Pernille Fischer Christensens ASTRID erzählt von der jungen Astrid Ericsson, die später heiraten und Lindgren heissen wird. Es ist keine fröhliche, lustige, kunterbunte Geschichte wie sie Lindgren später in vielen ihrer Kinderbücher darstellen wird – und das obwohl Astrid eine wie sie immer sagte tolle Kindheit hatte. Doch es ist eine schicksalshafte Zeit für Astrid, als sie vom elterlichen Bauernhof, dank ihres Vaters, als Volontärin bei der örtlichen Zeitung angestellt wird, sich in den Herrn Redaktor verliebt und schwanger wird. Er ist verheiratet, sie ist keine 18 Jahre alt. Ihr Kind gebärt sie in Dänemark, wo der kleine Lasse zunächst ohne seine Mutter aufwächst.
Christensens Film profitiert vom wundervollen Schauspiel Alba Augusts als Astrid, die mit Energie und Zurückhaltung zugleich, feinem Minenspiel und viel Fingerspitzengefühl die Hauptrolle ausfüllt. ASTRID ist nicht nur – aber ganz besonders – ein Film für Fans von Pippi, Michel und den Gebrüdern Löwenherz, für die das Leben der Schriftstellerin bisher aber wenig bekannt war. Ein ohne Umschweife sehr gelungener, feiner und wirklich schöner Film, für den der Däne Nicklas Schmidt eine kleine, schmucke Filmmusik schrieb.
Erstveröffentlichung: 24.5.2019
Die Ankündigung eines Films über meine Kindheitshelden Stan Laurel und Oliver Hardy hat zwar erfreut, gleichzeitig blieb aber auch ein ungutes Gefühl von «Klamaukfilm», «Remake», «unverfilmbar» zurück. Doch der Zuseher wird bald eines Besseren belehrt, denn Jon S. Bairds Film beschäftigt sich um die Phase, nachdem der grosse Erfolg des Duos längst abgeflacht ist und sie in England vor kleinem Publikum zurück auf die Bühne schreiten, mit dem Plan einen englischen Produzenten zu treffen, der ihren nächsten Film produzieren soll. Dabei wird bald klar: Die Zwei haben nach einer kurzzeitigen Trennung das Heu nicht mehr auf derselben Bühne. Besonders Stan verzeiht Ollie dessen «Verrat» von einst nicht, als dieser trotz Absprache beim Studio blieb und er, Laurel, sich weigerte, weiter zu schlechten Vertragsbedingungen zu drehen. Doch auf der Bühne sind die Zwei immer noch Vollprofis. Und anders als erwartet, ist es John C. Reilly, der in der Rolle des Ollie voll aufgeht. Er stiehlt Steve Coogan, der seine Sache gut aber eben nicht beeindruckend genug macht, eindeutig die Show, beherrscht die kleinen und grösseren Minenspiele und Körperhaltungen wie aus dem Effeff.
STAN & OLLIE ist ein hübscher Blick zurück, auch wenn er Tiefgang und Genialität (zum Beispiel eines CHAPLIN) vermissen lässt. Gleichzeitig dürften alle jene enttäuscht werden, die reinen Klamauk der erfolgreichsten Zeit der beiden Komiker erwarten (worauf die FSK 0 Einteilung durchaus weisen könnte). Von Rolfe Kent, durchaus ein Spezialist in diesem Genre, ist die wenig auffallende Filmmusik.
Erscheinungsdatum: 20.9.2019
Ein Copthriller mit Mel Gibson und Vince Vaughn, die auf Grund ihres per Smartphone festgehaltenen, sagen wir mal so, rauen Umgangs mit einem Verhafteten beurlaubt werden. Ihnen wird für diese Zeit der Lohn gestrichen, doch beide brauchen sie das Geld. Ridgeman hat eine kranke Frau und Lurasetti pflegt einen gehobenen Lebensstil. Deshalb wollen sie bei einem verübten Banküberfall mitkassieren.
Beinharter, skrupelloser, bisweilen dunkelschwarz humoriger Film von S. Craig Zahler. Zahler hat den Western BONETOMAHAWK mit Ken Russell und Patrick Wilson inszeniert, der eine überaus brutale Wendung nahm. Doch der Filmemacher bleibt sich bei DRAGGED ACROSS CONCRETE treu, auch dieser enthält im letzten Drittel grafische Gewalt, die man in der Tat etwas gedämpfter hätte zeigen können. Das ist mitunter der einzige richtige, aber eben doch zu erwähnende Kritikpunkt an einem ansonsten recht guten Film mit zwei routiniert spielenden Protagonisten und einem fast übermenschlich kaltblütigen Fiesling.
Erscheinungsdatum: 23.8.2019
IF BEALE STREET COULD TALK ist eine Literaturverfilmung nach James Baldwin von MOONLIGHT Regisseur Barry Jenkins. Eine nette, kleine Liebesgeschichte über ein junges Paar aus dem 70er Jahre Harlem, durch das Sicherheitsglas eines Gefängnisses getrennt. Subtil mit wenigen kleineren Vulkanausbrüchen verfilmt, in goldbraune Farben getaucht, besticht der Film durch seine ruhige, stilvolle Erzählweise – selbst der/die weniger an Love Stories und Dramen Interessierten dürften an BEALE STREET «kleben bleiben», um mitzubekommen, wie die Geschichte ausgeht. Ansonsten kann man sich an einem schönen Film freuen, der so einige Sinne zu triggern vermag, ohne laut und effekthascherisch zu sein.
Stark ist Nicholas Britells Score mit seiner Mischung aus TAXI DRIVER Atmosphäre, Jazzidiomen und viel Gespür für die Dramatik. Zweifellos eine Musik, die es verdient gehabt hätte zu den Nominierten des wichtigsten aller Filmpreise zu gehören.
Erscheinungsdatum: 21.8.2019
DARK PHOENIX gehört ins vor Jahren gerebootete X-MEN Universum mit James McAvoy als Professor Xavier und ohne Wolverine – Hugh Jackman hat bekanntlich die scharfen Krallen an den Hacken gehängt. In diesem wohl letzten Film der Reihe, denn der Film floppte gewaltig und erhielt fast durchgehend schlechte Kommentare von Kritikern und Kinogängern (ausserdem werden die X-Men künftig ins Disney-Marvel-Imperium eingebunden) nimmt Xavier Jean Grey in die Schule auf, doch bei einem «Abenteuer» in space wird sie quasi von einer mysteriösen ausserirdischen Energie «infiziert».
DARK PHOENIX ist so schlecht nicht wie beinahe überall zu hören und zu lesen, doch es ist auch kein Glanzpunkt der X-MEN Reihe und in der McAvoy/Fassbender-Ära zweifellos die schwächste Eingabe. Schade, eigentlich war ich dieser Neuauflage durchaus wohlgesonnen. Und seien wir ehrlich, besser als BLACK PANTHER oder AQUAMAN ist DARK PHOENIX allemal.
Filmmusikalisch liess sich Hans Zimmer ins Boot holen, obwohl er eigentlich mit Superhelden nichts mehr am Hut haben wollte. Leider klingt sein Score auch eher nach Unlust und wenig Inspiration, da schwubbert und schwabbert es, aber dem Film zur Seite stehen, so dass auch der Filmmusikfan etwas davon hat, das tut der Zimmer-Score nicht.
Erstveröffentlichung: 3.10.2019
Als leidenschaftlicher Bewunderer des Werks des niederländischen Malers war ich gespannt was Julian Schnabel in seinem Film VAN GOGH – AN DER SCHWELLE ZUR EWIGKEIT zeigen würde. Da ist in vorderster Front ein hervorragender Willem Dafoe in einer Oscar würdigen Darstellung als Van Gogh. Ja natürlich, Dafoe ist weitaus älter als Van Gogh wurde, aber wenn ein Mime derart toll aufspielt, spielt das keine Rolle.
Schnabel deckt die Phase Van Goghs ab, in der er Paris verlässt und 1888 in Arles sein zwischenzeitliches Lager aufschlägt, bis hin zu seinem Tod 1890 in Auvers-sur-Oise. Es ist auch die Zeit in der den Maler mehr und mehr dunkle Gedanken, Übermüdung und Aussetzer vereinnahmten und er in die Anstalt in St.-Rémy-de-Provence eingeliefert wurde. Mit Handkamera, langen Einstellungen und direktem Sprechen in die Kamera schafft es Schnabel eine besondere Atmosphäre zu schaffen, die die Irrungen und Wirrungen in den Gedankengängen eines zu seinen Lebzeiten unverstandenen Genies anpackt. Ein besonderer Film für alle, die einen anderen Einblick in die Person des Malers aufzunehmen bereit sind, so auch das Ende des Films, das von der Theorie abgeht, Van Gogh hätte sich selber das Leben genommen.
Die Musik steuert die mir unbekannte Tatiana Lisovskaya bei, die, so hat man das Gefühl, hier fast ad lib zum Geschehen Klavier spielt – seltener sind weitere Instrumente wie eine kleine Streichergruppe. Nur als Download erhältlich.
Erstveröffentlichung: 25.9.2019
Phil, 18.10.2019