Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz: Führe nie mit Deinem alltime Lieblingskomponisten ein Interview. Ich hielt mich nicht daran und dachte mir, komm, das wird schon, denk Dir ein paar superintellektuelle Fragen aus und dann los. Wer regelmässig bei uns mitliest, weiss um meine verinnerlicht tiefe Hingabe in Sachen Jerry Goldsmith, viele Autogramme von Komponisten habe ich nicht, von Jerry sicher drei oder vier. Und wenig Wunder, dass mindestens drei Scores von ihm in meinen Allzeit-Top-Ten sind.
Der Termin war mit Goldsmiths langjähriger und treuer Assistentin, Lois Carruth abgesprochen – an ihr kam niemand vorbei -, leicht nervös ploppte ich den Saugnapf des Mikros vom Taperecorder an den Hörer – ein Gespräch per Internet wäre zu jener Zeit so gut wie unmöglich gewesen – und wählte die Nummer. Lois nahm ab, Begrüssung auf Amerikanisch… how are you, fine… Er sei gerade im Studio, sobald es still werde, werde sie mich mit Jerry verbinden. Genau kann ich das Jahr nicht mehr wiedergeben und also auch nicht abschätzen, an was Goldsmith damals möglicherweise hätte arbeiten können.
Die Nerven vibrierten – obwohl ich doch schon einige Gespräche mit Komponisten hinter mir hatte. Aber es war eben Mr. Goldsmith.
«Okay, Jerry is ready!»… eine tief geschmeidige Stimme meldete sich: «Hi Phil, wo lebst du?» (man hörte das Ziehen an der Zigarette und das Ausblasen des Rauchs). Ich nannte meinen kleinen unwichtigen Ort mitten in der Pampa des Mittellands. «Kenne ich nicht, in Genf war ich schon und in Zürich. Was ist denn in Deiner Nähe?», «Bern, die Hauptstadt.» «Da war ich nie, wie ist das Wetter?», «Sicher nicht so schön wie bei dir, Jerry»… So ging es gute 5 Minuten und den richtigen Einstieg zum Interview zu finden, entfernte sich immer weiter (wie im Traum: man rennt und rennt und kommt doch nie an).
Irgendwann fragte ich: «Woran arbeitest du zurzeit?». «Das kann ich dir leider nicht sagen». Ooookay. In meiner Naivität und der Hoffnung einen guten Einstand zu vollbringen, muss ich jetzt intellektuell reinschiessen und stammelte: «Denkst du ein Score wie THE OMEN wäre heute noch möglich?». «Ja». Ich: «Naja, ich dachte mit der momentanen Situationen der Filmmusik und der Filme, die produziert werden und den Komponisten, die in der Gunst der Studios und Produzenten sind…». Pause… ou Mann, falsche Frage. An das was danach kam, erinnere ich mich nur noch trüb grau und bleiern schwer, es waren aber grundsätzlich schlichte «yes» und «no» Antworten. Es gäbe da noch das Tape, aber ich habe es seither nie mehr angefasst, vielleicht habe ich es in meiner Scham inzwischen auch deleted.
Soviel dazu. Ich wusste es würde nicht leicht werden, Jerry war kein einfacher Charakter und wenn er keinen guten Tag und keine Lust hatte, dann würde es schwierig werden. Sicher, andere Komponisten wie Mark Isham oder auch Patrick Doyle wären bei dieser Frage ohne Zögern aufgesprungen. Aber bei Jerry lag ich komplett daneben und das Interview war eigentlich damit vorbei.
Das war mein Versagen ein Interview mit Jerry Goldsmith zu führen. Mein Lieblings-Filmkomponist ist er nach wie vor und wird es immer bleiben. Bedingungslose «Liebe» eben.
Phil | 11.10.2024