n einem verschlafenen, kalifornischen Nest betreiben die Geschwister Pete und Ellen Morgan (Edward G. Robinson, Judith Anderson) eine Farm, die umgeben ist von Wäldern, in denen nicht alles mit rechten Dingen zugeht, und die ein verwittertes rotes Haus mit dunkler Geschichte verbergen. Eine Vergangenheit, die mit den Morgans, und möglicherweise auch mit ihrer Adoptivtochter Meg zu tun hat, denn Pete sieht es gar nicht gern, dass sie und ihre Freunde ‒ von diesem Wald magisch angezogen ‒ ihn trotz seiner wiederholten Warnungen immer wieder betreten und damit eine Tragödie ungeahnten Ausmasses heraufbeschwören.
Delmer Daves› The Red House (1947) handelt von unerlaubter Begierde, Eifersucht, Schuld und Busse. In diesem wenig bekannten Mystery-Thriller erweisen sich vor allem zwei Partizipanten in bestechender Form: ein bezwingend aufspielender Edward G. Robinson, dessen Transformation vom fürsorglichen Familienoberhaupt zum psychisch zerbrechenden, von der Vergangenheit Eingeholten einem den Atem stocken lässt, sowie Miklós Rózsa mit seinem thematisch komplex aufgebauten, äusserst stimmungsreichen Score.
Von Auszügen dieser Musik konnte sich der geneigte Fan schon sein langer Zeit verwöhnen lassen, sei es durch vier von Rózsa selbst eingespielte Stücke, die ihre Erstveröffentlichung noch auf Schellack erlebten, oder durch die bestechende Suite von Charles Gerhardt, die meiner Ansicht nach nicht nur den Höhepunkt seiner Rózsa-Platte bildet, sondern zum Allerfeinsten der gesamten Classic-Film-Scores-Reihe gehört.
Nun ist bei Intrada der komplette Score in einer Neueinspielung erschienen, und es erweist sich ‒ was man anhand der Suiten schon erahnen konnte ‒ dass Rózsa mit seiner geglückten Mischung von Ingredienzien aus Psycho-Thriller, Film Noir, Mystery und Fantasy mit The Red House ein weiterer grosser Wurf gelungen ist, den alle Rózsa- und Golden-Age-Liebhaber schätzen und würdigen dürften.
Stimmungsmässig lässt sich dieser Score in drei Bereiche aufteilen, deren Bestandteile sich stets abwechseln und oft nahtlos ineinander überfliessen. Es gibt den dramatischen Sektor; zu dessen wichtigsten Elementen gehören das Thema für das rote Haus, welches bereits im rózsa-typischen, mit schwerem Blech bestückten Main Title andeutet, welch wichtige Rolle ihm zukommt, sowie die beiden Motive für Pete. Das gefühlvolle Paternal Theme (besonders ergreifend von der Solo-Violine in Meg Asks Questions dargebracht) steht für seine Zuneigung zu Meg, das im Verlaufe des Scores Überhand nehmende, an den Nerven nagende Troubled Theme beschreibt seine geistige Verfassung, die langsam, aber sicher den Bach runtergeht.
Der zweite Bereich ist pastoral, und Rózsa weist mit Streichern und Holzbläsern sicher nicht nur auf die Schönheiten der Natur, sondern auch auf die Seelen junger Menschen hin, die bald nicht mehr unberührt sein werden. Hier finden wir das herzerfrischende Thema für Meg (welches von unbelasteten zu kummervolleren Varianten übergeht, was sich beispielsweise durch Violin-Soli in The Conspiracy, Teller Shoots At Meg und Nath And Meg äussert), jenes für ihre Freundin Tibby, das idyllische Motiv für die Morgan-Farm sowie das gerne mit Vogelgesang verzierte Oxhead Theme für den verwunschenen Wald. Vor allem in diesem Sektor werden zuweilen Erinnerungen an Rózsas Fantasy-Filme, allen voran The Thief Of Bagdad, wachgerufen.
Mystery prägt den dritten Bereich. In dessen Zentrum steht ein verfremdetes, von verstörenden Frauenstimmen begleitetes Wiegenlied, das schliesslich Megs Herkunft entschlüsseln wird. Der gespenstische Frauenchor begleitet in Screams In The Night auch Naths abenteuerlichen, nächtlichen Streifzug durch den windgepeitschten Wald, was Rózsa in diesem Track auch orchestral vorbildlich wiedergibt. Der Komponist greift in diesem Bereich nebst dem von ihm in jener Phase seines Schaffens oft verwendeten Theremin zu Instrumenten wie Vibraphon, Celesta und Novachord, deren effektvolles, polytonales Spiel einem Schauer über den Rücken jagen.
Ein wenig skeptisch war man schon, als im Vorfeld dieser Veröffentlichung bekannt wurde, dass als Dirigent Allan Wilson amtet, denn der hatte sich vor ein paar Jahren mit seiner Spellbound-Interpretation (ebenfalls für Intrada) nicht allseits mit Ruhm bekleckert. Wer nun deshalb The Red House aber verschmäht, den belehre ich gerne eines Besseren. Vielleicht liegt es daran, dass diesmal mit dem Royal Scottish National Orchestra ein Ensemble verpflichtet wurde, dass dank etlicher Einspielungen für Varése filmmusikerprobt ist, jedenfalls wird ‒ auch wenn man sich da und dort doch noch ein wenig mehr Intensität gewünscht hätte ‒ mit der für Rózsa notwendigen Portion Leidenschaft gespielt, sowohl die dramatischen wie auch pastoralen Passagen vermögen zu überzeugen, und die Tempi machen einen akkuraten Eindruck. Und dass hier gegenüber der Filmeinspielung 25 Orchestermitglieder mehr zu Werke gehen, gereicht der Darbietung bestimmt nicht zum Nachteil.
Ein besonderes Augenmerk gilt abschliessend noch dem Finale. Hier hat Kevin Kaska, der den Score rekonstruierte, die von Christopher Palmer für Charles Gerhardt arrangierte, vom Film abweichende Version verwendet. Und da sich Rózsa für seine Suite ebenfalls die Freiheit genommen hat, das Finale etwas umzugestalten, bleibt uns die Originalversion leider weiterhin verwehrt, was sehr schade ist, denn wenn schon, denn schon, wie ich finde. Dies gehört zu zwei, drei kleinen Kritikpunkten, aufgrund derer ich dieser Veröffentlichung ‒ der rein von der Qualität der Musik her gesehen die Höchstwertung zustehen würde ‒ ein wenig Abzug gebe.
THE RED HOUSE Miklós Rózsa Intrada MAF 7122 CD1: 57:51 / 27 Tracks CD2: 24:24 / 6 Tracks