Jerry Goldsmith Varèse Sarabande VCL 1209 1102 46:31 Min. / 18 Tracks Limitiert auf 3000 Stk.
Ins Golden Age gehört Goldsmiths FREUD ja eigentlich kaum… trotzdem haben wir diesen experimentellen Score auf Grund seines Entstehungsjahrs in diese Sektion unterteilt.
Etwas überraschend war es schon als Varèse im Club eine der Filmmusiken von Jerry Goldsmith, die für den Komponisten ein immens wichtiger Schritt in eine lange Filmmusikkarriere war, herausbrachte. Mit FREUD holte Goldsmith, wie sicher bekannt ist, seine erste Oscarnomination und war spätestens damit und mit seinem Score zu LONELY ARE THE BRAVE (gleiches Jahr) in aller Munde.
Der Film von John Huston über den Arzt, der die Psychotherapie revolutionierte, bot Goldsmith die Gelegenheit für einen Kinfofilm tief im Experimentierkasten zu kramen, etwas was Goldsmith nur allzu gerne nutzte und was er in seinen Jahren bei Funk und Fernsehen aus dem Effeff gelernt und angewendet hat.
Von Citadel gab es Ende der 70er Jahre eine 31 minütige LP, die von Tsunami 1994 übernommen wurde. Die 46 Minuten Fassung von Varèse nun stellt die sicherlich interessanterere Fassung dar und auch tonqualitativ steht sie um einiges besser da.
Mit dem Main Title setzt Goldsmith die Vorgaben für das was kommen wir: Eine expressionistische, atonal gefärbte Komposition, die in ihrem Ausdruck und der verwendeten Techniken nicht unähnlich ALIEN ist, der fast 30 später geschrieben wurde. Das kommt nicht von ungefähr, denn zum Schrecken des Komponisten wurde ihm später bei ALIEN ein Schnitt gezeigt, der Teile mit FREUD als temp track nutzte. Scott, alles andere als ein einfacher Filmemacher wenn es um die Musik geht, vernarrte sich derart in diese Musik, dass im fertigen Film immer noch Segmente daraus zu hören sind.
Nebst Streichern, Harfe, Klavier, Hapsichord und Holzbläsern verwendet Goldsmith elektronische Beigaben, die wabbernde und hypnothische Töne von sich geben, aber nicht in penetranter Art und Weise sondern geschickt in den Klangappaat eingebunden. Hauptaugenmerk liegt allerdings auf den Streichern, die in vielen Facetten und vielfältiger Spielweisen benutzt werden um in die Seele von Freud, seinen Patienten und des Films zu blicken.
Ein auffallendes Element ist ein Lullaby, das wir desöfteren zu hören bekommen (u.a. in Thirsty Girl, Cecily and the Dancer). Oft prominent mit der Musikbox artigen Celesta, von der Harfe gespielt oder als piccicato eingesetzt, mal etwas dramaturgischer und versteckter eingebunden in die Partitur.
Es herrschen wie erwähnt die dunklen, manchmal düsterere Erinnerungen assozierenden Momente, nein, eigentlich ist das falsch ausgedrückt. FREUD ist ein traumatisch anmutender Score. Darauf ist der Film und die Musik ausgerichtet und darauf sollte man sich gefasst machen.
Die CD, so würde ich behaupten wollen, wird all jenen gefallen, die zuletzt SECONDS bewunderten, die dem kühlen ALIEN und den schleichend dunklen Passagen aus THE OMEN (Freud’s Trauma, Return to Red Tower insbesondere, wo wir auch sehr schnell an POLTERGEIST denken) zugeneigt sind oder auch Howard Shore psychologisch in sich gekehrten Arbeiten (passt ja thematisch…) etwas abgewinnen können. Düsterere, wenig bis kaum thematische oder mehr auf Motivfetzen gemünzte Angelegenheiten eben. Und mit 47 Minuten passt die Musik auch von der Länge her bestens für einen gesunden therapeutisch effektiven Hörgenuss ohne billige Stilmittel. Wobei Genuss hier sicherlich ein auslegbarer oder doch recht subjektiver Begriff ist. Sicher ist die Musik ebenso geniessbar wie die oben erwähnten Titel.
Die CD ist auf 3000 Stück limitiert, die Liner Notes stammen von Julie Krigo und sind für so ein wichtiges Werk im Oeuvre Goldsmiths halt einfach nicht genügend. Man würde sich ein wenig mehr Liebe zum Produkt wünschen. Meine CD hat übrigens in Track 15 gegen Ende einen merkwürdigen Sprung in der Lautstärke. Ich weiss nicht, ob das ein Fehler bei allen oder nur einigen CDs ist.
Phil, 17.1.2010