Bei FALSTAFF (1965, Alternativtitel CHIMES AT MIDNIGHT) handelt es sich um die zweite von drei Shakespeare-Verfilmungen, bei denen Orson Welles auf die musikalischen Dienste von Angelo Francesco Lavagnino zählten durfte. Für die Handlung bediente er sich verschiedener Werke Shakespeares, wie «Heinrich lV.», «Heinrich V», «Richard ll» und «Die Lustigen Weiber von Windsor». Den Titelhelden – ein wohlbeleibter, trink- und raufsüchger Soldat, der in Hofintrigen und daraus resultierende, kriegerische Handlungen verwickelt wird – spielt Welles selbst.
«Nicht Rózsa», betonte Welles, als er die Musik beschrieb, die er für seinen Film haben wollte. Damit meinte er wohl, dass ihm für seinen Schwarzweiss-Film etwas Bescheideneres als die überlebensgrossen Technicolor-Klänge Rózsas vorschwebte. Nichtsdestotrotz hatte Lavagnino bei FALSTAFF etwas mit seinem ungarischen Kollegen gemein, denn auch er liess sich von authentischer Musik der Periode inspirieren, bei deren Bearbeitung sind beider Ansätze denn aber doch verschieden, wie sich gerade am Beispiel mittelalterlicher Musik ersehen lässt, wo Lavagnino auf die Wirkung einfacher Harmonie und Instrumentierung zählt, die die damalige Strassenmusik auszeichnete.
Diese bildet denn auch das erste von drei Grundelementen des Scores. Beim zweiten handelt es sich um Hofmusik, beim dritten um die handlungsbezogene Dramatik. Auch bei der Präsentation lassen sich diese Elemente leicht unterscheiden. Die mittelalterliche Komponente wird vor allem den Holzbläsern anvertraut, die Hofmusik im Stil der frühen Renaissance dem Blech und die deutlich moderner gehaltene Dramatik den Streichern, wohingegen die Perkussion praktisch allgegenwärtig ist. Für zusätzlichen Reiz sorgen ein paar Chor-Einlagen.
CAM präsentierte im Laufe der Jahre rund 40 Minuten aus FALSTAFF auf LP und CD. Ein wenig Zusatzmaterial bekam man 2017 von Alhambra auf deren Lavagnino/Welles-Album. Nun liefert Quartet-Records zum einen das ursprüngliche CAM-Programm auf CD 1, während CD 2 den kompletten, 68-minütigen Score beinhaltet, wobei «komplett» bedeutet, dass auch alternative Versionen im wohl chronologischen Ablauf mitenthalten sind. Leider geht Frank K. DeWald im ansonsten sehr informativen Booklet mit keinem Wort auf diese Präsentation ein, die sich von der gekürzten Version nicht nur dahingehend unterscheidet, dass sie mehr Material im dramatischen, vor allem kriegerischen Bereich zu Gehör bringt, sondern wohl die alten Tracks zum Teil auch splittet.
Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass Quartet mit diesem Lavagnino wieder einen rausgehauen hat, der nicht nur Fans des Komponisten, sondern auch Liebhaber exzellent gemachter, historischer Filmmusik begeistern dürfte.
Andi, 24.8.2021
FALSTAFF
Angelo Francesco Lavagnino
Quartet Records
CD 1:
41:18 Min. / 19 Tracks
CD 2:
68:01 Min. / 39 Tracks