Sunset Boulevard / Demetrius and the Gladiators

Review aus The Film Music Journal No. 13/14, 1998

Franz Waxman ist derzeit vor allem durch die vier Varèse-CDs LEGENDS OF HOLLYWOOD Vol. I-IV auf dem Markt vertreten; mit etwas Glück bekommt auch noch die offiziell vergriffene Charles-Gerhardt-Anthologie SUNSET BOULEVARD, auf der auch eine Suite aus der gleichnamigen Filmmusik vertreten ist, neben anderem (wie PRINCE VALIANT, dessen Gesamtveröffentlichung bei Varèse nun leider doch noch nicht erscheint). Einige wenige Einzelkompositionen kommen hinzu, aber insgesamt ist das Gesamtwerk eines der größten Könner des alten Hollywood allzu bescheiden repräsentiert.

Das ändert sich – wie bei Alfred Newman – offensichtlich nur, wenn Bootleg-Labels an die Bänder gelangen und ihre oft überteuerten Produkte an den Sammler bringen. Vorliegende CD gehört in diese Kategorie. Die beiden Filme stehen für zwei typische Stadien des Hollywoodfilms um die Mitte des Jahrhunderts: DEMETRIUS AND THE GLADIATORS wurde als Sequel zum 3D-Bibelschinken THE ROBE konzipiert und liegt noch unter dessen Niveau. SUNSET BOULEVARD hingegen rangiert an der Spitze der Qualitätsskala und taucht häufig auf Bestenlisten auf. Er hätte mehr Anrecht auf Kultstatus als zum Beispiel CASABLANCA, aber die zu makabere, von einem Toten erzählte Geschichte um eine Obsession läßt kein frohes Schunkeln im kommunalen Kino zu.

Da mag Erich von Stroheim eine Bach-Toccata an der Orgel wummern, Gloria Swanson die abgehalfterte Stummfilmikone (= sich selbst) maßlos übertreiben, William Holden dafür keine Miene verziehen; das tödliche Drama spielt sich auch, wenn nicht vor allem, in Waxmans betrübter Musik ab. Der Vorspann, hier gleich in zwei Fassungen vertreten, etabliert die Stilhöhe und den getriebenen Puls. Viele der weiteren Stücke halten sich an die durchhängenden Melodiegirlanden des Saxophons, wobei traditioneller Orchesterstil und Jazzidiomatik auf sehr individuelle Weise ineinander greifen. Eindrucksvoll schließlich auch das Finale, in der die Schauspielerin nach dem Mord abgeführt wird und noch einmal die Showtreppe ihres Hauses herabsteigt: da fängt Waxman die Schizophrenie mit aufgerautem, hysterischem Pathos ein und sorgt für einen unvergeßlichen Abgang.

Wem die Musik zu DEMETRIUS AND THE GLADIATORS halbwegs bekannt vorkommt, der höre nochmals in THE ROBE hinein. Richtig, das ist doch Alfred Newmans Musik – und ist es auch nicht. Wie fast jeder Musiker in Hollywood verehrte auch Waxman den Kollegen, riß sich geradezu um den Auftrag, und als er ihn erhielt, da adaptierte und instrumentierte er Newmans Motive, komponierte dann jedoch im eigenen Stil weiter. Waxmans Beitrag fiel erwartungsgemäß unsentimentaler aus, so daß in der Synthese Newmans Melodik mit Waxmans Satztechnik eine faszinierende Mischung einging.

Eine Pflicht-CD für jeden Golden Age-Sammler.

2002 erschien der DEMETRIUS AND THE GLADIATORS in voller Länge bei Film Score Monthly, 2014 bei Kritzerland, während SUNSET BOULEVARD 2002 als Neueinspielung bei Varèse aufgelegt wurde und das Original bei Counterpoint 2010 veröffentlicht wurde.

Matthias  |  1998

SUNSET BOULEVARD / DEMETRIUS AND THE GLADIATORS
Franz Waxman
Soundstage
56:33 | 29 Tracks