Diane

Review aus The Film Music Journal No. 33/34, 2005

Eine meiner ersten Rózsa-Filmmusik-LPs nach dem Erwerb von EL CID (1961) und BEN HUR (1959) war Ende der 70er Jahre der erste der drei vom Komponisten selbst mit dem Royal Philharmonic Orchestra eingespielten Polydor-Sampler mit dem Titel «Miklós Rózsa Conducts His Great Film Music». Darauf befand sich ein Titel, der für mich eine Offenbarung darstellte und der mir bis heute unvergessen geblieben ist, nämlich das Finale aus dem mir damals noch unbekannten Kostümfilm DIANE von 1955. Selbstredend waren auch die anderen Suiten dieser LP ganz nach meinem Gusto und wurden mit Begeisterung gehört, doch gerade dieses eine Stück mit einer Länge von knapp sechs Minuten stellte für mich mit seinem leidenschaftlichen Liebesthema, das sich insgesamt viermal in kanonartiger Weise mit Streichern und Bläsern schmachtend und tragisch hochschraubt, den Inbegriff von Grandeur und romantischer Apotheose dar.

In der Tat ist dieses ausdrucksstark sich emporschwingende Thema, in dem sowohl Hoffnung wie Resignation mitschwingt, eine Art unendliche Melodie im Sinne Richard Wagners, die sich ewig so weiterspinnen ließe. Und ohne mit der Wimper zu zucken würde ich auch heute noch dieses nachgespielte Finale in die Top Ten meiner filmmusikalisch meistgeliebten Einzeltracks einordnen. Daß Rózsa diese ganze Schlußpassage des im Frankreich des 16. Jahrhunderts angesiedelten Historien-Epos um Diane von Poitiers, die Mätresse des späteren Königs Henri II, für das Polydor-Album konzertant ausgearbeitet und zudem durch das langsamere Tempo noch genußvoller ausgekostet hat, merkt man erst beim Sehen des eher durchschnittlichen Films bzw. auf der jetzigen, opulent aufgemachten FSM-Doppel-CD, wo im musikalischen Schlußteil (Track 24) die Zeit einfach zu sehr drängt und Rózsa dazu gezwungen ist, das Tempo unbarmherzig anzuziehen und über die Melodie sozusagen hinwegzufegen.

Hier zeigen sich zur Abwechslung eben doch mal die Vorteile einer exzellent gelungenen Neuinterpretation, auf die man selbst angesichts des traumhaften Doppelalbums, auf dem sogar noch alle vorhandenen Alternativ und Erst-Versionen der einzelnen Tracks sowie Source-Musiken (insgesamt ergibt das ca. 60 Minuten) in archäologischer Akribie angefügt wurden, nicht verzichten kann.

Natürlich ist die auf CD 1 in einer Länge von mehr als 70 Minuten vorliegende vollständige Originalaufnahme (in der chronologischen Reihenfolge des Films) eine gloriose Sternstunde episch zupackender Filmmusik, bei der der durch IVANHOE (1952), KNIGHTS OF THE ROUND TABLE (1953) oder YOUNG BESS (1953) in puncto Historienfilm damals bereits überaus sattelfeste Komponist sozusagen aus dem Vollen schöpfen konnte. Heroische und majestätische Fanfaren, vorwärtsdrängende Rhythmen, wuchtige Dramatik, innig-gefühlvolle Romantik und dazu höfische Tänze mit einem authentisch wirkenden Renaissance-Kolorit wechseln sich in formvollendeter Manier in dieser farbenprächtigen Partitur ab und lassen qualitativ keine Wünsche offen.

Besondere Bedeutung kommt dabei natürlich dem bereits erwähnten prachtvollen DIANE -Thema zu, das Rózsa in raffinierten Variationen im Laufe des gesamten Scores immer wieder heranholt und mit dem er sowohl die Noblesse als auch die unerfüllte Sehnsucht der von der wunderschönen Lana Turner gespielten Hofdame in berückende Töne umsetzt. Dianes Rivalin Katharina von Medici dagegen stattet er mit einem weitgespannten, stolzen und unnachgiebigen Thema aus und liefert damit eine exzellente psychologische Ausdeutung der intriganten und skrupellosen Regentin. Eine Fülle von mindestens einem halben Dutzend weiterer Nebenthemen und selbst geisterhaft verfremdete mystische Chöre für die Prophezeiungsszenen weiß Rózsa in seine Komposition einzuflechten und ihr dadurch ein vielgestaltiges, komplexes Gepräge zu verleihen. Dabei ist die motivisch-thematische Arbeit ebenso wie die melodische Inspiration auf allerhöchstem Niveau angesiedelt.

Der in sattes spätromantisches Orchestergewand eingebettete musikalische Fluß kommt über die gesamte Spieldauer kaum einmal zum Stillstand, so daß DIANE zu den intensivsten und auch bewegendsten Tonschöpfungen im Rózsa-Oeuvre gezählt werden darf.

Im Vergleich zum bisherigen sehr matt und dumpf klingenden Bootleg von DIANE hat die FSM-Edition klar die Nase vorn und bietet einen sauberen Stereoklang, der nur an wenigen Stellen von ein paar nicht besonders ins Gewicht fallenden Tonschwankungen leicht beeinträchtigt wird. Die zweite CD, die zudem noch nicht verwendete zusätzliche Stücke aus PLYMOUTH ADVENTURE (1953) und MONFLEET (1955) enthält, die sich nicht auf den bereits veröffentlichten FSM-CDs befanden, besitzt dagegen hauptsächlich rein dokumentarischen Wert.

Stefan  |  2005

DIANE
Miklós Rózsa
FSM Vol. 7 No. 3
CD 1: 71:37 | 25 Tracks
CD 2: 77:43 | 32 Tracks