Review aus The Film Music Journal No. 15, 1998
Endlich ist sie da, die langangekündigte Marco Polo-CD mit zwei Ersteinspielungen bedeutender Filmpartituren Bernard Herrmanns. Und das Warten hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Von den beiden Gary Cooper-Western des Jahres 1954 ist VERA CRUZ der bekanntere, GARDEN OF EVIL aber der weitaus bessere, ein dramatischer, mit Könnerschaft inszenierter Thriller über eine Kleingruppe, die sich aufmacht, um Susan Haywards Mann im Indianergebiet zu suchen und zu retten. Der will aber gar nicht gerettet werden, und die geldgierige Gruppe wird auf dem Rückweg dezimiert, bis nur noch das Paar Hayward/Cooper übrigbleibt; sowie Richard Widmark, der als Spielernatur zwischen Zynismus und Humanismus eine neurotische Galavorstellung abliefert, ehe er sich freiwillig opfert, um allein einen Paß gegen die nachrückenden Rothäute zu verteidigen.
Ein revisionistischer Film mit Indianerperspektive ist GARDEN OF EVIL keineswegs. Er fehlt in Auflistungen der bedeutenden Western ebenso regelmäßig wie Henry Hathaways anderes Meisterstück in diesem Genre, FROM HELL TO TEXAS (1958). Beide entfalten das Paradox aus panoramatischer Landschaftsfotografie und klaustrophobischer Bedrängung. Gemeinsam ist ihnen aber auch ein jenseits der musikalischen Westernsprache jener Zeit angesiedelter Score. Daniele Amfitheatrof – er betreute den späteren Film -sollte auch mal einen Sampler mit seinen besten Werken bekommen. In Bernard Herrmanns Diskographie hingegen schließen sich allmählich die verbleibenden Lücken. Wer bislang nur das Vorspiel auf einer Tsunami-CD sein Eigen nennen konnte, wird nun mit der kompletten, in 39 Cues aufgeteilten Filmmusik zu GARDEN OF EVIL verwöhnt. Herrmanns Beiträge zum Western-Genre beschränken sich auf diesen Film, THE MEN FROM KENTUCKY sowie einige sehr engagierte TV-Serienarbeiten, u.a. zu THE VIRGINIAN.
Wie man sich denken kann, hat er auch hier kaum typische Genrefarben und -rhythmen aufgelegt, sondern sich an der dramatischen Situation orientiert. Zwar verrät der Habanera-Rhythmus in Siesta u.a. den südwärts gerichteten Blick, ansonsten herrschen aber die typischen Herrmann-Figurationen vor. Das Hauptthema sollte man einmal mit John Williams› Poseidon Adventure vergleichen und sehen, wie zwei Könner aus einem ähnlich gestrickten Einfall extrem verschiedene Main Titles entwickelt haben. Viele der meist kurzen Herrmann-Piecen sind atmosphärische Umhüllungen für die Odyssee der kleinen Reisegruppe durch unwegsames Indianergebiet. Der meist abgeflachte Grundrhythmus und ausgedehnte Akkordfelder weisen – zumal in der recht konventionellen Instrumentierung – zweifellos jeden Identifikationsversuch ab. Keine romantischen Aufwallungen wie in JANE EYRE, keine Tristan-Harmonik wie in VERTIGO, aber auch keine eingängigen Patterns, nein: Herrmann verläßt sich überwiegend auf den Klang und die schwadigen, hier und dorthin gewehten Melodiefragmente, welche eigentümlicherweise manchmal an GHOST AND MRS. MUIR erinnern (so in Fuller’s DEVOTION).
Wem das alles trotz des tiefsinnig-elegischen Nocturne (Nr. 20) alles nicht behagt, der wird die gut elf Minuten aus PRINCE OF PLAYERS, einer filmischen Biographie des Bühnenschauspielers Edwin Booth, zweifellos als zugänglicher empfinden. Herrmanns musikalische Kulisse besitzt eine geradlinige, diesseitige Kontur, wie er sie nur selten für angemessen gehalten hat. Endlich kommt einmal seine ausgeprägt anglophile Neigung durch, es prunkt und funkelt, aber immer wieder wird der Hörer zwischendurch daran erinnert, wem er diese Musik verdankt. Es spielt in dieser digitalen Aufnahme das erprobte Moskauer Symphonieorchester. Das bebilderte Booklet ist dem Wert der Edition angemessen, nur die Frontseite verbreitet den künstlichen Colorsalat einer billigen Farbkopie, wie sie manche illegale CD als Frontispiz voranträgt.
Matthias | 1998
THE GARDEN OF EVIL
PRINCE OF PLAYERS
Bernard Herrmann
Marco Polo
63:24 | 47 Tracks