Mit der famosen Rozsa Box von Film Score Monthly aus dem Jahr 2010 ist eigentlich schon fast alles in Erfüllung gegangen, was man sich in Sachen Quo Vadis erhoffen durfte. Ein weiterer holy grail, wenn auch in archivarischer Version mit Toneffekten da und dort, den man eigentlich abhacken konnte, denn laut verschiedenster Aussagen gibt es keine andere Form in der die Originalmusik überlebt hätte. Die letzten Jahre sprechen da allerdings eine ganz andere Sprache und es sind Filmmusiken aufgetaucht, von denen man 20 Jahre zuvor nur träumen konnte. Trotzdem geht Prometheus den anderen weg und legt eine Neueinspielung mit dem selben Team vor, das uns Tiomkins The Alamo und zuletzt Conan the Barbarian servierte (letzterer ist durch einen der inzwischen bekannten „tapes forever lost“ Fälle allerdings entberlich geworden). Beides sind schöne Veröffentlichungen geworden, wenn auch mit der ein oder anderen, kleineren oder grösseren Baustelle – je nach Auffassung des Hörers sowieso.
Die Ankünding von Quo Vadis jedenfalls hat schon vorab für grosse Erwartungen gesorgt und man kann es wohl so sagen, 100%ig kann Prometheus diese nicht erfüllen. Ganz klar, interpretatorisch kommen heutige Orchester einfach nicht an den „Schmelz“ der Golden Age Einspielungen ran. Geht nicht, klappt nicht, sollte man auch nicht immer erwarten. Dennoch, wie im Falle von The Red House kürzlich, ebenfalls von Grossmeister Rozsa, gibt es immer wieder tolle Ergebnisse. Und in Teilen darf auch Quo Vadis dazu gezählt werden.
Quo Vadis lässt sich, wie von Rozsa selbst vorgesehen, in drei Teilen beschreiben. Erstens haben wir den römischen Part, der durch oft schwere, militärische aber auch triumphale Momente (Fanfaren etwa) geprägt ist. Zweitens gibt es den stark christlich gefärbten Teil. Dieser ist insbesondere in den vom Chor geprägten Stücken deutlich spürbar, insbesondere gegen Ende von CD 1 und im verbleibenden Teil von CD 2. Drittens komponierte Rozsa Musik für die Sklaven Roms, Babylonier, Perser usw. Ein wichtiger Aspekt ausserdem ist die Musik, die onscreen, also im Bild zu sehen und hören ist, als da sind Fanfaren, die Lieder Neros, die Psalme der Christen.
Miklos Rozsa hat für seine Musik einige Zeit in die Recherche gesteckt. Die Tatsache, dass kaum eine Überlieferung oder Aufzeichnung römischer Musik besteht, hat dies freilich nicht vereinfacht. Wie Rozsa in seinen Film Music Notes aus dem Jahr 1951 beschrieb, hatte er den Anspruch stilistisch seine Aufgabe möglichst korrekt zu erfüllen: „Von römischer Literatur, Malerei, Architektur und Bildhauerei gibt es massenhaft Überlieferungen und Anschaungsmaterial, nicht so was Musik betrifft. Hierzu gibt es keinerlei Aufzeichnungen“, und weiter „in der römischen Literatur jedoch gibt es zahlreiche Referenzen hinsichtlich Musik und wir wissen, wie wichtig Musik im Leben der Römer war. Seneca beschwerte sich sogar darüber, dass in den Theatern die Anzahl von Sängern und Musikern stets zunahm und sogar grösser war als der Publikumsaufmarsch!“.
„Wir wissen, dass die Römer die Kultur von den Griechen übernahmen. Griechische Zivilisation und Religion dominierten das römische Leben und Nero zog es gar vor grieschisch anstatt Latein zu sprechen. Da Rom griechische Musiker, Instrumente und deren Musiktheorie übernnahmen, kann die griechische Musik nicht von der römischen getrennt werden. Und über griechische Musik wissen wir immerhin etwas.“
Ich erspare es dem Leser (und mir) hier eine eingehende Analyse zur Musik in Quo Vadis zu verfassen, alleine aus dem Film, von diversen Einspielungen und sowieso der FSM-Box, dürfte eigentlich fast allen die Musik ein Begriff sein – spätestens mit dem Ertönen der ersten Tracks, „Overture (Intermezzo),“ „Main Title, „Lygia“ oder „Triumphal March“ stellen die Ohren sofort auf „Ah jaaaaa!“. Und bei „Ah“ darf man durchwegs auch bleiben, denn Nic Raine und die Prager haben eine feine Arbeit abgeliefert, trotz dem oben erwähnten Mangels, hie und da, an Schmelz! Aber Stücke wie „Assyrian Dance“ oder „Fanfare for the Wrestlers/Siciliana Antiqua/Dance of the Muses“ sind mit viel Verve und Lebhaftigkeit, heraus hörbarem Spass am Spielen intoniert, es ist eine wahre Freude zuzuhören.
Gesungen von John Langley setzen Nic Raine und sein Team bei Neros Liedern mehr auf Gesang denn Schauspiel. „The Burning of Troy“ und „The Burning of Rome“ sind unvergesslich in Peter Ustinovs wunderbarer, so innbrünstig schräg gesungenen Versionen. Dies bloss zu imitieren wäre sicher nicht das Wahre gewesen und so entschied man sich dazu, den Mittelweg zu gehen. Durchaus gelungen wie ich meine.
Die abschliessende Konzertsuite übrigens lässt durchaus die Frage aufkommen, weshalb diese (oder wenigstens Teile davon) heute nicht öfters in Filmmusikkonzerten gespielt wird? Könnte durchaus daran liegen, dass, wenn ein monumentaler Rozsa, dann meistens Ben Hur bzw. Parade of the Charioteers auf dem Programm steht. Doch so 18 Minuten aus Quo Vadis, wäre das live nicht ein fantastisches Hörerlebnis?
Das 28-seitige Booklet (mit bekannter Prometheus-Schriftart verfasst) geht nur kurz auf den Film und dessen Produktion ein, es wird ansonsten auf das Booklet von FSM verwiesen. Dazu kommt eine filmbasierte Track-by-Track Analyse und zum Abschluss einige Sätze von James Fitzpatrick hinsichtlich der Einspielung.
Abschliessend würde ich es so zusammenfassen: Wer die FSM-Rozsa-Box und diese neue Prometheus Einspielung hat, hat sowas wie The Best of both Worlds! Und ich würde beiden Seiten, dem Puristen, der nur aufs Original steht, und demjenigen, der viel auf Topklang gibt sowieso, die Neueinspielung durchaus empfehlen.
QUO VADIS Miklos Rozsa Prometheus XPCD 172 CD 1: 67:53/19 Tracks CD 2: 68:43/19 Tracks