Jedes Jahr ein Film, Alter schützt vor Fleiss nicht. Steven Spielberg macht eben mal kurz nach THE BFG und vor dem Blockbuster READY PLAYER ONE einen „kleinen“ Film über den Chefredaktor und die Herausgeberin der Washington Post, jene Zeitung die später mitverantwortlich zeichnen sollte, dass Nixon, nicht sonderlich geliebter Präsident der USA und eine ganze Reihe seiner Mittäter zurücktraten. In THE POST allerdings geht es nicht um die Watergate-Affäre sondern um hochbrisante, geheime Papiere und Studien über Indochina/Vietnam, in denen festgehalten wurde, ein Krieg in diesem Land sei für die USA nie zu gewinnen. Chefredaktor Ben Bradlee setzt auf den freien Journalismus und kämpft gegen den immensen Druck der Geldgeber und deren Vertreter, denen Gewinn und gute Beziehungen zum Politestablishment wichtiger sind als den Lesern harte Fakten zu präsentieren. Die Herausgeberin, gespielt von Meryl Streep, steht, nach dem Selbstmord ihres Mannes quasi zur Zeitungsherausgeberin geworden, dazwischen und muss sich für eine Seite entscheiden.
THE POST ist mit MUNICH und LINCOLN der beeindruckendste Steven Spielberg Film der 2000er Jahre, ein Pamphlet für freien Journalismus und das Recht auf Meinungsäusserung, just zu einem Zeitpunkt als mit Donald Trump in den Staaten ein Mann an der Spitze steht, der wie einst Nixon bestimmte Zeitungen, Journalisten und TV-Sender von Pressekonferenzen ausschliessen will. Eine Parallele, die die Faust aufs Auge passt. Der 71jährige Regisseur weiss wie man Filme macht, das muss er längst nicht mehr unter Beweis stellen, alleine die Stoffauswahl war im neuen Jahrtausend nicht immer so glücklich. In THE POST kehrt er zu seinen Wurzeln zurück und zeigt gewagte Aufnahmewinkel – wie einst zu Beginn seiner Karriere in jener viel gelobten COLUMBO Folge – und harte Schnitte. Man beobachte die Sequenz mit der Telefonkonferenz, die in der Villa der Verlegerin beginnt. Faszinierend gemacht.
Tom Hanks als Ben Bradlee und Meryl Streep als Kay Graham sind umwerfend. Hanks ist in Hochform, während Streep sich zuerst daran gewöhnen musste ohne ausführliches Proben auszukommen. Spielberg wirft seine Schauspieler gerne ins Haifischbecken und lässt spielen. Hanks wusste das natürlich längst, hat er mit dem Regisseur doch bereits vier Filme gedreht, von den Produktionen THE MONEY PIT oder JOE VERSUS THE VOLCANO abgesehen, und so liess er seine Kollegin auflaufen mit der Angst im Nacken sie würde aus dem Projekt aussteigen, würde sie von Spielbergs Praktiken Wind kriegen.
Geraucht und getrunken wird wie es sich für einen Film, der in den 70ern spielt, nicht zu knapp – ob es für die TV-Auswertung eine nichtraucherafine Spezialversion geben wird? Bestens ins Bild, wortwörtlich, passt Kaminskis feine Kameraarbeit und natürlich John Williams› Musik. Davon gibt es im Film recht wenig, sie ist sparsam und höchst interessant „gespottet“ eingesetzt. Von der Soundtrack Veröffentlichung, die nicht chronologisch ist und für Williams typisch dem Hörerlebnis geschuldet gestaltet wurde, unterscheidet sie sich deutlich. Dreht der Komponist dann zum Ende des Films richtig auf, hinterlässt das einen starken, aufwühlenden und mehr als gelungenen Eindruck. Eine CD-Rezi gibt es hier.
Inmitten der vielen lauten, grossen und von CGI und Actionspektakel geprägten Filme unserer Zeit fühlt sich eine Hollywoodproduktion wie THE POST besonders an: Ruhig, besonnen, sich auf tolle Darsteller (es seien hier unbedingt noch Bob Odenkirk – der Anwalt aus BREAKING BAD – und Bruce Greenwood als ehemaliger Verteidigungsminister Bruce McNamara genannt) und eine starke Story stützend. Toll gemacht übrigens die Passagen mit Nixon, der nur als Silhouette durch das Fenster des weissen Hauses zu sehen ist: hier wurden Originaltonbandaufnahmen von Nixon verwendet, was das Ganze noch erschreckender und beeindruckender macht.
Ein grossartiger Spielberg- und ein starker Journalistenfilm, der sich nahtlos zu Werken wie ALL THE PRESIDENT’S MEN, SPOTLIGHT oder THE PAPER gesellen darf.
Phil, 27.6.2018
THE POST (Die Verlegerin) R: Steven Spielberg D: Tom Hanks, Meryl Streep, Bob Odenkirk u.a. Musik: John Williams Veröffentlichung: 28.6.2018 (Universal)