Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass der Afro-Amerikanische Regisseur und Schauspieler Nate Parker für sein Langfilmdebüt mit dem Titel ausgerechnet Erinnerungen an das fragwürde Stummfilmepos (aud dem Jahr 1915) des Hollywood-Pioniers D.W.Griffith weckt. Griffith verherrlichte in dem frühen Monumentalschinken, ohne mit der Achsel zucken, die rassistische Vereinigung des Ku-Klux-Klans. Ca. 100 Jahre später liefert Parker sozusagen den Kommentar aus dem Blickwinkel der Sklaven, und der fällt ziemlich blutig aus. Parker erzählt in seinem Film die historisch verbuchte Geschichte des Sklaven Nat Turner.
Nat Turner (Tony Esposita) ist Sklave, führt aber ein vergleichsweise friedliches Leben. Die Familie für die er arbeitet lehrt ihm das Lesen und die Bibel und behandelt auch die weiteren Sklaven weitestgehend respektvoll, sofern man das unter diesen Bedingungen sagen kann. Als Erwachsener entdecken andere Nats (nun: Nate Parker) Talent als Prediger. Sein in finanzielle Schieflage geratener Besitzer, Samuel (Armie Hammer), bekommt von einem Nachbarn das Angebot, dass Nat als Prediger von Plantage zu Plantage reist, um den Sklaven aus der Bibel zu zitieren. Der Gedanke dahinter ist, dass sie der Glaube dazu antreiben soll, widerstandlos ihren Herren zu dienen. Dabei erlebt er ein kaum auszuhaltendes Maß an Leid. Denn im Vergleich zu Samuel, sind die anderen Plantagenbetreiber reinste Sadisten. Langsam erwacht der junge Mann. Als schließlich seine Frau vergewaltigt wird, beginnt seine Wut in grenzenlosen Hass umzuschlagen.
Parkers Film ist das tragische Beispiel dafür wie das wahre Leben den Traum einer großen Karriere quasi im Vorbeigehen zerstören kann. Nach seiner Premiere auf diversen Festivals erlangte das ambitionierte Werk schnell den Ruf eines Oscar-Favoriten. Kurz danach kam eine Geschichte an die Öffentlichkeit, die Parker in einem ziemlich schlechten Licht erscheinen ließ. Parker wurde 1999 wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung angezeigt. In einem Studentenwohnheim soll er Sex mit einer 18 jährigen gehabt haben. Bei der Polizei gab diese an, währenddessen bewusstlos gewesen zu sein. Vor Gericht wurde er zwar freigesprochen, ohne aber explizit für unschuldig erklärt zu werden. Das ist natürlich für einen Filmemacher, der ein hoch moralisches Werk inszeniert, in dem er unter anderem das Thema Vergewaltigung behandelt, eine unmögliche Situation. Der Traum vom Oscar war geplatzt und der Film ging an den Kassen unter. Das macht es natürlich von Beginn an schwierig, den Film losgelöst von den realen Ereignissen zu betrachten. Schafft man dennoch eine Distanz zwischen dem realen Parker und dem vorliegenden Film, bekommt man zumindest ein ambivalentes Kinoevent geboten, dass niemanden kalt lässt, aber auch nicht unbedingt die euphorische Vorschusslorbeeren rechtfertigt. Denn dafür ist das Epos zu grobschlächtig gestrickt.
Das liegt vor allem daran, dass der Regisseur selten das Pathos scheut und tief in die melodramatische Trickkiste Hollywoods greift. Hier scheint es, als hätte Parker doch etwas mit der Regielegende Griffith gemein. Auch der scheute nicht die plakative Erzählsprache, um den Zuschauer hinter sich zu bringen. Während Griffith zumindest einen eigenen Stil entwickeln musste (kinematografische Vorbilder gab es noch nicht), bedient sich Parker fleißig im Fundus der Filmgeschichte. Das ist zwar stets kraftvoll, wirkt aber wie ein Mittel zum Zweck. Dabei beginnt der Film stark, schildert in bedrückenden Bildern die Kindheit Nats, ehe die Düsternis lichtdurchfluteter Südstaatenhitze weicht. Über allem liegt jedoch immer der Schleier der Gewalt, die schließlich in der zweiten Hälfte hemmungslos sich ihren Weg bahnt. Die historisch verbriefte Nacht der langen Messer schildert der Regisseur mit den Stilmitteln des modernen Horrorkinos. Die Szenerie ist in nachtblaues Licht getaucht, das Blut fließt in Strömen, während die wie Zombies wirkenden befreiten Sklaven ihre einstigen Herren brutalst möglich aufschlitzen. Am tragischen Ende des kurzzeitigen Freiheitskämpfers Turner schielt Parker unverhohlen nach Mel Gibsons „Braveheart“. Wie bereits erwähnt, lässt das Treiben einem nicht kalt, schafft es sogar phasenweisen die grenzenlose Wut, den Hass der Sklaven und die Brutalität mit der sie leben mussten, greifbar zu machen. Doch Parker will zu viel. Dafür fehlt ihm allerdings das Können, sowohl als Schauspieler, Regisseur und Autor, denn am Drehbuch schrieb er auch mit. Als Schauspieler ist Parker leider etwas limitiert, wirkt teilweise etwas hölzern, während die Dialoge in manchen Momenten auf der Theaterbühne eine bessere Heimat hätten. Schauspielerisch überrascht vor allem Armie Hammer als Plantagenbesitzer, der es eigentlich gut meint mit seinen Sklaven, aber letztlich seine eigenen Ideale verrät. Hammer vollzieht glaubhaft diesen Wandel und wirkt letztlich tragisch, sodass man fast ein wenig Mitleid verspürt. Hammer wirkte bis dato in seinen Rollen („Lone Ranger“) eher blass, was leider auch für den Rest der Besetzung gilt. Die restlichen Darsteller spielen solide, bleiben aber nicht unbedingt in Erinnerung. Das klingt alles schlechter als ist. „The birth of a nation“ erinnert an ein dunkles Kapitel Amerikas, das heute aktueller denn je ist. Insofern ist es keine Frage, dass ein Film wie dieser wichtig ist. Dennoch muss Parker mit der Kritik der allzu plakativen Inszenierung leben. „Amistad“ von Steven Spielberg und „12 years a Slave“ von Steve McQueen sind bezüglich dieses Themas die deutlich besseren Empfehlungen.
Die Musik: Die Musik schrieb der Engländer Henry Jackman, einer der zahllosen Hans Zimmer Schüler, der am ehesten für seine Filme zu computeranimierten Kinderfilmen sowie für krachiges Action-Kino („Kick Ass“ und „X-Men: Erste Entscheidung) bekannt ist. Insofern ist er eher eine ungewöhnliche Wahl. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen. Jackman bietet dem Film allerdings genau das, was Parkers über weite Strecken vermissen lässt, nämlich Zurückhaltung. Getragene Streicher, ergänzt von einem gemischten Chor, vermitteln besser die Tragik der Figuren als die kraftstrotzenden Bilder. Jackman setzt seine Musik auch ebenso sparsam ein und scheut selbst im Finale das große Hollywoodgefühl. Unterstütz wird der Score von effektvoll eingesetzten Gospels. Der Soundtrack ist als Download verfügbar (21 Titel / ca.41 Minuten), des Weiteren ist noch ein Album gleichen Titels verfügbar, dass Songs beinhaltet, die vom Film inspiriert sind.
THE BIRTH OF A NATION (USA 2016) R: Nate Parker D: Nate Parker, Armie Hammer, Jackie Earl Haley, Penelope Ann Miller, Gabrielle Union, Mark Boone Junior. Musik: Hugh Jackman Verleih: 20th Century Fox Erscheinungsdatum: 24.08.2017
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