Review aus The Film Music Journal No. 5/6, 1996
Nach der grandiosen Wiederbelebung von Alex Norths 2001-A SPACE ODYSSEY (1968) durfte man auf die angekündigte Weiterführung der North Revival Serie gespannt sein. Mit A STREETCAR NAMED DESIRE macht Varèse einen weiteren Schritt in Sachen Filmmusikgeschichte, bedient sich diese Musik zu Elia Kazans Bühnenverfilmung aus dem Jahr 1951 mit Marlon Brando, Vivien Leigh, Kim Hunter und Karl Malden doch erstmalig dem Jazz als dramaturgisch wichtigen Bestandteil. Noch vor Elmer Bernsteins grossartigem MAN WITH THE GOLDEN ARM (1955), der für viele nach wie vor als Höhepunkt des Golden Ages in Sachen Jazz und Filmscore gilt.
Nicht zuletzt mit seiner Rolle in A STREETCAR NAMED DESIRE begann für Marlon Brando eine bewegte Filmkarriere. Er, der zwei Jahrzehnte später den Oscar für THE GODFATHER (1972) verweigerte, holte sich eine Nomination als «bester Schauspieler», während seine Kollegen Leigh, Malden und Hunter allesamt gewannen. Insgesamt elf Nominationen und vier Goldmännchen staubte der Film ab. Auch bei den Zuschauern kam STREETCAR gut an, erspielte der Film doch das vierfach seines Budgets.
Die Einspielung des National Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Jerry Goldsmith ist brillant, die Aufnahme von Mike Ross-Trevor kristallklar und der Score ein wahres Juwel. Klavier, Bass, Drums, Trompete und Saxophon sowie Klarinette bilden den instrumentalen Schwerpunkt des «jazzigen» Teils von A STREETCAR NAMED DESIRE, hie und da in kleinem Ensemble für sich («Stand and Ella», «Blanche») aber auch mit Unterstützung des Orchesters («Birthday Party»). Eine der schönsten Melodien von Alex North ist in «Blanche and Mitch» u hören. Zerbrechlich, feingliedrig und doch (wie in «Belle Reve») befremdlich klingend. Die Streicher bestimmen diese besonderen Momente, die Celesta stimmt per Kontrapunkt ein («Stan and Stella»). Fast spielerisch und doch von einer klaustrophobischen Art wirken die Pizzicati der Violinen und Bratschen im Zusammenspiel mit den gestopften Trompeten in «Mania».
A STREETCAR NAMED DESIRE ist ein schwermütiger Score, eben wie der Film, vernebelt von Disharmonien und getragen von erdrückenden Vibrati der Streicher. Die Atmosphäre ist wahrlich schwierig in Worte zu fassen, Stücke wie «Revelation», «Solliquy» und «Seducation» sagen mehr als ein Dutzend Adjektive. Wer mit Jazz an sich weniger anzufangen weiss, sollte sich aber nicht abschrecken lassen, denn A STREETCAR NAMED DESIRE ist feinste Filmmusik und die wirklich «offensichtlichen» jazzigen Elemente fügen sich, North sei Dank, wundersam in die sinfonischen Kompositionen ein. Grandissimo.
Phil 1996
A STREETCAR NAMED DESIREE
Alex North
Varèse Sarabande
47 Min.
15 Tracks