Objective Burma!

Review aus The Film Music Journal No. 25, 2001

Für all diejenigen, die OBJECTIVE, BURMA! in Form der Suite kennen, wie sie sich auf FRANZ WAXMAN, VOLUME 1 (aus Vareses „Legends of Hollywood») präsentiert, entsteht das Bild, das man sich allgemein von einem amerikanischen Kriegsfilm aus dem Jahre 1945 macht. Ein wuchtiger Titelmarsch, martialisches Blech, Heldentum eben, das aber – bei Waxman kaum überraschend – nicht patriotisch ungebremst daherkommt. Zusammen mit den prominent vertretenen „luftigen» Geigen, welche die Fallschirmspringer begleiten, ergibt das zwölf Minuten Musik, die zur Schlussfolgerung verleiten, einen repräsentativen Querschnitt des Scores zu besitzen.

Hört man nun die neue CD aus dem Hause Marco Polo, revidiert man diese Schlussfolgerung sehr schnell. Waxman hat, das hätte man wissen können, viel mehr zu bieten. Und jetzt, wo ich die Musik wirklich kenne, würde ich gerne einmal den Film von Raoul Walsh sehen. Denn der soll ja, ebenso wie die schauspielerische Leistung von Errol Flynn, der als Major Nelson seine Einheit nach gelungener Mission in Sicherheit bringen muss, sehr gelungen sein. John Morgan hat den Score in gewohnt akribischer Art rekonstruiert und auch um die Parts ergänzt, die in der endgültigen Fassung des Filmes fehlen; daraus resultiert eine wohldurchdachte und komplexe Komposition, die definitiv nicht zu der Sorte Musik gehört, die man sich mal rasch zur Entspannung oder Ablenkung reinzieht.

Das gilt nicht so sehr für die oben genannten Elemente, die sind zwar auch sehr gut, aber was die Partitur auszeichnet, ist Waxmans zum Teil unglaublich zurückhaltender Kommentar zum verlustreichen Rückzug durch den burmesischen Dschungel. Der asiatische Kriegsschauplatz zeigt sich in der Musik ohne die bekannten, oft aufdringlichen Klischees, die Trauer der Soldaten um ihre gefallenen Kameraden ist leise. Und wenn das Orchester – im Wesentlichen auf die Streicher reduziert – in den untersten denkbaren Dynamikbereichen spielt, hält man unwillkürlich den Atem an, vermutlich analog den am Boden kauernden GI’s. Der Feind lauert überall, auch die Musik soll seine Aufmerksamkeit nicht erregen. Ein Flüstern kann eindringlicher sein als ein Schrei. Falls diese Passagen im Film ebenso klingen wie auf der Disc – und davon kann man bei Marco Polo ja eigentlich ausgehen – so sind sie für ihr Entstehungsjahr wirklich aussergewöhnlich. Ich zumindest kenne nichts Vergleichbares aus dem Hollywood jener Zeit. Und wer das nachprüfen mochte, dem empfehle ich als Anspieltipp «At Night», der als einer der kürzeren Tracks den Ansatz des Komponisten sehr gut veranschaulicht.

Man weiss ja, dass ein Grossteil der Werke Waxmans die Zeit gut überstanden und wenig Patina angesetzt hat. OBJECTIVE, BURMA! ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, und darum waren selbst in den 50er- und 60er-Jahren noch Teile davon in Niedrigbudget-Kriegsfilmen zu hören. Für mich ist dieser Score eine der erfreulichsten Entdeckungen der letzten Zeit.

Andi  |  2001

OBJECTIVE, BURMA!

Franz Waxman

Marco Polo

71:38 | 13 Tracks