British Film Music Vol. 1, British Film Music Vol. 2, Spellbound-Great Film Themes

Review aus The Film Music Journal No. 25, 2001

Wer sich für ältere Filmmusik interessiert, wird seine Regale mit Korngold, Steiner & Co. gefüllt haben. Die reiche Ernte der letzten Jahre hält einen auch davon ab, bei jeder neuen FSM-Veröffentlichung aufzustöhnen und die zu geringe Auswahl klassischer Scores zu beklagen. Dabei sieht es, blickt man über Amerika hinaus, gar nicht so gut aus, was die dreißiger bis fünfziger Jahre anbelangt. Ob Frankreich, Spanien oder Japan: allzuviel kann man da nicht verpaßt haben, seit es die CD gibt. In England wiederum sieht es nur scheinbar besser aus, denn schon häufiger waren Sampler mit ausgewählten Themen bekannter britischer Komponisten erhältlich, und das Label Chandos hat gerade in jüngster Zeit mit britischer Filmmusik von Walton, Auric, Rawsthorne und Arnold einigen Boden gut gemacht.

Trotzdem: es genügt die Frage, was man als anglophiler Sammler kennen sollte, um eine tiefe Sorgenfalte auf die Stirn zu malen. Zu wenige Werke der ersten Jahrhunderthälfte haben Kultstatus errungen, und die Originalbänder der Kompositionen von Britten, Walton oder Parker sind verschollen. So muß der Hinweis auf drei neue Sampler genügen, die zwar nicht die Originalsoundtracks anbieten, wohl aber Einspielungen aus der Entstehungszeit der Filme. Verantwortlich für die Editionen sind zum einen ein obskures Label namens Memoir, zum anderen das legendäre Klassiklabel Pearl. Legendär? Ja, denn Pearl ist bekannt für seine Schallästhetik, die im Unterschied zum Cedar-Verfahren mit seinem rauschfreien, aber klinischen Sound darauf verzichtet, die Bänder aufzupolieren, dafür aber ein natürliches Klangbild erzielt, welches natürlich entsprechend rauscht und knackt. Viele Klassiksammler historischer Aufnahmen ziehen diese Versionen den Alternativen anderer Firmen vor. Die Filmmusik-CDs ernteten jedoch im Internet heftige Kritik von Fans, die sich unter einem «natürlichen Klangbild» offenbar nichts vorstellen konnten.

BRITISH FILM MUSIC Vol. I versammelt Musik aus sieben Filmen, darunter längere Auszüge aus dem Ballettfilm THE RED SHOE (Brian Easdale) und sieben Stücke aus Ralph Vaughan Williams’ berühmter Südpol-Musik SCOTT OF THE ANTARCTIC, die man in dieser Vollständigkeit sonst nirgends bekommt, es sei denn, in ihrer konzertanten Erscheinung als Symphonie Nr. 7. Arnold Bax gibt sich ebenfalls ein Stelldichein, mit seiner exquisiten Musik zu einer grandiosen Dickens-Verfilmung: OLIVER TWIST war nie wieder so gut auf der Leinwand wie in der düsteren, mit einer morbiden Einleitung beginnenden Verfilmung des Jahres 1948. THE OVERLANDERS (Ireland), MEN OF TWO WORLDS (Bliss) und WHILE I LIVE (Williams) mit einem der sentimentalsten Themen aller Zeiten, schließen sich an: Wer «The Dream of Olwen» hören möchte, sollte die Taschentücher bereithalten.

BRITISH FILM MUSIC Vol. 2 beginnt mit der Reprise einer der ersten orchestralen Tonfilmmusikschallplatten: Arthur Bliss’ THINGS TO COME (1936) wurde seinerzeit von der Decca auf mehreren Schellackplatten veröffentlicht und stellt einen historischen Meilenstein dar, der sich doch gut in der Sammlung macht. Knapp 25 Minuten sind hier vertreten. Vaughan Williams folgt mit COASTAL COMMAND und dem elgar-nahen, hymnisch-schönen Epilog aus 49TH PARALLEL, den man nicht kennt, wenn man ihn in der lausigen Neuaufnahme von Marco Polo gehört hat. Militärischer gibt sich Bax› MALTA G.C., ehe das Prunkstück des britischen Filmklavierkonzertes serviert wird. Zu den ewigen «guilty pleasures» gehört Richard Addinsells «Warsaw Concerto» aus DANGEROUS MOONLIGHT allemal. Von wem stammt bloß das Bonmot «Zu sagen hat er nichts, aber das sagt er schön»?

Der Klappentext behauptet steif und fest, dies sei die Originalaufnahme des Films. Tatsache ist allerdings, daß das Konzert im Film nie vollständig gespielt wird. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, jede Anschlußstelle zu vergleichen, meine jedoch, daß es unmöglich dieselbe Aufnahme sein kann. Allerdings wäre es möglich, daß ein anderer Take der Einspielsitzungen für die Platte genommen wurde. Wie auch immer, das Warschauer Konzert war stets ein Kernstück des britischen Filmmusikrepertoires. Offenbar auch für Hubert Bath, denn das romantische Thema seiner «Cornish Rhapsody» aus LOVE STORY gleicht dem Vorgänger bis aufs Haar. Fehlen noch das intime Seebild aus Western APPROACHES (Parker), THEIRS IS THE GLORY (Warrack) und nochmals Vaughan Williams mit der STORY OF A FLEMISH FARM.

Alle Aufnahmen können ihr Alter, ein halbes Jahrhundert und mehr, nicht verbergen, doch die Qualität der Musik spricht für sich. Ich habe nie verstanden, daß manche Sammler ältere Aufnahmen nur deshalb meiden, weil sie klanglich nicht auf dem Stand der Zeit sind. Hi-Fi-Qualität kann man zu jeder Zeit haben, exquisite Musik wie diese jedoch nicht immer in entsprechender Verfassung.

Die Memoir-CD verdoppelt das Repertoire zunächst, denn WHILE I ILIVE, THE RED SHOES und die Klavierkonzerte von Addinsell bzw. Bath sind ebenfalls vertreten. Als Titelgeber fungiert Miklós Rózsas «Thema» aus seinem «Spellbound Concerto» in der x-ten Coverversion. Schade, daß niemand imstande zu scheint, hier einmal das Original auszugraben. Was soll man mit vier Minuten? Ebenfalls zu wenig, aber schon in der Kürze süchtig machend: Nino Rotas unvergeßliche Musik zu THE GLASS MOUNTAIN (1949), ein ganz früher Score des international tätigen Italieners. Und aus dem gleichen Jahr gesellt sich ein bißchen Wiener Zithermusik dazu. Wer anders könnte das sein als Anton Karas mit seinem THE THIRD MAN-Sound?

Insgesamt ist diese CD die eingängigste von den dreien. Dafür sorgen neben den genannten Stücken der Schmachtfetzen wie THE WAY OF THE STARS (Brodsky) und die Auszüge aus Werken Williams Waltons: zwei kurze Stücke aus HENRY V und dann acht unwiderstehliche, heroische Minuten der Spitfire-Musik aus THE FIRST OF THE FEW, wo sich das gesamte britische Empire zu versammeln scheint. Es ist vielleicht nicht die typischste Musik Waltons, da dieser Sound bereits eine Generation vor ihm Besitz von der Welt ergriff; er beherrscht ihn aber so, als habe er ihn selbst erfunden.

Es fällt schwer, hier zu übergreifenden Bewertungen zu finden, die zwischen den ernsthaften Meisterstücken und den schmierentragödischen Trash-Konzerten vermitteln. In vielen Fällen sind die Ausschnitte auch zu kurz. So hängt hier letztlich alles von den Vorlieben des Hörers ab. Gute Booklets, zum Teil von David Wishart. Gehorsamster Diener also, und: God save the Queen!

Matthias  |  2001

BRITISH FILM MUSIC Vol. 1

Various

Pearl GM

74:39 | 18 Tracks

 

 

BRITISH FILM MUSIC Vol. 2

Various

Pearl GEM

79:31 | 20 Tracks

 

 

SPELLBOUND - GREAT FILM THEMES

Various

Memoir

75:10 | 17 Tracks