Review aus The Film Music Journal No. 30, 2003
Unter den vielen athletischen Hollywood Austattungsfilmen der 50er Jahre, die es mit der Geschichte nicht so genau nahmen und sich holten was sie verwenden konnten, ist SCARAMOUCHE einer der charmantesten. Bis heute hat er sich die Aura eines leichtfüßig inszenierten Mantel-und-Degenfilms bewahrt und Stewart Granger zu seiner wohl spritzigsten Darstellung animiert. Er ließ es sich nicht nehmen, alle Stuntszenen selbst zu übernehmen, darunter auch das für lange Zeit umfangreichste und wildeste Degenduell der Filmgeschichte. Bis kurz vor Ende blieb unklar, für welche der beiden Frauenfiguren sich der Held entscheiden würde. In der Oper würde man SCARAMOUCHE einen Mezzo-Charakter nennen, der zwischen Adel und einfachem Volk, Tragödie und Posse hin und her zu schwenken vermochte, die entsprechenden Frauen stets im Schlepptau.
Victor Young, mittlerweile ohne nennenswerte Fangemeinde, war 1956 der erste Tote unter den großen Hollywoodkomponisten und wird nicht mehr in einem Atemzug mit Korngold, Waxman und Rózsa genannt. Zu sehr verließ er sich auf sein melodisches Talent für Hit-Tunes, die man kommerziell verwerten konnte. Symphonische Prozesse waren seine Sache nicht. Aber muß es das denn immer sein? Scaramouche ist so ziemlich das Beste, was man von Victor Young bekommen kann – und will: ein fesselndes, gekonnt zusammengestelltes Potpourri über die weitgedehnten Melodiebögen, mit denen er seinen Score in verschwenderischem Ausmaß bestückt hat. Das «Prelude» ist spürbar Richard Strauss nachempfunden, als gelte es, einem Don Juan den roten Teppich auszurollen. SCARAMOUCHE ist keine so zweifelhafte Gestalt; ihm gehört vielmehr Sympathie des Publikums. Seine Eskapaden mit der Schauspielerfreundin Lenore und der Adelstochter Aline werden gebührend ausgekostet, ein musikalischer Operettenstaat, in dem die Stimmen von den Instrumentalisten verkörpert werden. Doch auch die spannungsvollen Aufschwünge des Revolutionsdramas erhalten ein passendes musikalisches Ambiente, selbst wenn man zugesteht, daß dies nicht die Domäne Youngs gewesen ist.
Dafür vermochte er seinen Sinn für humoristische Einfälle mit einem historisierenden Tonfall zu verbinden, wie er für die Bühnenauftritte Scaramouches benötigt wird. Vor Jahren erschien bereits eine längere Suite als Neueinspielung bei Marco Polo, von einem indisponierten Orchester zuschanden geritten. Nun gilt es, die in prächtiger Klangqualität dargebotene Offerte wahrzunehmen, die innerhalb der Film Score-Monthly Serie erschienen ist. Und wahrlich – Victor Youngs SCARAMOUCHE funkelt auch nach 50 Jahren noch immer in den schönsten (Klang-)Farben.
Matthias | 2003
SCARAMOUCHE
Victor Young
FSM Vol. 5 Nr. 13
62:28 | 34 Tracks