahr 2000 erschienene Bootleg-CD des Soundtrack Library-Labels war überwiegend von der Laserdisc abgenommen worden und enthielt neben den Mono-Stücken von dort die rund 35 Stereo-Minuten des alten Plattenschnitts, der 1986 auch auf einer inzwischen sehr rar gewordenen Varèse-CD erschienen war, so dass sich Mono und Stereo sowie Stücke in schlechter und guter Tonqualität in lockerer Folge abwechselten. Insofern wäre ein legales Release des vollständigen Originals in guter klanglicher Verfassung eine durchaus interessante Sache gewesen.
Wie der Zufall es nun aber mal will – obwohl es hier wohl eher unangebracht sein dürfte, noch von Zufall zu sprechen – ist Disc 1 der jetzigen Prometheus-Doppel-CD inhaltlich mit der Bootleg-Scheibe absolut identisch, selbst hinsichtlich der Sequenzierung der einzelnen Tracks. Nur die Anzahl der Stücke wurde verlängert, da Soundtrack Library einige Tracks zu jeweils längeren Suiten zusammengefügt und diese nun hier dagegen etwas aufgedröselt wurden. Ein genauer Hörvergleich von CD 1 mit der Bootleg-CD zeigt zudem, dass man in beiden Fällen auf genau dasselbe Ausgangsmaterial zurückgegriffen hat: Denn die kleineren Tonstörungen wie Rauschen, Kratzen und die recht beachtlichen Lautstärkeschwankungen erscheinen sowohl bei Prometheus wie bei SL an punktgenau denselben Stellen.
Stark betroffen von diesen Laut-Leise-Schwankungen und dem etwas mulmigen Mono-Klangbild ist bereits der erste Track nach der Overturemit dem Titel The Fog. Zwar hat man den Eindruck, dass bei Prometheus versucht wurde, das Material noch ein wenig klanglich zu bearbeiten und einige Knackser mehr zu überdecken, aber eine andere Quelle als die Iso-Spur der Laserdisc bzw. möglicherweise sogar die SL-Edition selbst scheint nicht verwendet worden zu sein. Und das trotz allen Beteuerungen von Thaxton, man habe von Sony die Originalbänder erhalten und trotz den Gerüchten, dass dort sogar die originalen Stereo-Tapes des kompletten Scores vorhanden sein sollen.
Es sieht fast so aus, als ob Prometheus sich hier kostensparend für ein Billigpaket entschieden hat, das für viele vor allem ältere Sammler einer ärgerlichen Mogelpackung gleichkommt. Immerhin ist mit Disc 2 der Prometheus-Ausgabe nun wieder die alte Varèse-CD des originalen Albumschnitts für jüngere Filmmusikfans greifbar. Aber auch damit hat es seine besondere Bewandtnis, denn so mancher dürfte sich wundern, wieso bei Prometheus› Doppel-CD die sogenannnte Overture nun insgesamt dreimal über den ganzen Parcours verteilt auftaucht.
Die Sache ist recht simpel: Prometheus hat auf Disc 2 schlichtweg die 1986er Varèse-CD kopiert und nicht die frühere LP bzw. das Album-Master davon. Das läßt sich sehr leicht daran erkennen, dass die lange Overture mit 1:50 Minuten, die bereits als Track 1 auf CD 1 beim Complete Score auftaucht, ganz an den Schluß von CD 2 als Bonus Track angehängt wurde anstatt direkt an deren Anfang, wo sie eigentlich hingehören sollte. Die lange Overture war nämlich allein auf den früheren LPs mit oben, da Varèse 1986 bei ihrer CD den Fehler gemacht hatte, eine um etwa 50 Sekunden im Mittelteil gekürzte Variante (das Liebesthema fehlt hier sozusagen) zu veröffentlichen.
Wie das damals überhaupt passieren konnte, stellt auch heute noch ein ungelöstes Rätsel dar, denn bei Varèse selbst blieb dieser Fauxpas damals zunächst unbemerkt. Und das, obwohl sie die komplette Overture auf ihrer hauseigenen LP des Scores in Stereo bereits 1980 herausgebracht hatten. Da auf der alten Varèse-CD Overture/Bagdadzu einem einzigen Track mit einer Länge von 3:50 Minuten zusamengeschweißt wurden, war für Prometheus das reine Abkopieren dieser CD für ihre Disc 2 ganz offensichtlich die schnellste und einfachste Lösung.
Das Booklet ist dieses Mal bei Prometheus immerhin ganz ordentlich ausgefallen mit durchaus akzeptablen Liner Notes von FSMs Jeff Bond und enthält dazuhin recht nette, teilweise auch farbige Fotos aus dem Film. Eigeanrtig ist, dass man sich auf dem Back Cover bei verschiedenen Verantwortlichen von Columbia Pictures für die Lizenzierung bedankt. Jedoch wird im Booklet selbst wie üblich bei Prometheus der Mantel des Schweigesn darüber gehüllt, woher nun eigentlich das ganze Material genau stammt, das für die CD verwendet worden ist.
Insofern bleibt auf Seiten des CD-Käufers letztlich nur ein verwundertes Kopfschütteln über die derzeitigen Machenschaften dieses Labels. Wer seine Soundtrack Library-CD, bei der es sich ja ohnehin um keine gepreßte CD, sondern nurmehr um eine reine CD-R handelte, unbedingt ersetzen möchte, kann das nun mit dieser «offiziösen» Pressung tun. Allen Anderen, die klanglich und editorisch mehr erwartet haben, kann ein Kauf dieser Scheibe nur sehr bedingt angeraten werden.
Stefan Schlegel, 19.8.2009
Bewertung für die CD:
Bewertung Musik: