Blog #23: Die Sache mit den Booklets

von Phil

Damals, als Varèse Sarabande die 30 Minuten Grenze per LP und CD fast immer bewahrte (die teuren re-use fees der Musikergewerkschaft trug dazu bei), waren auch die Booklets knapp gehalten. 4 Seiten mit Cover und Backcover und innen ein paar Fotos aus dem Film. Damit musste der Filmmusikfan lange leben und die Faust im Sack machen. Wie schön gab es Labels wie Intrada, die mehr Service boten und teils ganz feine Texte im Booklet lieferten.

Als die Clubveröffentlichungen von Varèse mit viel Vorfreude bei den Fans starteten, waren, huch, auch die Büchlein plötzlich mit Texten gefüllt. Dann kamen neue Labels dazu, u.a. Film Score Monthly und SAE, ersterer ein Primus in Sachen Liner Notes. Jetzt lag die Latte richtig hoch. Langsam bröckelten auch die immensen Re-Use-Fees (nicht mehr 1:1 sondern ein kleinerer Teil des Honorars wird seither bei Union Orchestras verrechnet und somit sind auch 60 plus Minüter möglich geworden), die CD-Dauer wurde länger. Doch Varèse schleppte leider bei den nicht-Club-CDs immer noch die no-infos Booklet mit sich rum, ein Ärgernis.

Aber was ist eigentlich ein gutes Booklet und was geht recht flugs wieder in die CD zurück? Eine rein subjektive Ansicht:

  • Ich mag umfassende Infos zum Film und wie der Komponist den Job erhielt, was schief lief, was die Herausforderungen waren.
  • Ich mag nicht: «Der Film ist heute längst Kult geworden» bei jedem Film, der an den Kinokassen absoff wie die Titanic und dessen Qualitäten nach wie vor fragwürdig sind.
  • Erzählungen an die Herangehensweise zur Musik, sei es vom Komponisten selbst, seitens Filmemacher und wenn das nicht vorhanden, dann vom Liner Notes Autor.
  • Ausklappbooklets mit knapp 4 Seiten Text, in denen alleine die Bio des Komponisten schon die Hälfte des Texts einnimmt und man sich keine Mühe gibt etwas Sinnvolles zur Musik zu schreiben, sind ein Ärgernis.
  • Track-by-Track Analysen können interessant sein, je nachdem wie und von wem sie verfasst wurden.
  • Mühsam ist, als Beispiel: Und dann betritt John das Haus, die Trompeten setzen ein und spielen das zweite Motiv. Er geht langsam ins dunkle Wohnzimmer, begleitet von Streichertremolo über leiser Perkussion usw. Das funktioniert je nachdem wie gut man den Film kennt. Ist der Film völlig unbekannt für den Leser, dann ist so eine Erklärungsweise meiner Meinung schwierig nachvollziehbar.
  • Interviews mit Komponisten im Booklet können spannend sein, aber nicht so: «It was the greatest experience I ever had, everybody was nice and very forthcoming…» laaaangweilig. Wenn es denn so war, schön, aber wenn es ständig vorgebetet wird, verdrehen sich nicht nur die Augen des Lesers.
  • Douglass Fakes 1-2 Seiten zu den technischen Anforderungen und Bearbeitungen fand ich immer erfrischend, sie gaben einen anderen Einblick. Die letzten Intrada CDs nach seinem Tod enthalten diese Infos leider nicht mehr, schade.
  • Es gibt, natürlich, Autoren, die schreiben besser, andere weniger gut. Und wenn der Platz beschränkt ist, haben sie keinen leichten Job. Ideal für ein gutes Booklet sind meiner Meinung 20+ Seiten.

Einige Labels scheren sich wenig um den Service am Kunden. «Wir geben euch schon die Musik, seid zufrieden», macht es den Anschein und wird auch gerne sozialmedial an Käufer gefaucht, wenn sich diese beschweren. Ein wohlbekannter Kurzbooklet-CD-Produzent schrieb mir auf meine Kritik «…zu faul selber einen Text für das Review zu schreiben?»
Mit einem 4-Seiten-Booklet kann doch niemand happy sein. In itunes & Co. wiederum gibt es gar nichts schriftliches, auch ein Grund diese Services zu meiden.

Abschliessen möchte ich mit einem passenden Zitat von Lukas Kendall aus Film Score Monthly Volume 3 Number 8: «A well designed CD package is a validation of this thing I cared to buy in the first place.» Well said, Lukas!

05.12.2024