Blog #3: Wer bitte?

Ein gelegentlicher Augenschein aktueller Filme und deren Komponisten offenbart seit Jahren ein und das selbe Bild: Statt namhafter (einstiger) sogenannter A-List Komponisten finden sich immer mehr unbekannte Namen, deren Oeuvre ein «Hä?» hervorrufen und/oder mir schlicht nicht geläufig sind. Sieht man sich Listen von Filmen an, die bald ihr Startdatum haben, führt dies nicht selten zu einem leichten Kopfkratzen.

Ein bisschen besser sieht es bei den bisherigen Box Office Top 15 von 2024 aus (in Klammern das Medium oder die Art der Veröffentlichung bezüglich Album)*:

INSIDE OUT 2: Andrea Datzman (nur Download)
DEADPOOL & WOLVERINE: Rob Simonsen (Songs)
DESPICABLE ME 4: Heitor Pereira (nur Download)
DUNE PART 2: Hans Zimmer (CD)
GODZILLA X KONG-THE NEW EMPIRE: Tom Holkenborg, Antonio Di Iorio (LP)
KUNG FU PANDA 4: Hans Zimmer, Steve Mazzaro (nur Download)
BAD BOYS: RIDE OR DIE: Lorne Balfe (nur Download)
BEETLEJUICE BEETLEJUICE: Danny Elfman (LP)
KINGDOM OF THE PLANET OF THE APES: John Paesano (nur Download)
TWISTERS: Benjamin Wallfisch (CD)
ALIEN: ROMULUS: Benjamin Wallfisch (nur Download)
IT ENDS WITH US: Rob Simonsen, Duncan Blickenstaff (nur Download)
A QUIET PLACE: DAY ONE: Alexis Grapsas (nur Download)
THE GARFIELD MOVIE: John Debney (Songs, 2 Debney Tracks, LP)
GHOSTBUSTERS: FROZEN EMPIRE: Dario Marianelli (CD)

Marianelli, Zimmer, Elfman und Debney sind bekannte Namen, würde man Platz 16, IF mit Michael Giacchino dazunehmen, es liesse die Liste noch etwas besser aussehen. Mit Simonsen finden wir einen der aufstrebenden Komponisten und mit Wallfisch und Lorne Balfe durchaus ebenfalls keine Unbekannten. Dazu fünf Namen, die mir kaum bekannt sind und bei denen ich befürchte, dass sie so schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind… sorry. Schaut man regelmässig in filmmusicreporter, bestätigt sich dieser Eindruck.

Als kleiner Vergleich blättern wir 40 Jahre zurück, ich schätze mich glücklich diese Phase des Kinos miterlebt zu haben, nur so als kleiner Seitenhieb: Damals zierten Filme wie INDIANA JONES AND THE TEMPLE OF DOOM, GHOSTBUSTERS, GREMLINS, STAR TREK III: THE SEARCH FOR SPOCK, THE NATURAL oder GREYSTOKE die Top 15 und mit ihnen Komponisten wie John Williams, Elmer Bernstein, Jerry Goldsmith, James Horner, Randy Newman und John Scott – und verflixt gute Scores. Wowzer!

Im (Video) Streaming sieht es noch dürftiger als im Kino 2024 aus. Die Behauptung, es war noch nie so einfach eine Serie, eine Mini Series oder einen direct-to-streaming Film vertonen zu können, ist nicht abwegig. Wie nachhaltig es jedoch ist, ahnen wir… Komponist:innen kommen und gehen schneller als je zuvor.

Aktuelle Eigenproduktionen/Distributionen in den Streaming Top Ten:
TROUBLE: Anders Niska, Klas Wahl
REBEL RIDGE: Brooke Blair, Will Blair
CHEMISTRY OF DEATH: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
DER PASS: Jacob Shea, Matthias Jakisic, Markus Kienzl
KAOS: Isabella Summers

Aber auch Mark Isham, Christophe Beck oder Jeff Russo, um diese nicht zu unterschlagen.

Die Filmmusik geht seit geraumer Zeit einen erschreckenden Wandel durch, Musikbudgets sind auf dem abnehmenden Ast, die Anzahl der Musiker in und um Los Angeles, die für Soundtracks engagiert wurden, hat sich von 3000 auf 300 innert 10 Jahren verkleinert.

Kommt dazu, dass die CD bei neuen Filmen derart auf dem Rückmarsch ist, man kann die Anzahl neuer Soundtrack Scheiben an zwei Händen abzählen – pro Jahr! Wären nicht die specialty labels, die sich alle Mühe geben, CDs zu produzieren, notabene von älteren und alten Scores natürlich, der CD-Player hätte kaum mehr frisches Futter – aber das ist ein anderes Thema.

Tragisch, was unsere Leidenschaft Filmmusik derzeit durchmachen muss und wo sie im Jahr 2024 gelandet ist. Wer darauf Einfluss hat, ist nicht einfach festzumachen. Die Macht der Music Supervisors hat enorm zugenommen, dazu kommt: Produzenten und Regisseure wagen kaum noch ihrem Publikum Filmmusiken mit Themen vorzusetzen, Songs sind so populär wie kaum zuvor, Sounddesign mischt sich mit einer neuen Art Minimal Music. Ausnahmen wie LORD OF THE RINGS: THE POWER OF THE RINGS von Bear McCreary sind seltene, löbliche Ausnahmen.

* ohne Gewähr

Phil | 08.10.2024