von Andi Süess und Phil Blumenthal
Wir können uns nicht mehr daran erinnern, wie es genau zur Idee dieses Artikels gekommen ist. Sicher haben wir uns ein paar Mal besprochen, was wir unter Remake vs. Original verstehen. Es gibt mehrere Möglichkeiten und Varianten – Andi und ich haben uns für «Wenn das Remake besser ist, als das Original» bezüglich Film entschlossen. Oft kommen Remakes nicht an die Originale heran. Wir haben nach Ausnahmen gesucht und einige gefunden, bei denen das Remake mit dem Original locker mithalten kann. Freilich nimmt die Musik eine gewichtige Rolle ein.
INVASION OF THE BODY SNATCHERS
Das Original… 1956, Musik Carmen Dragon
Jack Finneys «The Body Snatchers» wurde mehrere Mal verfilmt, zum ersten Mal von Don Siegel kurz nach dem Erscheinen des Romans und in dieser Version von vielen als Warnung vor dem Kommunismus verstanden. Aliens gelangen in Form von Bohnen auf die Erde und übernehmen die Körper der Menschen, wenn diese schlafen. Der Film mit Kevin McCarthy in einer seiner seltenen Hauptrollen ist auch heute noch atemlos spannend und äusserst verstörend. In der nicht sehr grossen Filmografie von Carmen Dragon ist dies zweifellos der bekannteste Eintrag. Wie von einem Genre-Score der 1950er-Jahre gewohnt, besteht die Musik aus heftigen Orchesterklängen und zermürbenden Spannungs- und Dramatiksequenzen, gerne den Holzbläsern und Streichern anvertraut. Letztere sind auch für das zwar Trost spendende, jedoch vom Schicksal überschatteten Liebesthema verantwortlich. Für besondere Klangmomente sorgt ausserdem ein eher perkussives Klavier. Ein sehr solider Score zu einem Meilenstein des Sci-Fi- und Horrorfilms. 2015 erschien der Score als Premiere bei La-La Land Records auf limitierten CD- und LP-Editionen.
Das Remake…1978, Musik Denny Zeitlin
Vor den späteren, verzichtbaren Remakes entstand 1978 die unglaublich gute Version von Philip Kaufman, sehr passend zu den paranoiden Zeiterscheinungen der Dekade. Eine wundervolle Besetzung trägt das ihrige zur Qualität des Filmes bei. Neben Donald Sutherland, Brooke Adams, Leonard Nimoy und Jeff Goldblum (und originellen Cameos von Don Siegel und Kevin McCarthy) ist mit Veronica Cartwright auch eine Schauspielerin im Einsatz, die sehr hart im Nehmen ist. War sie doch schon früh in ihrer Karriere Opfer einer intriganten Mitschülerin (THE CHILDREN’S HOUR), hatte kurze Zeit später Vogelattacken zu überstehen (THE BIRDS), wurde vom ALIEN verschlungen und auch in THE WITCHES OF EASTWICK nicht gerade zimperlich behandelt. Und sie ist auch in der letzten Szene von INVASION OF THE BODY SNATCHERS mit dabei, die niemand, der sie gesehen hat, je vergessen wird
Für den vom Jazz kommenden Denny Zeitlin war dies sein einzigster Filmscore, und er liefert durchaus Beachtliches. In seinen eigenen Worten handelt es sich um «elektronisch-akustisch-sinfonische Musik des 20. Jahrhunderts». Oft eine Mischung aus Musik und Klangeffekten, und insbesondere die Elektronik für einen gewünschten, «organischen Klang» verantwortlich. Konventioneller ausgefallen sind das Vierton-Motiv für die Aliens und das im Jazz angesiedelte Liebesthema. Nebst einer Portion Funk gibts auch noch ein von Bagpipes vorgetragenes «Amazing Grace», weil Kaufman dies unbedingt in einem seiner Filme unterbringen wollte. Sicher insgesamt etwas für aufgeschlossene Hörer und eine der letzten Filmmusiken ihrer Art aus den experimentierfreudigen 1970er-Jahren. Filmbegleitend auf Vinyl und Musikkassette erhältlich, veröffentlichte Perseverance Records den Score 2003 auf CD, das LP-Programm mit Interviews ergänzend.
Andi
THE FLY
Das Original…1958, Musik Paul Sawtell & Bert Shefter
1958 wurde THE FLY unter der Regie des Deutschen Kurt Neumann inszeniert, der in den 1940er Jahren diverse TARZAN Filme inszenierte und sich im «fantastischen Film» mit ROCKETSHIP X-M (1950), KRONOS (1957) sowie ein Jahr vor THE FLY mit SHE-DEVIL (1957) einen Namen machte. Das Drehbuch zu THE FLY mit Al Hedison, Patricia Owens, dem umtriebigen Vincent Price und Herbert Marshall, stammt von James Clavell, der später Romane wie TAI-PAN und SHŌGUN schrieb.
André Delambre hat einen Teleporter gebaut, mit dem er zunächst lebloses Material hin und her zu transportierten im Stande ist. Schliesslich probiert er ein grösseres Modell an sich selber aus. Mit unausweichlichen Konsequenzen, denn zu ihm hat sich auch eine Fliege gesellt, welche sich beim Materialisieren in seiner Genetik breit gemacht hat. Seine Frau Helene findet ihn mit einer deformierten Hand und einem Fliegenkopf wieder. Langsam übermannen die Instinkte einer Fliege sein Tun und so sieht er sich der unausweichlichen Konsequenz ausgesetzt, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.
THE FLY zählt zu einer ganzen Reihe düsterer Science Fiction Grusler mit Insekten als Filmmonster wie THEM! (1954) und TARANTULA (1955). Die Fliege war einer der erfolgreichsten darunter mit einem Budget, das mit 500’000 $ ein Einspielergebnis von über 3 Mio. $ einspielte. Klar folgte danach auch ein allerdings wenig erfolgreiches und eiligst gedrehtes Sequel, RETURN OF THE FLY (1959).
Die Musik zu THE FLY stammt vom erfolgreichen Komponisten Duo Paul Sawtell und Bert Shefter, die sich 1957 zusammentaten und quer durch alle Genres Filmmusik in Windeseile schrieben. Ihre Fantasy und Science Fiction Musiken zählen dabei zu ihren beliebtesten Werken. Zu THE FLY haben die beiden einen mit knapp 20 Minuten äusserst kurzen Score geschrieben, der mit einem heftigen Tutti beginnt, ehe ein Thema für das glückliche Ehepaar erklingt. Der weitere Beginn von THE FLY ist in diesem Rahmen gehalten, erst mit dem Track «The Claw» ändert sich die Stimmung der Musik. Die Dramatik des Shockmoments, als Helene ihren entstellten Mann entdeckt, findet nach dem «Main Title» wieder Aufnahme. Sawtell und Shefter nehmen aber immer wieder Bezug auf das Liebesthema, das eine wichtige Rolle einnimmt. In «Helene’s Discovery» ist das Zusammenspiel von Schrecken und Zusammensein auf die Spitze getrieben, ein bemerkenswerter 5 Minuten Track. Sawtell und Shefter unterlegten auch die Fortsetzung mit Musik. Beide Scores sind auf einer Kritzerland CD enthalten.
Das Remake…1986, Musik Howard Shore
Entstanden ist das Remake unter der Ägide von Mel Brooks’ Brooksfilm mit Jeff Goldblum und Geena Davies in den Hauptrollen. David Cronenberg, der hier Regie führte, hatte zuvor einen Hit mit THE DEAD ZONE (1983) gelandet, war bisher aber vor allem für seine ganz eigenen B-Schocker wie VIDEODROME (1983) und SCANNERS (1981) bekannt. THE FLY anno 1986 profitierte nicht nur von einem Cast mit ganz viel Chemie (allerdings spielten Goldblum und Davies anders als im Original kein Ehe-, wenn auch schliesslich ein Liebespaar), sondern vor allen Dingen von den grösstenteils fantastischen Make-Up und Spezialeffekten von Chris Walas, der dafür mit Stephan Dupuis mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. THE FLY war ein Kinohit und spielte mehr als 60 Mio. $ ein, gefolgt von einer erfolgreichen VHS-Auswertung. Es liegt nicht zuletzt an Cronenbergs eindrücklich atmosphärischer Erzählweise und an den Effekten, damit das Remake über das alles andere als missratene Original gewichtet werden kann. Nachdem bei THE DEAD ZONE Michael Kamen für die Musik sorgte, konnte Cronenberg für THE FLY wieder auf seinen Stammkomponisten und Landsmann Howard Shore zurückgreifen. Mit seinem Score wurde erstmals ein breiteres Publikum und vor allem ein begeistertes aus Filmmusikkreisen auf den kanadischen Komponisten aufmerksam. Shores THE FLY konzentriert sich weniger auf die Schockmomente des Films und mehr auf die spannend-tragische Stimmung und das Drama, die Seth Brundle (Goldblum) umgeben. Dies alles in einem wahrlich düster gehaltenen, aber nicht abstrakten Rahmen, den Shore ja auch beherrscht, mit eher kurz gehaltenen Motiven, ich zählte deren zwei, die Shore hier variiert. Es spielt das London Philharmonic Orchestra, was der atmosphärischen Komposition zusätzlich Eindruck verleiht. Veröffentlicht wurden zunächst 32 Minuten bei Colosseum und TER (je nach Land), bei Varèse gar 5 Minuten mehr Musik. 2005 erschien eine Wiederauflage bei Varèse mit identischem Programm inklusive des hervorragenden Scores von Christopher Young zum Sequel, THE FLY II (1989).
Phil
THE LAST MAN ON EARTH / THE OMEGA MAN
Das Original… 1964, Musik Paul Sawtell und Bert Shefter
THE LAST MAN ON EARTH basiert auf dem Roman «I am Legend» von Richard Matheson. Der Schwarzweissfilm beschreibt ein postapokalyptisches Rom, in dem offenbar nur ein einziger Mann noch lebt (der stets gern gesehene Vincent Price), der sich tagsüber das Überleben sichert und sich nachts Kreaturen erwehren muss, die zwar als Vampire bezeichnet werden, jedoch eher wie Zombies moderner Prägung agieren. Für die Musik zeichnen Paul Sawtell und Bert Shefter verantwortlich, ein gut eingespieltes und in allen möglichen Genres erprobtes Duo. Sie präsentieren einen stimmungsreichen Score, der Spannung und Dramatik ebenso kompetent wiedergibt wie Unbehagen und Action. Für schaurige Momente, die auch Chorgesang mit einschliessen, ist ebenso gesorgt wie für ruhigere, elegische und durchaus auch idyllische Klänge. Gerne sorgen Streicher und Holzbläser und da und dort ein wenig Elektronik für die gewünschten Wirkungen. Eine sehr empfehlenswerte Musik, die Monstrous Movie Musik 2012 in einer limitierten Edition veröffentlichte.
Das Remake… 1971, Musik Ron Grainer
In dieser Verfilmung wird die Handlung von Rom nach Los Angeles verlegt, wo sich Charlton Heston mit lichtscheuen Albino-Wesen konfrontiert sieht, die von Anthony Zerbe kommandiert werden. Der literarischen Vorlage weniger verpflichtet als THE LAST MAN ON EARTH, zeigt Regisseur Boris Sagal dem Zeitgeist entsprechend Heston eher als coolen Helden, und dem trägt auch Ron Grainer Rechnung. Seine gediegene Fusion aus klassischen und kontemporären Klängen macht Freude. Ein Hauptmerkmal des Scores ist die vielseitig eingesetzte Orgel. Nebst aufgepepptem Barock stehen Jazz, Pop, Folkmusik und ein paar experimentelle Spielereien zu Buche. Für viele ist die Musik zu THE OMEGA MAN Kult, und das trifft wohl auch auf Lukas Kendall zu, der den Score gleich zweimal veröffentlichte. Zunächst 2000 als FSM-CD, dann 2008 auf seinem Retrogade-Label mit erweiterten Tracktiteln als wesentlichem Unterschied.
Andi
THE WAR OF THE WORLDS / WAR OF THE WORLDS
Das Original… 1953, Musik Leigh Stevens
H.G. Wells «The War of the Worlds» gehört zu den bekanntesten Werken der Science-Fiction-Literatur. Der Roman um Marsianer, die die Erde in Beschlag nehmen wollen, wurde 30 Jahre nach seinem Erscheinen von Orson Welles zu einem legendären Hörspiel verarbeitet, das in den USA ob seiner äusserst realistischen Präsentation angeblich eine Massenpanik auslöste. Verfilmungen des Stoffes konnten nicht ausbleiben, und der Klassiker unter ihnen ist die 1953er-Version, die zwar unter der Regie von Byron Haskin entstand, aber als Mastermind dahinter gilt im Allgemeinen der hier als Produzent fungierende George Pal. Der in Ungarn geborene Pal gehört zu den grossen Visionären in Sachen Special Effects ‒ was sich in der nach wie vor sehr ansprechenden optischen Präsentation von THE WAR OF THE WORLDS zeigt ‒ und sein Meisterstück dürfte THE TIME MACHINE (1960) sein, eine weitere Wells-Verfilmung notabene. Leigh Stevens schlägt in seiner Musik kriegerische Töne an, die sich im kurzen «Main Title» als Hommage an Holsts «Mars, the Bringer of War» aus THE PLANETS verstehen, wenn auch nicht ganz so offensichtlich, wie man es anderweitig manchmal gewohnt ist. Viel Spannung und unheimliche Bedrohung bereitet den Boden für einen ebenso dramatischen wie befreienden Schlussakt. Auf einer von Intrada 2012 veröffentlichten Doppel-CD mit Musik zu vier George-Pal-Filmen befinden sich ‒ wenn man die Extras mit einrechnet ‒ rund 22 Minuten aus THE WAR OF THE WORLDS.
Das Remake... 2005, Musik John Williams
Nebst vielen weiteren, wohl meist fürs Fernsehen produzierte Verfilmungen, Hörspielen und sogar eines Musicals sorgte vor allem Steven Spielbergs Adaption für Gesprächsstoff und stiess begreiflicherweise nicht überall auf Begeisterung. Nebst der Tatsache, dass die Story in der Gegenwart spielt und in die USA verlegt wurde (dies könnte man allerdings auch der 1953er-Version vorwerfen), gibt es hier einige für Spielberg typische Elemente wie eine (dysfunktionale) Familie mit äusserst nervigen Kids ‒ insbesondere die von Dakota Fanning gespielte Tochter ist oft eine Zumutung, und mit Tom Cruise in der Hauptrolle dominiert kaum überraschend die Action. Visuell und effekte-mässig ist der Film jedoch hervorragend gemacht (insbesondere hervorzuheben sind die Szenen, wenn die Tripods aus der Erde ausbrechen und ihr Vernichtungswerk beginnen sowie die schockierende Fähren-Sequenz), und die superbe Musik von John Williams, die zu seinen düstersten und thematisch kargsten gehört, aber trotzdem oder gerade deswegen als wertvolle Stütze für WAR OF THE WORLDS dient. Schonungslos begleitet sie die Flucht vor den Invasoren, teilt die Panik, das Fortwollen und die Verzweiflung der Figuren. Mal dramatisch mit Anleihen bei Stravinskys LE SACRE DU PRINTEMPS, mal mit ebenso elegischen wie hoffnungslosen Streichern, Bläsern und Chor, einigem an Suspense, etwas elektronischen Effekten, aber auch mit kraftvollen, dem leichten Optimismus zugewandten Klängen, die gegen Ende hin natürlich zunehmen, liefert Williams einen unter die Haut gehenden Score, der zu seinen unterschätztesten gehört. Tonträgerisch eindeutig zu empfehlen ist die 2020 erschienene Doppel-CD von Intrada mit dem kompletten Score, der alten Album-Präsentation sowie ein paar Extras.
Andi