Blog #41: Eine Cola at my Table

von Phil

Als Filmvorführer, Kinooperateur wie wir das in der Schweiz nannten, im Kino Capitol in Solothurn verdiente ich mir einige Jahre einen Zustupf dazu. Der Vorteil war, dass ich viele Filme sah, einige darunter, die ich am liebsten nie gesehen hätte (DIRTY DANCING zum Beispiel, der acht, neun oder mehr Wochen lief – grossartig für das Kino, Albtraum für die Angestellten). Wenn ich einen Tag erwischte an dem ein Film zusammenzusetzen oder auseinanderzunehmen war – man bedenke, es waren damals richtige Filmspulen mit 35mm Film, aufgeteilt in mehrere Akte, die man wie ein Cutter kleben musste – war nichts mit sich in den Saal setzen.

Operateur war ein kreativer Beruf. Die richtigen Linsen mussten verwendet werden, die Schärfe musste stimmen und auch die Lautstärke,  nicht zu leise,  nicht zu laut. Heute geht alles automatisch per Knopfdruck von der Kasse aus.

Als ich Jane Campions AN ANGEL AT MY TABLE, 1990 war es, vorführte, musste ich mich auf einen langen Sommerabend einstellen. Der Film hatte eine satte Länge von rund 2 Stunden 40 Minuten, was drei grossen Rollen und also insgesamt drei Überblendungen (wer erinnert sich an die Kreise oben rechts? Die deuteten dem Operateur, wann die andere Maschine zu starten und wann die Blende zu öffnen waren) bedeutete. Überblendungen konnten tricky sein, verpasste man ein Zeichen, hiess das, die Überblendung wird für den Zuschauer sichtbar werden.  

Jane Campions AN ANGEL AT MY TABLE. Lang, sehr lang!

An einem Abend, es war heiss wie immer im Vorführraum, entschloss ich mich in der Bar nebenan eine Cola trinken zu gehen. Ich hatte an sich Zeit dafür und der Film lief gut durch den Projektor, die Schärfe passte. 

Als ich wieder in den Vorführraum zurückkehrte lag ein Berg Film am  Boden. Der Film lief weiter, keiner der Zuseher bemerkte etwas. Aus irgend einem Grund riss der Film unterhalb des Projektionsfensters und sammelte sich anstatt auf der Aufwickelrolle auf dem Boden, der immer leicht staubig, teils ölig war. Adrenalinstoss…!

Ich entschied mich, den Film weiterlaufen zu lassen, damit wenigstens das zahlende Publikum nicht beeinträchtigt wurde. Als ich schliesslich Rolle drei startete, durfte ich mich ans sanfte Aufwickeln des verdrehten und verstaubten Filmhaufens machen. 

Am  nächsten Tag stand das reumütige Geständnis meines faux-pas beim Besitzer des Kinos an, der zum Glück meine Art des Vorführens sonst schätzte. Die Akte auf Rolle zwei mussten aber ersetzt werden, zu schmutzig war die Kopie. 

Es war das letzte Mal, dass ich, während der Film lief, die Bar nebenan aufsuchte. Learning by mistake.

22.01.2025