CHAPPIE
Hans Zimmer; Varèse Sarabande
Nach seiner fantastischen und gefeierten Filmmusik zu Christopher Nolan’s Interstellar (2014)
konzipierte Hans Zimmer zusammen mit Steve Mazzaro und Andrew Kawczynski als
«additional composers» sowie Andy Page, Ed Buller, Michael Tritter, Rich
Walters und Junkie XL die Klangkulisse für Chappie (2015) von
Regisseur Neil Blomkamp. Hierbei handelt es sich um eine 100%-ige Elektromusik,
die als reines Hörerlebnis nur für die wenigsten geniessbar sein wird.
Spätestens nach „Rudest Bad Boy In Joburg“, „You Lied To Me“ und „Mayhem
Downtown“ blutet man aus den Ohren. Die teils belustigend datierten
Synthi-Klänge, in „Illest Gangsta on the Block“ auf die Spitze getrieben (bzw.
zum Tiefpunkt geführt), mögen als Hommage gedacht sein, sind jedoch nervtötend.
Auch wenn dieses Musikkonzept zum Film passen mag, losgelöst von den Bildern
werden ihm nur hartgesottene Elektro- und Zimmer-Fans etwas abgewinnen können.
Bleibt zu hoffen, dass das Synthi-Experiment in dieser Ausprägung nicht
nochmals wiederholt wird.
1.5, Basil
CINDERELLA
Patrick Doyle, Walt Disney Records
Überraschend und vielleicht etwas unerwartet erfolgreich war Kenneth Branaghs Märchenverfilmung Cinderella in den US-Kinos. Umso gespannter durfte man bei der Ausgangslage (Märchen, Branagh, Disney) auf den Score von Dauer-Branagh-Mitarbeiter Patrick Doyle sein, insbesondere nach der Enttäuschung mit Jack Ryan: Shadow Recruit (andere Baustelle). Was mit „A Golden Childhood“ zunächst zu hören ist, lässt die Erwartungshaltung steigen – über die vollen 27 Tracks (drei weitere sind für Songs reserviert), doch mehr als hübsch und nett wird Doyles Musik leider nicht. So sitzt man und lauscht und denkt sich „ja, aber jetzt, jetzt, jetzt muss es doch losgehen“. Und so sitzt und lauscht man und es geschieht nicht. Sicherlich, unsereins ist mit Doylschen Werken wie Henry V, Much Ado About Nothing oder Hamlet, alle drei mit Branagh erarbeitet, verwöhnt, vielleicht ist diese Latte zu hoch gelegt? Sei es wie es ist, Cinderella kommt nie auch nur in die Nähe, bleibt erstaunlich oberflächlich und substanzlos. Eine mittelgrosse orchestrale Enttäuschung.
2.5, Phil
AFTER THE WORLD ENDED
Nikolas Labrinakos, MovieScore Media
Der in London wohnhafte Grieche Nikolas Labrinakos wird vollmundig als „der
griechische Mozart“ bezeichnet. Also sind die Erwartungen für seinen ersten
Filmscore dementsprechend, doch soll man solche hochgesteckten Hürden
überpringen? Eher nicht mit After the World Ended, einer Musik für einen
Science Fiction Film, der 500 Jahre in der Zukunft spielt. MovieScore Media,
die eine Vorreiterrolle in der Veröffentlichung von Kompositionen eher
unbekannter Komponisten inne halten, schreibt: „…is a unique blend of the
symphonic and hybrid sound“. Nun, sinfonisches ist hier nur das, was versucht
sinfonisch zu klingen, denn Streicher, Chor & Co. kommen alle aus dem
Elektronikkasten und das ist deutlich zu hören. Hybrid passt besser, die
elektronischen Klänge, die nicht als Ersatz gedacht sind, klingen
dementsprechend besser, doch eigentlich vermag der Score auch den Typus „to
evoke the sound of the future“ nicht zu halten, wie Tracks wie „The Dream“,
„Finale“ zeigen. Alles andere als ein umwerfendes Debüt und den Eingangssatz
streichen wir vorderhand getrost aus dem Gedächtnis.
2, Phil
THE ABYSS
Alan Silvestri, Varèse Sarabande Club
Eine Musik, die uns fast durch die Lappen gegangen ist, was sie alles andere
als verdient hätte. Um The Abyss rankten sich wie bei so einigen
James Cameron Filmen schon vor dem Start Gerüchte: Teuer, Probleme beim Dreh,
eine Menge Wasser in den Ohren und anderswo. Doch ist The Abyss der
erwartet fantastische Film geworden, dem Camerons Detailversessenheit anzusehen
ist, der storymässig dicht und packend erzählt und toll gespielt wird (James
Caan, Michael Bien, Mary Elizabeth Mastrantonio). Alan Silvestris manchmal
martialische, dann wieder feine, mit Effekten besetzte Musik erhielt 1989 eine
48 Minuten Veröffentlichung bei Varèse. Manch einer beschlich stets das Gefühl,
obwohl die Platte gut sequenziert war, dass so einiges fehlte was dem Ganzen
den letzten Schliff hätte geben können. Den hören wir nun mit dem famosen 2014
Release, im Varèse Club Programm erschienen. Die 90 Minuten Score (insgesamt
gibt es mit den alternates und Co. 113 Minuten zu hören) zeigen in erster Linie
mehr Musik der elektronischen Seite, die in The Abyss eine ebenso
grosse Rolle spielte wie die fulminanten (aber bekannteren) Orchester- und Chortracks,
die insbesondere im Finale das Gerüst bilden, aber auch den Militärs und in den
spannenden Tracks den Stempel aufdrücken („MIRV Recovery/SEALs Return“, „He’s
Convulsing“, „Crashing Crane“).The Abyss taucht nicht umsonst in den Nennungen vieler
Fans in deren Silvestri Favoriten auf, es ist eine seiner Toparbeiten und man
darf es bedauern, dass Silvestri und Cameron nicht für weitere Filme
zusammengekommen sind. Die Varèse Club ist übrigens seit längerem ausverkauft
aber bei der grasierenden Wiederveröffentlichungswelle wird auch dieser Score
in nicht allzu ferner Zukunft wieder ein Label finden. Vielleicht dann auch mit
„improved sound“ und so…
5, Phil
3:10 TO YUMA
Marco Beltrami, La-La Land Records
Eine überraschende Oscarnomination (nur ein Jahr später folgte eine weitere
für The Hurt Locker) gab es damals für Marco Beltrami und seinen Score zu 3:10
to Yuma, Remake des 1956er Filmes (mit Musik von George Duning) mit Christian
Bale, Russell Crowe und einem Ben Foster, der den beiden grossen Namen beinahe
die Show stiehlt. James Mangolds Film ist näher am Original denn an der
ursprünglichen Kurzgeschichte.
Eine CD war seinerzeit bei Lionsgate erhältlich und deckte 47 Minuten ab.
Lala-Land veröffentlichte nun eine um 15 Minuten verlängerte Edition mit
ebenfalls 21 Tracks, allerdings in der Reihenfolge wie im Film zu hören. Dazu
kommen sieben weitere Stücken als Bonuse angehängt. 3:10 to Yuma klingt
anders als der aktuellere The Homesman, ist härter und besitzt zudem ein
unverhohlenes Spaghettiwestern Feeling. Wie auch bei Homesman verwendet
Beltrami eine kleine Besetzung und einige „authentische“ Instrumente wie
Mundtrommel, Gitarren oder Harmonium.
Wer die Lionsgate CD vor 8 Jahren hat stehen lassen, für den ist die Neue
sicherlich eine feine Sache.
3.5, Phil
LADYHAWKE
Andrew Powell, La-La Land Records
Andrew Powell hat sich einen Namen als Keyboarder bei Alan Parsons Project
(Parsons fungierte hier als Produzent und Toningenieur) gemacht, seine
Filmmusikkarriere hingegen war von eher kurzer Dauer. Das liegt ohne Zweifel an
seinem Erstling Ladyhawke, eine Fantasymär mit Rutger Hauer, Michelle
Pfeiffer und Matthew Broderick. Richard Donner war federführend damit Powell
engagiert wurde und verteidigt den Score bis heute, wie im Booklet zu lesen
ist. Demgegenüber stehen diverse Stimmen, aus dem Filmkritik- aber auch
Filmmusiklager, die Powells Musik als unpassende Melange aus seichten 80er
Fusion Rock-, traditionellen aber manchmal naiv gestalteten Orchesterklängen
und gregorianischen Gesängen erachten, eine Musik die weder im visuell starken
Film (fotografiert von Vittorio Storaro) noch als Musik per se funktioniert.
Powells Unerfahrenheit im Umgang mit dem Medium Film und im speziellen mit dem
Orchester ist allzu deutlich sicht- und hörbar, wobei der Fehler mit auf der
Seite des Regisseurs zu suchen ist, der das Problem erstaunlicherweise nie
erkannte. Ladyhawke hätte definitiv von einem Orchesterscore aus der
Feder eines Komponisten wie Goldsmith oder Williams profitiert, die zuvor für
Donner erfolgreich gearbeitet haben und würde heute nicht dermassen „veraltet“
und billig wirken.
La La-Land Records hat anfangs 2015 ein Doppelalbum veröffentlicht um die
gesamte Musik und unzählige Bonustracks abzudecken. Wer als nicht beinharter
Fan von Film und Musik die 128 Minuten durchhält, sollte die
Filmmusik-Tapferkeitsmedaille verliehen bekommen.
1, Phil
22.5.2015