Deadpool ist das was andere Superhelden nicht sind, die wir fast im Vierteljahrestakt serviert bekommen. Er ist hinterhältig, fies, zynisch und das einzige was ihn antreibt ist Rache. Und doch ist er der good guy, naja, fast.
Um den Krebs zu besiegen, lässt sich Wade Wilson, einstiger Special Forces Söldner, auf ein Experiment ein und verlässt seine Verlobte, in der er ein Pendant zu seinem schrägen Humor gefunden hat. Doch eigentlich will Ajax, Oberfiesling, aus den Probanden einfach Mutanten und damit Kohle machen – wenn es denn klappt mit der Mutation, denn die Probanden sind eher Laborraten. Der Versuch funktioniert bei Wade, doch sein Äusseres wird entstellt und so wagt er es nicht mehr, sich seiner Freundin zu zeigen und sinnt als in schwarzrotem Leder gekleideter Deadpool, nicht Captain Deadpool, auf Rache gegen seine Peiniger.
Nein, eigentlich rein storymässig nichts Neues im Comicsladen. Das Erfrischende an Deadpool ist der alles andere als jugendfreie Humor (der Film war in den USA R-rated), in dem sich das Kinopublikum scheinbar suhlte, immerhin spielte der Film als erster R-Film in den USA am Startwochenende über 100 Mio. Dollarchen ein und war auch danach einige Zeit an der Spitze des Box Office zu finden. Mit seinem weltweiten über 700 Mio. $ Einspielergebnis katapultierte er sich unter die 100 Geld trächtigsten Filme aller Zeiten, nicht schlecht für ein 58 Millionen Budget eines Regieerstlings, Tim Miller, plus einem Hauptdarsteller, Ryan Reynolds, der einen ganzen Strang veritabler Flops hinter sich hat – und: für diese Summe ist heute kein Superheldenfilm mehr zu kriegen.
Man kann sich kaum vorstellen, wie viele der (nicht immer lustigen und mit der Zeit auch ermüdenden) Wortspielereien und wie der Fäkalhumor, den insbesondere die Amis total Spitze fanden, in der eingedeutschten Fassung funktionieren sollen. Nicht zuletzt deswegen und der massig zu hörenden In-jokes wegen ist es eigentlich ein Muss Deadpool im Original zu schauen – hier haben sich die Drehbuchschreiber, von denen u.a. auch Zombieland stammt, wirklich nicht zurückgehalten. Auch der Erzählstil mit seinem Wechsel von Gegenwart in die Vergangenheit und wieder hin und her, verleiht dem Film durchaus Erfrischendes.
Das Problem ist: Irgendwann hat man es auch hier „gesehen“. Die Zeitlupenorgie zu Beginn, der nicht sonderlich interessante Bösewicht, die Love Story, hübsch zu Beginn, eintönig zum Schluss, der wie so oft alles übertrumpfen wollende, finale Kampf (wow, das wäre mal was, wenn eine Comicsverfilmung nicht damit enden würde) und so mancher von Deadpools Weggenossen (Colossus und Negasonic Teenage Warhead sind für die goldene Zitrone als langweiligste Supies 2016 vorgemerkt).
Kommen wir zu Tom Holkenborg, denn man auch als Junkie XL kennt und dessen Filmmusiktätigkeit, ich gestehe es, bisher ausnahmslos an mir vorüberzog: Nebst den vielen, vielen Songs spielt seine Musik mindestens die dritte Geige und so ist von seinen gut gemeinten Fairlight, Synclavier und anderen 80er Jahre Sounds kaum was zu vernehmen. Wer genauer reinhören möchte, kann sich aber gleich bei zwei CDs bedienen, wusste doch Milan die Zeichen der Zeit zu erkennen und liess dem offiziellen Soundtrack (Score und Songs) eine „more music from“ folgen, auch hier mit Songs plus Filmmusik.
Fazit: In Teilen wirklich frischer, durchaus düsterer Actioncomicsfilm im X-MenUniversum angesiedelt mit einem ganz witzigen Titelspann, für zartere Gemüter nicht zuletzt auf Grund seines Humors und der durchaus blutrünstigen Machart allerdings weniger geeignet. Mag man jedoch die CGI Exzesse à la Captain America & Co. nicht mehr sehen und hat etwas für hämische Superhelden übrig, ist Deadpool durchaus eine gute Alternative. Die Zeichen der Zeit haben die Macher hier vielleicht erkannt?
Phil, 23.6.2016
DEADPOOL R: Tim Miller D: Ryan Reynolds, Ed Skrein, Morena Baccarin u.a. Musik: Tom Holkenborg Verleih: Fox Erscheinungsdatum: 8.6.2016