The Bravados

Review aus The Film Music Journal No. 28, 2002

Lange schon währte das Rätselraten unter Soundtrack-Experten darum, wer eigentlich für die faszinierende Filmmusik zum klassischen Henry King-Western THE BRAVADOS (1958) mit Gregory Peck, Stephen Boyd und Joan Collins in den Hauptrollen verantwortlich sei: War es nun Alfred Newman, Hugo Friedhofer, Lionel Newman oder gar alle drei zusammen? FSM hat allen Spekulationen jetzt mit der Veröffentlichung des kompletten Scores auf CD ein Ende gesetzt und zur allgemeinen Überraschung die beiden Autoren der Partitur beim Namen genannt.

Tatsächlich stammt die Musik aus der Feder von Alfred Newman (verantwortlich für die Hauptthemen) und Hugo Friedhofer (der mindestens die Hälfte des Scores betreute und Newmans Themen in seine eigene Musik einarbeitete), während Lionel Newman im Titelvorspann des Films einen Credit als ‹Musical Director› erhielt – offensichtlich als kleine Dankesbezeugung vom großen Bruder Alfred -, obwohl er bei den Musikaufnahmen in München mit dem dortigen Graunke-Orchester nicht mal als Dirigent tätig war, sondern diese nur überwachte. Alles in allem folglich eine äußerst komplexe Angelegenheit, die noch dadurch verschärft wurde, daß man die Recording Sessions wegen eines Musikerstreiks in Hollywood nach Deutschland verlegen mußte und mit dem alten Orchestrierer Bernhard Kaun (der in den 30er Jahren viele von Max Steiners Kompositionen orchestriert hatte) endlich einen Dirigenten fand, der sich mit dem Münchner Orchester wenigstens einigermaßen in deutscher Sprache verständigen konnte.

Wenn man alle diese diffizilen Faktoren zusammennimmt, wundert es einen schon, wie packend, eindrücklich und ohne große erkennbaren Brüche der Score zu THE BRAVADOS ausgefallen ist. Ein weiterer Beweis, wie gut eingespielt die Teams innerhalb des Hollywood-Systems waren und wie punktgenau und treffsicher die Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Produktionsbereiche funktionierte.

THE BRAVADOS ist im Grunde eine bittere und psychologisch differenzierte Tragödie um einen starrsinnigen und unnachgiebigen Anti-Helden, verkörpert vom ausdrucksstarken Gregory Peck, der am Ende mit der Sinnlosigkeit seines ganzen Tuns konfrontiert wird. Mithin handelt es sich dabei um einen der besten und härtesten Rache-Western der 50er Jahre, makellos und atmosphärisch dicht in Szene gesetzt vom alten Regie-Haudegen Henry King. Ein Film Noir, angesiedelt im hellen Tageslicht einer zerfurchten Western-Landschaft: Peck als Farmer Jim Douglas verfolgt vier aus dem Gefängnis entflohene Banditen, die vermeintlichen Mörder seiner Frau, bringt sie der Reihe nach zur Strecke und muß schließlich erkennen, daß keiner von ihnen die Tat begangen hat.

Mit dem kraftvoll-düsteren, zugleich unbarmherzigen wie mitreißenden Main Title-Marsch «The Hunted» charakterisiert Newman auf geniale Weise die Rachegelüste Pecks und seiner Gefolgsleute sowie dessen grimmige Besessenheit. Im Übrigen handelt es sich dabei um den einzigen Score-Ausschnitt, der bereits auf dem von Charles Gerhardt Mitte der 70er Jahre eingespielten Newman-Sampler CLASSIC FILM SCORES OF ALFRED NEWMAN vertreten war. Alle anderen Teile der Filmmusik ab Track 2 waren bislang unveröffentlicht, und sie lassen recht deutlich die Handschrift ihres jeweiligen Komponisten erkennen.

Während sich Newman wie erwartet der pathetischen und gefühlvollen Ausformungen des Marsches annahm, einen wunderbaren Streicherchoral («A Mother’s Prayer») sowie mit «Josefa» ein spanisch angehauchtes, reizvolles Liebesthema beisteuerte, das in zwei Varianten (als Source Cue für Gitarre und Harfe und in sinfonischer Version) auf der CD präsent ist, lag es an Friedhofer, mit dunkel timbrierten Klangfarben die Spannungsmomente und explosionsartig ausbrechenden Gewalthandlungen in eine feste musikalische Form zu fassen. Ähnlich wie in seinem drei Jahre später entstandenen Soundtrack zum Marlon Brando-Western ONE-EYED JACKS (1961) macht Friedhofer dabei heftigen Gebrauch von tiefgesetzten ruppigen und schroffen Holz- und Blechbläsern, zumeist noch untermauert von einem Paukenostinato (wie etwa in «The Scaffold» oder «Parral’s Ambush»), die in ihrer fahlen Einfärbung sehr eindrucksvoll die beklemmende Atmosphäre dieses ungewöhnlichen Westerns wiedergeben.

So wechseln sich in dieser kuriosen Gemeinschaftsarbeit melodische und dissonante Passagen ab, und faszinierend ist es dabei, mitzuverfolgen, wie zwei Komponisten mit sehr unterschiedlichem Personalstil, die auf das gleiche musikalische Hauptthema zurückgreifen, sich zum Teil annähern, dann aber wieder in gegensätzliche Richtungen streben und dennoch eine rundum wirkungsvolle, homogene Gesamtkomposition abgeliefert haben.

Der rein sinfonische Score hat auf der CD eine Laufzeit von etwa 37 Minuten, die andere Hälfte der Scheibe wurde von FSM gefüllt mit im Film erklingender Source Music (Gitarrenmusik sowie a cappella-Chöre, die nicht von Newman/Friedhofer komponiert wurden), einem beschädigten Cue und Wiederholungen von insgesamt 9 der 16 Stereo-Tracks in einer Mono-Abmischung. Das Mono-Material ist im Grunde reines Füllsel, obwohl tatsächlich das eine oder andere Stück in dieser Form etwas besser erklingt als in Stereo.

Leider ist die Tonqualität der Stereo-Masterbänder nicht mehr ganz so brillant wie zum Beispiel bei FSMs A MAN CALLED PETER (1955), so daß ab und an leichte Gleichlaufschwankungen und dumpfe Abschnitte das Hörvergnügen ein wenig beeinträchtigen. Zudem merkt man, daß das Graunke Orchester längst nicht so gut disponiert ist wie das für sonstige Newman/Friedhofer-Musiken dieser Zeit zuständige hausinterne Fox-Orchester und manchmal etwas unpräzise spielt.

Allesamt sind das jedoch keine Gründe, an dieser nun endlich vorliegenden herrlichen Soundtrack-Ausgrabung vorbeizumarschieren. Lobenswert übrigens auch der sehr informative Booklet-Kommentar von William H. Rosar, der dem Leser bzw. Hörer alle bisher nicht an die Öffentlichkeit gedrungenen Details dieser ungewöhnlichen Teamarbeit vor Augen führt.

Stefan  |  2002

THE BRAVADOS
Alfred Newman/Hugo Friedhofer
Film Score Monthly
69:34 | 31 Tracks