von Basil Böni
Am 10. August 2018 veröffentlicht Sony Classical ein «Tribute»-Album für den Filmkomponisten James Horner, der am 22. Juni 2015 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist. Horner hätte am 14. August 2018 seinen 65. Geburtstag feiern können. Das Album enthält eine Auswahl bekannter Melodien von Horner, die vom Czech Philharmonic Orchestra und Solisten neu interpretiert wurden. Zu Ihnen zählt auch die Cellistin Tina Guo. Ein Interview.
Wo fühlst Du Dich wohler: in der klassischen Cellomusik oder in der Crossover-/Metal-Cello-Musik?
Ich mag es, an einer breiten Palette von Projekten und Musikstilen zu arbeiten. Aber momentan würde ich sagen, dass ich mich eher für Crossover- und Metal-Musikprojekte interessiere. Aber ich schliesse nicht aus, dass ich in Zukunft auch wieder vermehrt auf klassische Cello-Performance wechseln werde. Ich liebe es, in viele verschiedene Projekte involviert sein zu können und damit als Musikerin vielseitig zu bleiben. Ich denke, Country-Musik ist der einzige Musikstil, den ich bisher noch nicht praktiziert habe.
Wie bist Du zur Filmmusik gekommen?
Das war nicht geplant, wie ich sagen muss. Sehr früh in meiner Karriere habe ich Performances, die ich gemacht habe, gefilmt und auf YouTube hochgeladen. 2009 habe ich ein Video hochgeladen, in dem ich eine Neuinterpretation von Nikolai Rimsky-Korsakovs berühmtem Stück «Flight of the Bumblebee» aus dem 19. Jahrhundert gespielt habe. Hans Zimmer hat dieses «Queen Bee»-Video von mir gesehen und mich angerufen. Zu dieser Zeit wusste ich nicht einmal, wer Hans Zimmer war. Ich war so sehr in meiner «Metalwelt», dass ich nicht wusste, wer mich gerade angerufen hat (lacht). Aber dieser Anruf war der Ausgangspunkt meiner häufigen Zusammenarbeit mit Hans bei vielen verschiedenen Aufnahme- und Konzertprojekten. Es begann 2009 mit SHERLOCK HOLMES. Viele Projekte folgten und 2016 und 2017 konnte ich Hans und seine Band als Solistin auf deren weltweiten Tournee mit «Hans Zimmer – Live» begleiten. Hans wurde für mich wie ein «Bruder-Vater». Ich bin sehr dankbar hierfür.
Du hast an vielen Filmmusikprojekten mit einigen der gefragtesten Filmmusikkomponisten gearbeitet. Was bedeutet Dir die Filmmusik?
Was Filmmusik so interessant macht, ist, meiner Meinung nach, dass sie alle Arten von Musikgenres und -stile umfasst. Es ist ein Genre für sich, aber es ermöglicht den Komponisten und Musikern, mit allen Arten von musikalischen Formen und Stilen zu arbeiten. Immer abhängig davon, was der Film braucht. Und es gibt Raum für Innovation, Experimentieren und Improvisieren. Das ist es, was ich daran liebe.
Eines Deiner neuesten Projekte ist ein Solopart auf dem kommenden Album «James Horner – The Classics» (siehe Details unten), das im August erscheinen wird. Wie bist Du in dieses Projekt involviert worden?
Ich wurde vom Produzenten Chris Craker kontaktiert. Er produzierte letztes Jahr das Album «Hans Zimmer – The Classics» [erschienen bei Sony Music, Januar 2017]. Ich habe mit ihm bereits für dieses Album zusammengearbeitet und das Stück «Time» von INCEPTION (2010) neu interpretiert. Diese Zusammenarbeit hat uns beiden gut gefallen und glücklicherweise hat er mich jetzt für sein neuestes Projekt, von dem ich sehr begeistert bin, wieder angefragt.
Laut Deiner Biografie hast Du nicht mit dem Komponisten James Horner zusammengearbeitet. Was verbindet dich mit seiner Musik?
Zugegeben, ich hatte leider keine Gelegenheit, mit ihm zu arbeiten. Ich kannte die Arbeit von Hans Zimmer im Jahr 2009 noch nicht, ich wusste auch nicht viel von der Musik von James Horner. In der Zwischenzeit bin ich natürlich mit seiner Musik viel vertrauter und diese ist sehr berührend und hinreissend.
Du bist auf diesem Album mit einer Interpretation von zwei Themen vertreten, die er für COCOON (1985) und AVATAR (2009) geschrieben hat. Hast Du diese Auswahl getroffen?
Ja stimmt. Ich habe Solo-Teile des «Main Theme» für COCOON und eine instrumentale Version von «I See You» von AVATAR aufgenommen. Ich war jedoch nicht in die Auswahl der Stücke involviert, oder habe diese beiden speziell auswählen können. Aber es war eine grossartige Erfahrung, sie zu studieren und aufzunehmen. Das sind zwei erstaunliche Stücke – so berührend, lyrisch und zauberhaft.
Du bist ein sehr gefragter Musikerin, komponierst selbstständig, hast Deinen eigenen String-Accessoires-Shop gegründet (Tina Guo Strings, http://tinaguostrings.com/). Gibt es ein noch nicht begonnenes Traumprojekt für Dich?
Ein eigentliches Traumprojekt habe ich nicht. Aber wenn ich die Zeit finde, würde ich gerne zu einem älteren Projekt zurückkehren und vielleicht an einer aktualisierten, erweiterten Version arbeiten. Im Jahr 2015 habe ich eine akustische Cello-Sample-Library veröffentlicht (für CineSamples, cinesamples.com). Ich erweiterte es um elektrisches Cello und Erhu. Aber ich möchte diese Sample-Library tatsächlich eines Tages überarbeiten. Ich habe in den letzten Jahren so viele Einsichten und Erfahrungen gesammelt, dass ich mehr Potenzial in dieser Library sehe, die mit einer neuen und aktualisierten Version erstellt werden könnte.
Du hast einen Vertrag für vier Alben mit Sony Masterworks unterschrieben. «Game On!» war eines der Alben, nehme ich an? Was kommt als nächstes?
Ja, das stimmt. Ich kann noch nicht allzu viel über mein nächstes Album erzählen, aber ich bin besonders begeistert, weil ich mich für dieses neue Album nicht mit bereits existierender Musik auseinandersetze, sondern es wird aus Stücken bestehen, die ich selbst komponiert habe. Ich bin sehr gespannt, wie das herauskommt (lacht). Ich freue mich sehr darauf. Ich hoffe, es klappt gut und Sony wird mir auch in Zukunft die Möglichkeit geben, meine eigene Musik zu veröffentlichen (lacht).
Du hast einen Bachelor in metaphysischer Theologie mit einem Schwerpunkt auf östlicher Philosophie. Gibt es in Deinem Leben noch Raum für Theologie und Philosophie?
Momentan nicht viel, nein (lacht). Aber die Studien gaben mir grossartige Einblicke in universelle Themen. Ich bin mir sicher, dass diese Einsichten mich auch zu der Person und dem Musiker gemacht haben, die ich jetzt bin.
Zur Person Tina Guo
Tina Guo (* 1985) ist Cellistin aus Los Angeles, Kalifornien. Während ihrer noch jungen, aber schon beeindruckenden Karriere verfolgte sie das Spiel in vielen verschiedenen Genres. Als klassisch ausgebildete Cellistin hat sie sich in den letzten Jahren mehr mit Metal und elektronischer Musik beschäftigt und experimentiert gerne mit ihrem Instrument – oft auch mit elektrischem Cello – und mit verschiedenen Stilen. Sie ist als Solistin auf vielen kürzlich veröffentlichten Soundtracks zu hören; u.a.: WONDER WOMAN, SHERLOCK HOLMES, INCEPTION, IRON MAN 2, BATMAN VS SUPERMAN, PIRATES OF THE CARIBBEAN: ON STRANGER TIDES, BOSS BABY und THE MONKEY KING 2 – um nur einige ihrer jüngsten Engagements im Bereich der Filmmusik zu nennen. Sie ist Teil der Band, die mit Hans Zimmer auf seiner «Hans Zimmer – Live»-Tour aufgetreten ist. Mit dem Album «Game On!» veröffentlichte sie ihr siebtes Album ausserhalb ihrer zahlreichen Soundtrack-Aufnahmen.
Mehr über Tina Guo auf www.tinaguo.com, youtube Video, Facebook Video
Über «James Horner – The Classics»
Reinterpretationen bekannter Melodien von James Horner vom Czech Philharmonic Orchestra und den Solisten The Piano Guys, 2CELLOS, Lindsey Stirling, Alexis Ffrench, Tina Guo, Amy Dickson, Lavinia Meijer, David Elton und Craig Ogden.
Die Track-Liste:
- My Heart Will Go On (aus TITANIC): 2CELLOS 5:44
- Rooftop Kiss (aus THE AMAZING SPIDER-MAN): Lavinia Meijer 3:10
- Willow’s Theme (aus WILLOW): Amy Dickson 3:28
- Theme from Cocoon (aus COCOON): Tina Guo 4:43
- Main Title (aus STAR TREK II: THE WRATH OF KHAN) 3:09
- I See You (aus AVATAR): Tina Guo 4:41
- Field of Dreams (aus FIELD OF DREAMS): Craig Ogden 5:52
- Somewhere Out There (aus AN AMERICAN TAIL):
Amy Dickson & Lavinia Meijer 4:13 - For the Love of a Princess (aus BRAVEHEART): 2CELLOS 5:12
- The Ludlows (aus LEGENDS OF THE FALL): Lindsey Stirling 4:53
- Jake’s First Flight (aus AVATAR): The Piano Guys 3:27
- Boys Playing Airplanes (aus THE BOY IN THE STRIPED PAJAMAS):
Alexis Ffrench 4:35 - Main Title (aus APOLLO 13) 6:29
- Briseis and Achilles (aus TROY): Lindsey Stirling 4:43
Das Album wird am 10. August 2018 bei Sony Classical veröffentlicht. Album von Chris Craker produziert.
Vielen Dank an Tina Guo für das Interview und an Martin Korn von Sony Music Switzerland, Label Manager Classical Music.
Basil, 5.8.2018