
von Phil
1995 war ein Jahr bei den Filmmusik-Oscars®, das dem ein und anderen von uns einen Stich ins Herz setzte. Die Verleihungen in den Jahren zuvor haben gezeigt, dass Scores mit Songs zu Zeichentrickfilmen Vorteile gegenüber den instrumentalen Musiken hatten.
1995 sah die Nominiertenliste wie folgt aus:
FORREST GUMP (Alan Silvestri)
THE LION KING (Hans Zimmer)
LITTLE WOMEN (Thomas Newman)
INTERVIEW WITH THE VAMPIRE (Elliot Goldenthal)
THE SHAWSHANK REDEMPTION (Thomas Newman)
Wir erinnern uns, THE LION KING von Hans Zimmer gewann. Die anderen Scores hatten eigentlich von Beginn an keine Chance. Dies obwohl mit der Zimmer-Musik vier erstaunliche Kompositionen nominiert waren, die in ihren Filmen einiges bewegt hatten – jeder der Nominierten hätte locker gewinnen können, mit Silvestris FORREST GUMP als Kronfavoriten, THE SHAWSHANK REDEMPTION nahe dran und INTERVIEW WITH THE VAMPIRE sowie der mit dem London Symphony Orchestra eingespielten LITTLE WOMEN mit Aussenseiterchancen.
Ich habe mir alles Scores nochmals angehört und bleibe dabei, es hat nicht die beste Filmmusik gewonnen, sondern die Populärste. Vier starke Mitbewerber unterlagen. Wenn ich damit bei den Zimmer-Fans auch auf Unverständnis stosse: THE LION KING kann sicher den Songs u.a. von Elton John danken. Dank der unzähligen Musicalaufführungen in allen Ländern und der Live Action-Verfilmung hat LION KING später zusätzlich an Popularität gewonnen und bleibt somit bis heute im Gespräch.

Da staunte nicht nur Tom Hanks! ©Paramount Pictures
Davon abgesehen und auf das Filmjahr 1994 zurückblickend: Thomas Newman hatte ein bemerkenswertes Jahr mit insgesamt fünf Filmen (u.a. THE WAR, THREESOME, THE FAVOR) doch zweifach in einem Jahr nominiert zu sein, kann zu einer ungünstigen Verteilung der Stimmen führen. Ob das ausschlaggebend war, ist reine Vermutung. THE SHAWSHANK REDEMPTION bleibt ein Filmereignis mit fantastischem Cast. LITTLE WOMEN ist etwas in Vergessenheit geraten, doch die Titelmusik allein ist umwerfend schön, ohne dabei die Newman’schen Typizitäten zu verdrängen.
Elliot Goldenthal war in seiner aktivsten Phase tätig und schrieb für Neil Jordans Vampir-Romanverfilmung mit Tom Cruise und Brad Pitt einen grandiosen Score für Orchester und Chor, übrigens einen Score von George Fenton unter gehörigem Zeitdruck und eigentlich gegen den Willen des Regisseurs ersetzend.
FORREST GUMP von Alan Silvestri war, so würde ich behaupten, der Favorit und schliesslich der Gewinner von sechs Oscars®, darunter Best Picture, Best Director und Actor in a Leading Role. Silvestri guckte in die sprichwörtliche Röhre.
Freilich hatten auch Zimmers afrikanische Rhythmen ihren Reiz, aber ich kann mir nicht helfen der Academy bzw. den Mitgliedern einen Fehlgriff vorwerfen, nicht weil THE LION KING schlecht wäre, sondern weil die Konkurrenz so stark war.
Doch dann wiederum: Die Oscars® sind längst nicht mehr, was sie mal waren. Heute noch weniger als 1995. Und es gibt freilich andere Oscar®-Verleihungen, die für uns Filmmuikfans nicht weniger «skandallös» waren. Etwa 1987 als Herbie Hancock für ‘ROUND MIDNIGHT (nominiert waren auch ALIENS, HOOSIERS, THE MISSION, STAR TREK IV: THE VOYAGE HOME) gewann oder 1990 Alan Menken mit LITTLE MERMAID (BORN ON THE FOURTH OF JULY, FABALOUS BAKER BOYS, FIELD OF DREAMS, INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE) obsiegte.
Sie bleiben ein Rätsel, die Oscars®.
28.01.2025