The Sea Wolf

Review aus The Film Music Journal No. 30, 2003

Mit THE SEA WOLF legt das Skandallabel Tsunami sein sechstes von zehn geplanten Korngold-Alben vor und hat damit ein knappes Drittel des Filmmusikschaffens auf Lager. Mit CAPTAIN BLOOD, ANTHONY ADVERSE, THE ADVENTURES OF ROBIN HOOD, THE SEA HAWK und CONSTANT NYMPH sind berühmte Titel des Wiener Altmeisters in respektabel klingenden, wenn auch stets etwas höhenarm abgemischten Originalaufnahmen verfügbar.

THE SEA WOLF (1941) ist innerhalb dieser Reihe etwas ganz Besonderes. Korngold ließ sich von der Verfilmung eines gallenbitteren Jack-London-Romans zur finstersten Komposition seines Lebens anstacheln. Vorbei ist es hier mit den pompösen Fanfaren, den aufblühenden Liebesthemen und ballettartigen Degenduellsequenzen. Die Violinen werden in erstaunlichem Ausmaß von ihrer Führungsrolle entbunden, ausgespart oder auf dienende Tremoli im Sinne der Spannungssteigerung reduziert. In den siebziger Jahren war THE SEA WOLF durch den bunten TV-Mehrteiler mit Raimund Harmstorf allseits bekannt, und wer nur diese letztgenannte Version oder gar das armselige Remake mit Charles Bronson kennt, wird sich auf einiges gefaßt machen müssen, sobald er der Schwarzweiß-Verfilmung ansichtig wird.

Edward G. Robinson brilliert als psychopathischer Kapitän Larsen, der seinen Schoner „Ghost“ (!) mit Vorliebe durch Nebelbänke steuert, wo nur mehr Schemen erkennbar werden. Michael Curtiz, damals Regiestar bei Warner Bros., läßt das Geschehen mit unentrinnbarer Sogwirkung seinem tödlichen Finale entgegensteuern. Und seinem Komponisten ist anzumerken, wie wohl es ihm tut, der bunten Opernwelt der Errol Flynn-Filme für einmal zu entsagen. Gleich der rhythmisch angespitzte, aggressive Main Title markiert die Distanz zu ROBIN HOOD oder THE SEA HAWK. Die Gesten werden knapper, der Tonsatz weniger als sonst von Leitmotiven und melodischen Linien geprägt. Einzig das traumversunken schöne Harmonika-Thema in Track 7 sorgt für einen schwelgenden Moment. Ansonsten dominieren die stark besetzten tiefen Klangregister das orchestrale Geschehen, während in den friedvolleren Momenten Bläsersoli und Streicherensembles hervortreten, jedoch in ihrer Entfaltung stark gehemmt bleiben.

1941 war auch das Jahr, in dem Bernard Herrmann mit seiner CITIZEN KANE-Musik eine neue stilistische Tradition in Hollywood begründete. So wird jedenfalls gern behauptet. Höre man aber, wie Korngold zur selben Zeit in Gewässern segelt, die Herrmann erst Jahre später entdeckt hat: Track 10 etwa entfaltet herrmanneske Klangspiele, bei denen man sich Augen und Ohren reibt. Die Tracks 11ff. mit ihren unerwartet kraftvollen Vorstößen sind so weltenfern wie überhaupt nur denkbar vom gewöhnlichen Hollywoodschwulst, zu dem auch Korngold gern sein Scherflein beisteuerte. Diesmal hielt er sich auch quantitativ zurück, wodurch nur gut die Hälfte des Films mit Musik bereichert wird.

Tsunami beschenkt die Filmmusikwelt neuerlich mit einer wertvollen Erstveröffentlichung: THE SEA WOLF ist – bis hin zum mühsam aufgehellten, keineswegs heiter getönten Schlußakkord – ein meisterhaftes Einzelwerk und eine Zierde für jede Filmmusiksammlung, darüber hinaus ein Korrektiv für unser aller Korngold-Bild.

Matthias  |  2003

THE SEA WOLF

Erich Wolfgang Korngold

Tsunami

48:11 | 16 Tracks