Teil 3
von Phil Blumenthal
Woche 3 des Lock Downs hat begonnen, aber da das Regal mit Goldsmith Musiken bestens gefüllt ist, weiterhin zum Hören einlädt und Ermüdungserscheinungen noch keine vorhanden sind, hänge ich eine kleine Zusatzrunde dran. Gibt es eigentlich einen Guinness-Rekord im Dauer-Goldsmith-Hören?
William Shatner gab fast sein letztes Hemd um STAR TREK V: THE FINAL FRONTIER (1989) auf die Beine zu stellen. Leider hat er damit beinahe die Franchise gekillt. Der Film gilt noch heute als einer der schlechtesten der Filmreihe, nicht ganz zu Unrecht. Das Drehbuch lässt zu wünschen übrig und die Effekte, A und O eines Science Fiction Films und ganz besonders eines mit der Enterprise, sind (nicht zuletzt dem Budget geschuldet) wirklich recht mau ausgefallen. Immerhin konnte Shatner erneut seine Crew versammeln und so muss man weder auf Spock noch Bones, Uhura oder Scotty verzichten. Auch die Enterprise, obwohl in Teil 3 SEARCH FOR SPOCK geschrottet, kehrte zurück auf die Kinoleinwand. Das wollte ich, Ende der 80er, natürlich nicht verpassen obwohl mir THE VOYAGE HOME damals so gar nicht gefallen hat. Aber wenn Jerry Goldsmith wieder ans Dirigentenpult eines STAR TREK Films tritt, sollte man als Fan alles stehen und liegen lassen – und so ganz nebenbei wollte die Crew dieses Mal die vielbesagte Final Frontier erreichen. Dankenswerterweise weiss Goldsmith was er tut, denn sein erster TREK Score seit THE MOTION PICTURE ist von allererster Güte, wenn auch nicht ganz an das Original heranreichend. Was will man als Fan mehr als dieses unvergleichliche Hauptthema, dazu Alexander Courages Fanfare, Jerrys Klingonenmusik, ein gelungenes Viernoten-Quest-Thema, und ja, fast so etwas wie Musik für Gott («A busy Man»). Wie Andi in seiner Rezension geschrieben hat: 1989 war Goldsmiths überbordende Synthesizer-Phase weitgehend vorbei. Sprich, er arbeitete Elektronik dezenter in seine Scores ein.
STAR TREK V: THE FINAL FRONTIER in der verlängerten 73 Minuten Version, die La-La Land 2010 herausbrachte, darum kommt kein Fan herum, sei es als Trekker, als Goldsmith-Liebhaber oder simpel und einfach, weil man gute Filmmusik mag. Sie wurde übrigens nur 2 Jahre später von Intrada nochmals aufgelegt. Das alte 42 Minuten Album, das mit dem Film erschien, setzt seither mehr und mehr Staub im Regal an.
THE WIND AND THE LION (1975) war John Milius’ Einstieg in die höchste Filmliga nach Lehrjahren im B-Picture Segment. Mit Sean Connery holte er sich einen Star an Bord, dazu Candice Bergen, Brian Keith (als Teddy Roosevelt) und John Huston. Connery ist El Raisuli, der im Marokko kurz nach der Jahrhundertwende (1900) eine amerikanische Mutter (Bergen) und deren Kinder entführt und vom damaligen US-Präsidenten Teddy Roosevelt (lose basierend auf einer wahren Geschichte) und dessen Truppen verfolgt wird. Für Milius war es der Auftakt, der sieben Jahre später zu CONAN THE BARBARIAN führen sollte. Danach ging es Schritt für Schritt die Erfolgsleiter runter und aus der geplanten CONAN Fortsetzung ist bis heute nichts geworden. Als Angehöriger der sogenannten USC Mafia, zu der auch George Lucas, Robert Zemeckis und Walter Murch gehörten und als (stets bewaffneter) Gast bei Partys mit Produzentin Julia Phillips oder Steven Spielberg, befand er sich in einem beachtenswerten Talentpool.
Der Film ist bemerkenswert fotografiert, die Actionszenen toll choreografiert, das kommt am besten sicher im Kino (leider zu früh für mich) oder im Heimkino (nachgeholt) zur Geltung. Logisch war Jerry Goldsmith mehr denn nur inspiriert davon. Der Film offerierte ihm die Möglichkeit einen überbordenden Abenteuerscore hinzulegen, etwas was er in dieser Art bisher kaum tun konnte. «Das war mein erster grosser, epischer Score mit Leuten, die durch die Wüste ritten und mit ihren Schwertern und Messern durch die Luft wirbelten.» Das ist der Musik anzuhören: Ein Goldsmith, der voll im Element ist und für ein grosses Orchester mit einer gewaltigen Perkussionssektion komponierte. Ein absoluter Ohrenschmaus ist die Einführung in und das Thema für Raisuli. Doch eigentlich ist der ganze THE WIND AND THE LION in seiner 63 Minuten Form (Intrada 2007) ein wahrhaftiges Ereignis, eine Abenteuermusik mit orientalisch nordafrikanischem Einschlag – schon das alte 37 Minuten Album und die erste Intrada Version auf CD konnten begeistern. Ganz grosses Filmmusikkino. Es blieb dies die einzige Arbeit von Goldsmith für Milius, der fortan auf Basil Poledouris zurückgriff.
Bis heute wird darüber spekuliert, wie viel Einfluss Steven Spielberg bei POLTERGEIST (1981) ausserhalb seiner Produzententätigkeit hatte. Kennt man den Film und die Handschrift des damaligen Wunderkinds des Kinos, ist es nicht schwierig zu behaupten, in POLTERGEIST steckt mehr Spielberg drin als drauf steht. Tobe Hooper, der Regisseur, hat weder davor noch danach einen Film ähnlicher Prägung hinbekommen, auch nicht handwerklich.
Sei es wie es ist, POLTERGEIST gehörte 1982 zu den einträglichsten Streifen an den Kinokassen, hatte aber mit E.T., ROCKY III, STAR TREK II: THE WRATH OF KHAN und TOOTSIE starke Konkurrenz in den Filmtheatern – und ist und bleibt ein Film mit ausgeprägtem Gruselfaktor, starken Spezialeffekten und einem hochqualitativen Production Design. Der Film war für meine jungen Jahre jedenfalls zu viel des Guten… die Szene mit dem fiesen Baum und der Würgeclown haben mich einige Zeit lang verfolgt.
Nie, ausser bei einem TWILIGHT ZONE-THE MOVIE Segment, kam es dazu, dass Goldsmith für den Regisseur Spielberg arbeiten würde. Doch in diversen Produktionen geschah eine Annäherung, so auch in POLTERGEIST. Der Meister des Gruselns, wie in THE OMEN und ALIEN meisterhaft unter Beweis gestellt, war mehr denn bereit für POLTERGEIST. Wunderbar führt er uns hier mit «Carol Anne’s Theme» zu Beginn des Films auf die falsche Fährte («The Neighborhood-Day». Das war’s dann mit hübschen Vorgärten und langen Einfahrten. Was jetzt folgt, ist, nur unterbrochen von kurzen oder längeren Anspielungen von «Carol Anne» («The Jewelry», «Let’s Get Her/Rebirth») und einem 5-Noten-Thema in «The Light», ein Ausflug ins orchestrale Gruselfach, meisterhaft gehandhabt von Goldsmith, der eine seiner kompaktesten und intensivsten Horrormusiken ablieferte. Ursprünglich als 38 Minuten LP veröffentlicht, war es Ted Turners Rhino Label, das sich zum ersten Mal an more from POLTERGEIST machte, 2010 getoppt von der Film Score Monthly Veröffentlichung, die besser klang als POLTERGEIST es je zuvor tat. Ebenfalls enthalten auf dieser Doppel-CD ist das 82er Soundtrack Album, ein paar Bonuse und, völlig abwegig, 10 Minuten aus THE PRIZE.
MEDICINE MAN (1992) mit Sean Connery und Lorraine Bracco ist ein Ökoabenteuerfilm von DIE HARD Regisseur John McTiernan, der beim Publikum nicht überragend ankam. Das milde Einspielergebnis ist möglicherweise auf die Thematik und ein überteuertes, aber nicht umwerfend starkes Drehbuch (3 Millionen erhielt Tom Schulman dafür) zurückzuführen. Connery spielt einen Wissenschaftler, der sich tief in den Amazonas zurückgezogen hat und wenig erfreut ist, als seine Pharmafirma ihm mit Dr. Crane jemanden schickt, den er gar nicht bei sich haben wollte. Gegensätze ziehen sich aber bekannterweise an und eine finale Auseinandersetzung mit einer Holzfällerfirma erfüllt auch noch die Erwartung des jüngeren, männlichen Publikums. Sean Connery ist hier mit langer, zu einem Rossschwanz gebundener Mähne zu sehen, so wie Jerry Goldsmith zu jener Zeit seine Haare trug. Connery soll davon, er traf Goldsmith auf einer Party, inspiriert gewesen sein und fand es passend für seinen Charakter.
Erstaunlich, dass es bisher keine «Deluxe» Version von MEDICINE MAN gegeben hat, während andere Titel gleich mehrfach wiederaufgelegt wurden. Südamerikanisches Feeling kommt gleich im ersten Stück «Rae’s Arrival» mit Gitarren, Samples (ethnische Flöten imitierend), Rhythmusbeigaben und E-Bass. Goldsmith gibt hier ein erstaunliches Tempo vor und setzt klare Spuren, wohin der Score gehen soll. In «First Morning» vollzieht er einen Schritt ins Esoterische, während das National Philharmonic Orchestra zunächst vorwiegend mit Streichern, Holzbläsern und Harfe zur Arbeit schreitet und in «Campbell and the Children» ein neues Thema (das er auch als «Baum»- und Liebesthema, so verstörend das jetzt klingen mag, verwendet) erklingen lässt, im feinen «The Trees» in unvergleichlicher Manier installiert – was für ein toller Aufbau. Ähnlichkeiten in «The Harvest» mit ISLANDS IN THE STREAM oder PAPILLON kommen nicht von ungefähr. Das 8minütige «A Meal and a Bath» rundet die 50 Minuten CD gekonnt ab. Wer sich an diese für den Fan harten Varèse Zeiten erinnert, weiss wie die Booklets damals ausgefallen sind.
David (HOOSIERS) Anspaughs RUDY (1993) ist die wahre Geschichte um einen Footballspieler, den es nach der High School Zeit nach Notre Dame zieht. Dort spielt sein Lieblingsteam und dort will er unbedingt auch einmal auflaufen. Doch die Anforderungen sind hoch und mehr als einmal scheint Rudy daran zu scheitern – seinem Vater (Ned Beatty) passt das gar nicht, er sähe ihn lieber als hart zugreifender Eisenarbeiter. Rudy schafft es zwar ins Team, wird aber nie als Stammspieler eingesetzt, bis zu dem einen Spiel, seinem einzigen bei den Irish.
Seit KING SOLOMON’S MINES hat Goldsmith keinen rein orchestralen Score mehr geschaffen. Für RUDY sah der Veteran die Zeit reif dafür und stattete Anspaughs schönen Film mit Sean Astin (LORD OF THE RINGS) in der Hauptrolle auch noch gleich mit einem Chor aus. Die Elemente Musik und Emotion kommen in RUDY besonders gut zur Geltung und es ist nicht «bloss wieder ein» Footballfilm, sondern einer mit ganz viel Herz, den Goldsmith hier betreuen konnte. RUDY zählte fortan mit zu seinen liebsten Kompositionen, schade dass es ihm nicht mehr vergönnt war mit David Anspaugh ein weiteres Mal zu arbeiten.
Da es eine ganze Weile her ist, seit ich RUDY das letzte Mal gesehen habe, ist mir nicht präsent wieviel Musik noch enthalten sein würde, die man zusammen mit dem alten Varèse Programm zu einem schön anhörbaren Album vereinen könnte. Es waren aber wahrscheinlich einige Minuten mehr als die knapp 40. Vielleicht haben wir Glück und es klappt noch vor dem 30 Jahre Jubiläum des bei uns einst nicht in den Kinos gezeigten Films mit einer Deluxe RUDY (zu deutsch übrigens TOUCHDOWN – SEIN WEG IST DAS ZIEL, ähm, ja…). Sicher ist nur, dass Goldsmith für RUDY eine Oscarnomination verdient gehabt hätte. Im Film wie abseits ist die Musik einfach atemberaubend schön, speziell erwähnt sei hier das abschliessende «The Final Game».
Drei Mal kreuzten sich die Wege von Charles Bronson und Jerry Goldsmith, sieht man von den wenigen TV-Gemeinsamkeiten ab, zwei Filme waren es sogar in einem Jahr: BREAKOUT und BREAKHEART PASS (1975). Letzterer ist eine Art Agatha Christie Wer-war-es-Western von Tom Gries (ebenfalls bei BREAKOUT auf dem Regiestuhl), der erst 1976 in die Kinos kam. Nach einem Roman von Alistair MacLean (WHERE EAGLES DARE) spielt Bronson einen Secret Service Agenten vor der Jahrhundertwende, der versucht dem mysteriösen Verschwinden von Offizieren und Toten in einem Zug, der wichtige Medikamente transportiert, auf den Grund zu gehen. In weiteren Rollen sind Richard Creena, Ben Johnson, Charles Durning und Jill Ireland zu sehen.
Wer erinnert sich nicht an das schlichte, hellblaue Cover des Bootleglabels Pony Boy, das zur Hohezeit der Bootlegmanie von Belgien auch nach Deutschland und in die Schweiz kam. 1976 erschien lediglich eine 45er Platte mit zwei Stücken, mit denen Goldsmith wenig am Hut hatte und die Glücklichen unter uns kamen etwas später an eine LP mit 14 Stücken eines unbekannteren Labels heran. Erst 2006 (La-La Land) und sieben Jahre später (Kritzerland) war es Zeit für offizielle Digital-Veröffentlichungen.
Goldsmiths Titelmusik hat ein hohes Tempo (Gitarre, E-Bass, Blech, Querflöte) und soll an die schnaubenden, sich im gleichen Takt drehenden Räder und Zylinder einer Westerndampflokomotive erinnern. Das hier etablierte Hauptthema, man darf behaupten «typische Goldsmith westernlike» verwendet Goldsmith ab jetzt in clever aufgesplitterten Teilen und Variationen («Free Ride/Hot Stove») und sorgt mit einem Viernotennotiv (oft in den mittleren und tiefen Holzblasregistern zu hören) für Spannungsmusik. Besonders starke Stücke sind das siebenminütige «The Casket/Box Car Fight» und «Raiding Party». Erst spät im Fernsehen (als NEVADA PASS) habe ich den Film gesehen, selbst in der VHS-Zeit kam mir der Film nicht in die Hände und so bleibt BREAKHEART PASS bis heute einer der unbekannteren, aber deswegen nicht schlechteren Bronson Filme.
Was für ein Pech für einen ambitionierten Science Fiction Film wie LOGAN’S RUN, der 1976 in die Kinos kam und das Nonplusultra in Sachen Effekte und Produktionsdesign im Science Fiction Genre darstellen wollte. Nur ein Jahr später wurde mit George Lucas’ STAR WARS alles über den Haufen geworfen.
Im 23. Jahrhundert jedenfalls wird man höchstens 30 Jahre alt, danach steigen die Auserwählten in «einen höheren Zustand» auf, so heisst es. Anders ausgedrückt: In einem Massenspektakel, dem «Carrousell», erfahren die, die das Alter erreicht haben, keine transzendierende Neugeburt, sondern eine fürs Publikum als grossartige Show dargestellte Hinrichtung. Wer sich nicht blenden lässt und zu fliehen versucht, wird von den Sandmen gejagt und getötet. Michael York spielt einen, Logan, ebenfalls mit von der Partie in Michael Andersons düsterer Zukunftsutopie sind Farrah Fawcett-Majors und Peter Ustinov.
Unvergesslich ist der Start des Films mit Goldsmiths 3-Noten Motiv (für die Stadt) und den analogen elektronischen Musikbeigaben, für die damalige Zeit State of the Art, die einige Stücke wie «The City», «Flameout» oder den Synthesizer-Actiontrack «Fatal Games» beherrschen. Platz gibt es für impressionistische Streicher («A Little Muscle»), pulsierende Actionmusik, die ALIEN und OUTLAND vorwegnimmt («Intensive Care», «You’re Renewed») und ein Liebesthema, erstmals kurz in «On the Circuit» zu hören (Logan verliebt sich in Jenny Agutter, etwas was in City unmöglich ist). Während die Story weitergeht, öffnet Goldsmith mehr und mehr die Klangfarben und schafft Platz für das Orchester («The Sun», «The Monument»).
Unwissend was sich hinter dem tollen Cover, es war meine Science Fiction Zeit, zu FLUCHT INS 23. JAHRHUNDERT verbarg und beeinflusst durch Effektfilme wie STAR WARS, STAR TREK und EMPIRE STRIKES BACK, war LOGAN’S RUN eine leise Videofilm-Enttäuschung. Erst viel später fand ich wieder zum Film und damit zur Musik, die mich damals erst per 40 Minuten Bay Cities CD wieder erreichte. 2002 folgte schliesslich die Präsentation des gesamten 71 Minuten Scores von Film Score Monthly (inklusive dem allerdings milden Discobeat in «Love Theme», wie es zu jener Zeit häufig passierte).
Frank Sinatra ist und bleibt uns in erster Linie als «ol’ blue eyes» und «The Voice» in Erinnerung, doch hatte er in den 50 und 60er Jahren einige bedeutende Rollen gespielt und erstaunlich gut ausfüllte (THE MAN WITH A GOLDEN ARM, FROM HERE TO ETERNITY, THE MANCHURIAN CANDIDATE). In THE DETECTIVE (1966) spielt Sinatra einen New York Cop, der einen verzwickten Fall des ermordeten, homosexuellen Sohnes einer Stadtgrösse zu lösen hat. Mit Regisseur Gordon Douglas hat Goldsmith zuvor bei RIO CONCHOS, STAGECOACH und IN LIKE FLINT gearbeitet. Im selben Jahr wie THE DETECTIVE entstand ausserdem sein hochdotierter PLANET OF THE APES.
THE DETECTIVE ist ein kurzer, 18minütiger und eher unbekannter Goldsmith Score, in den reinzuhören aber allemal lohnt. Goldsmith unterlegt den Thriller (bei uns würde man Krimi sagen) mit einer Mischung aus Free Jazz, «Joe», und einem, ja, hier ist es wieder, Trompetenthema, wie wir es dramaturgisch ähnlich in CHINATOWN wieder hören werden, hier jedoch deutlich prägnanter und jazziger, begleitet von E-Gitarre, Synthesizer und Streichern. Dieses Thema bewegt sich durch die gesamte, kurze Musik, mal intoniert von einer rauchigen Querflöte, einem Tenorsaxophon oder einem Klavier.
Die Filmmusik wurde zum ersten Mal 2013 (nebst der damals teuren 20th Century Fox Box) gemeinsam mit einem anderen Frank Sinatra/Jerry Goldsmith Film, VON RYAN EXPRESS, von Intrada veröffentlicht. Eine willkommene Erschliessung eines noch vorhandenen Lochs in der Goldsmith Sammlung also.
RIO CONCHOS (1964) gehört zu den Western, bei denen schwarz und weiss verschwimmen. Es war eine Phase in Hollywood, in der mehr und mehr solcher Filme im einstigen uramerikanischen Genre auftauchten. In Gordon Douglas’ düsterem Film versuchen zwei Armeeoffiziere mit einer kleinen Gefolgschaft einen ehemaligen Offizier der Konföderierten davon abzuhalten, abtrünnigen Apachen eine ganze Ladung gestohlener Gewehre zu verkaufen.
Richard Boone, dessen Rolle in der Hitserie HAVE GUN, WILL TRAVEL (für die Goldsmith 2 Episoden scorte) den mit einem unverkennbaren Profil ausgestatteten Mimen zum Star machte, spielt an der Seite von Stuart Whitman und dem legendären Footballspieler Jim Brown, der seine Karriere für eine im Filmgeschäft beendete. Obwohl RIO CONCHOS zu meinen Lieblingswesternmusiken des Komponisten zählt, habe ich diesen von Joseph MacDonald (BROKEN LANCE) wunderschön fotografierten Film erst in den letzten Jahren zu sehen bekommen – er erinnerte mich irgendwie an THE WILD BUNCH – und weiss den Score seither noch mehr zu schätzen.
Die Musik beginnt mit dem oft in irgend einer Form präsenten Hauptthema (sei es abgeleitet, als Variation oder in voller Schönheit: «Bandits Ho», «The River» und das fantastische «River Crossing») in der Titelmusik, ein zweites Thema wird in «Get Me Out» installiert und die mexikanische Würze gehört («Cantina», wunderbar!) in einem Film, der das Land mit zum Thema hat, freilich dazu – eine Stärke von Goldsmith. Nebst seiner üblichen Instrumentation sind vielerlei Schlaginstrumente (gewöhnliche und ungewöhnlichere – man achte auf das famose «Drag Race», das an TWILIGHT ZONE-THE MOVIEs erstes Segment erinnert), Mundharmonika, Akkordeon, Banjo, Bass und Gitarren zu hören. RIO CONCHOS hat vielleicht nicht den Drive eines HOUR OF THE GUN, weiss aber mit Abwechslungsreichtum, stimmungsvollen Stücken, ruhigeren Spannungsstücken mit plötzlichen Eruptionen ins Hauptthema zu gefallen.
Für fast 10 Jahre war die verkürzte Neueinspielung von Intrada unter der Leitung des Komponisten mit dem London Symphony Orchestra die einzige, aber nicht die schlechteste Möglichkeit der Filmmusik zu lauschen. 1999 folgte Film Score Monthly, 2014 Kritzerland mit einer kleinen Auflage und schliesslich 2018 La-La Land (gepaart mit 11 RIFLES!), allesamt mit Präsentationen des gesamten Filmscores.
Auch Jerry Goldsmith ist in seiner langen Karriere widerfahren, wovon fast jeder Filmkomponist berichten kann. Seine Musik ersetzt. Das bekannteste und ein bis heute nicht nachvollziehbares Beispiel ist natürlich LEGEND (1985), bei dem Tangerine Dream die Musik für die US-Version lieferte, in Europa der Film aber mit Jerry Goldsmiths wunderbarer Komposition lief – ich bin noch niemandem begegnet, der fand, ja, mit Tangerine Dream funktionierte der Film besser. Ein Rätsel was die Macher damit erreichen wollten. Schlimmer traf es ihn bei ALIEN NATION (1988), als sein Score gänzlich rausgeschmissen und durch eine Musik von Curt Sobel ersetzt wurde. Interessant dabei ist die Tatsache, dass Goldsmith ein einst für WALL STREET geschriebenes Thema (die Musik dafür machte schliesslich Police Schlagzeuger Stewart Copeland) mit sich nahm und in ALIEN NATION verwendete. Gutes Material soll nicht verloren gehen, insbesondere wenn das Erlebnis am Film für Goldsmith nicht berauschend war, und so brauchte er das Thema schliesslich, unvergessen, in THE RUSSIA HOUSE.
Der Score ist rein elektronisch, für Goldsmith, der immer gerne mit Sounds aus seinen Yamaha Synthies und Samplern experimentierte, kein noch nicht beschrittener Weg. CRIMINAL LAW und wohl der bekannteste, pur synthetische Goldsmith Score, RUNAWAY gibt es aus dieser Ära ebenfalls.
Frei nach «keine Jerry Woche ohne Simmons Drums», sind auch hier die E-Drums in einigen Cues ein dominanter Klang. Das RUSSIA HOUSE Thema arbeitet Goldsmith zunächst sehr sachte ein. In «Take it Easy» ist es schliesslich mit einem Saxofon ähnlichen Klang und in voller Länge zu hören. Man kann sich durchaus vorstellen, wie es in diesem Buddy-Cop-Science-Fiction Streifen gewirkt haben könnte. Regisseur war hier übrigens Graham Baker, für den Goldsmith die bemerkenswerte Komposition zum letzten Teil der OMEN Trilogie, THE FINAL CONFLICT schrieb. James Caan und Mandy Patinkin spielen das ungleiche Polizistenduo, einerseits der beinharte Cop Sykes, andererseits der ausserirdische, gerade erst zum Detective aufgestiegene Sam Francisco. Sykes hasst die Ausserirdischen, die 3 Jahre zuvor auf die Erde gelangten. Zusammen müssen sie einem Raubüberfall, bei dem ein Cop und Kollege von Sykes ums Leben kam, und einer damit zusammenhängenden, neuartigen Droge nachgehen. Der Film zog eine kurzlebige TV-Serie nach sich.
Seltsamerweise sei Goldsmiths Musik als zu schräg eingestuft und deshalb rausgeschmissen worden sein. Wie auch immer, ALIEN NATION ist sicher nicht sein bester Synthiescore, doch das RUSSIA HOUSE Thema hier zu hören, macht diese nicht verwendete Filmmusik durchaus speziell. Herausragende Tracks sind «Got a Match», «A Nice View». Ansonsten würde ich ALIEN NATION eher als eine Veröffentlichung (die CD wurde 2005 im Rahmen des Varèse Clubs in limitierter Form herausgebracht) für beinharte Fans des Komponisten beschreiben. Was sie von anderen Elektronika Goldsmiths unterscheidet, ist die fehlende «Luft». Soll heissen, die Musik ist scheinbar direkt vom Sequenzer über die Geräte aufs Tonband geführt worden. Bruce Botnick, Jerrys Langzeit-Tonmann, hat desöfteren Mikros vor den Lautsprecherboxen platziert um so einen homogeneren Klang zu erhalten (eben Luft dazwischen).
2.4.2020