kurz und knapp 12

CORRESPONDENCE (LA CORRISPONDENZA)
Ennio Morricone (Warner)
Giuseppe Tornatore und Ennio Morricone, ein famoses Duo, das uns Cinema Paradiso, La legganda del piansta sull’oceano und den wundervollen La migliore offerta brachte. La Corrispondenza heisst der neue Tornatore und wieder konnte der Filmemacher auf den bald 88jährigen Veteranen für dieses Liebesdrama mit Olga Kurylenko und Jeremy Irons zählen. La Correspondenza ist ein in Teilen wunderschöner, oft simpler und eingängiger Score, manchmal mit dem repetitiven Muster, das man von Morricone kennt, aber auch mit der Schönheit, die er mit seiner Musik zu erzeugen versteht. Doch man sollte Muse mitbringen um La Corrispondenza zu hören und auf die kleinen, feinen Details zu achten, die Morricone hier in seinem Instrumentarium spinnt. Immerhin 65 Minuten präsentiert Warner, wirklich angenehm getimed für dieses Morricone Alterswerk, das im Trubel um Hateful Eight beinahe komplett untergegangen ist, zu Unrecht wie ich meine. Wenn es auch nicht das rührselige Meisterwerk à la Cinema Paradiso oder die Qualitäten der letzten Zusammenarbeit, La migliore offerta, hat, so ist es doch ein fein gelungener Morricone.

4.5 Phil

THE LONG GOOD FRIDAY
Franics Monkman (Silva Screen)
Der Gangsterfilm mit Bob Hoskins (dessen amerikanischer Akzent die Produzenten allerdings störte… Hoskins spielt hier also nur, sprechen tut ein anderer), Hellen Mirren und Komödiant Dave King, in einer kleinen Rolle ist gar Pierce Brosnan zu sehen. Francis Monkman ist ein Musiker, Multiinstrumentalist und vor allem Keyboarder, der für diverse Bands spielte: Curved Air, Al Stewart, Briano Eno usw. 1980 komponierte er mit The Long Good Friday seine erste Filmmusik. Es blieb bei nur wenigen Arbeiten, auch wenn Monkmann immer wieder bei Filmmusiken als Musiker oder in anderer Form tätig war (The Empire Strikes Back,Superman II). The Long Good Friday ist ein recht typischer 80er Elektronikscore mit wenigen Mitteln, die an akustische Instrumente gemahnen: Ein Saxofon hier, etwas Bass da. Fast nimmt Monckman mit The Long Good Friday vorweg, was Jahre später nicht nur in Hollywood für eine kurze Phase gängig wurde. Silve Screen produzierte nun zum 35 jährigen Jubiläum des Films eine CD mit mehr Musik als je zuvor, plus einige Dialog Schnipsel und das alte Originalalbum. Long Good Friday ist kein umwerfendes Meisterwerk und eine Musik, die einen an eine andere Zeit, eben um 1980, erinnert.
2 Phil

THE GOLDEN VOYAGE OF SINBAD
Miklós Rózsa (Intrada)
Der letzte Fantasy-Score von Miklós Rózsa stand unter keinem besonders glücklichen Stern. Zum einen war das Orchester seinen Aufgaben nicht immer ganz gewachsen, zum anderen ist der Klang für eine Einspielung von 1973 eigentlich inakzeptabel. So mochte man sich an der LP (und der daraus generierten, ersten CD-Veröffentlichung) trotz einer beachtlichen Spielzeit von über 50 Minuten kaum recht erfreuen. Vor nunmehr auch schon bald wieder acht Jahren erschien bei Prometheus eine Doppel-CD mit LP-Schnitt und komplettem Score. Jetzt rückt Intrada mit demselben Programm (plus ein paar zusätzlichen Extras) nach und dürfte wohl tontechnisch ‒ ich kenne besagte Prometheus nicht ‒ nochmals einen draufgesetzt haben. Das wirft nun zwar ein besseres Licht auf die Sache, aber so wirklich überzeugen kann das Ganze trotzdem immer noch nicht. Das liegt in erster Linie an eingangs erwähnten Problemen und weniger an der Qualität der Musik, die Rózsa in vertrauter Weise vor dem Hörer ausbreitet und über praktisch die gesamte Spielzeit interessant zu gestalten weiss. Sie wirkt zwar für die Siebziger schon ziemlich anachronistisch, ist aber gerade deswegen ein idealer Begleiter für die klassische, handgemachte Tricktechnik von Ray Harryhausen. Dessen liebevoll in Szene gesetzte Kreaturen und alles Sonstige, was zu einem zünftigen, orientalischen Märchen so dazugehört, untermalt der Komponist ebenso virtuos wie farbenfroh und beweist damit, dass er seit den Tagen von The Thief of Bagdad nichts verlernt hat (man beachte etwa die Ähnlichkeit der Themen für die Hauptbösewichte beider Filme), auch wenn er dann doch nicht ganz dessen Niveau erreicht. Dass The Golden Voyage of Sinbad sein Potenzial bislang nur bedingt ausschöpfen konnte und auch bei dieser neuen Doppel-CD nur bis zu einem gewissen Grad kann, ist ein leidiger Fakt, der wohl nur durch eine gepflegte Neuaufnahme aus der Welt zu schaffen wäre. Mr. Fitzpatrick, bitte übernehmen Sie.
3 Andi

A MINOR MIRACLE
Rick Patterson (Varèse Sarabande LP to CD)
Erstaunlich was Varèse alles so in seinen Archiven findet. A Minor Miracle (1983) mit Pelé, ein völlig unbekannter Film, den man auch unter dem Titel Young Giants findet. Nebst dem einstigen brasilianischen Fussballgott ist Altmeister John Huston im Cast zu finden. Nicht viel mehr sagt wohl den meisten unter uns der Name Rick Patterson. A Minor Miracle war sein Debüt als Filmkomponist, es folgten einige Episoden Airwolf und drei Sequels der Killer Tomaten. Umso überraschender dieser unterhaltsame, lebhafte, gut anzuhörender Score mit seinem 80er Jahre Touch. Zu guter Letzt gibt gar Pelé ein musikalisches Stelldichein, ganz zum Schluss der CD. Nicht unbedingt das Highlight des Albums. Pattersons Musik ist die zweitletzte Erscheinung in der LP to CD Serie.
3 Phil

THE ROCKET POST
Nigel Clarke & Michael Csani-Wills (MovieScore Media)
Nicht neu aber unbedingt erwähnenswert ist dieser Score der beiden Komponisten Nigel Clarke und Michael Csáni-Wills (Der kleine Eisbär, The Thief Lord). Eine wunderschöne orchestrale Komposition mit irischem Flair gespielt vom impressiven Körper des Royal Philharmonic Orchestra, eine Musik die ins Ohr geht und wohlig ausschnaufen lässt. Um Vergleiche zu bemühen, manchmal gemahnt das Hauptthema an James Horner, während bestimmte Passagen etwas an Patrick Doyle erinnern. Und beides nur im Guten. Ein Motiv zitiert Béla Bartóks Musik für Streicher, Perkussion und Celesta. The Rocket Post ist aber weit davon entfernt „so zu klingen wie“, nein, hier haben wir eine tolle Komposition, die insbesondere Fans von Orchesterscores und all jene, die gut gemachte, thematische Filmmusik vermissen, gefallen dürfte. Schade hat sich Nigel Clarke inzwischen desillusioniert vom Filmmusizieren zurückgezogen.
4 Phil

SPOTLIGHT
Howard Shore (Howe Records)
Die grosse Überraschung der letzten Verleihung. Spotlight gewinnt den Oscar als bester Film vor Favorit ThHE REVENANT (der Abräumer 2016). Der Journalistenfilm begleitet die Aufdeckung eines Skandals in der angesehenen katholischen Kirche Bostons. Mit der Zeit der Recherchen tauchen immer mehr Fälle von systematisch betriebenem Kindsmissbrauch und sexueller Nötigung auf. Ein stiller Film, zurückhaltend gespielt von Michael Keaton, Mark Ruffalo, Liev Schreiber und Rachel McAdams. Das Thema ist der Star, nicht der Star selbst; die Art der journalistischen Arbeit steht im Vordergrund. Und so ist Spotlight einer der besten Filme des Genres in dem sich mit All the President’s Men tummelt.
Howard Shores Name bei einem Film dieser Kategorie zu sehen, der keine grossen musikalischen Würfe oder Zeit für geschickt aufgebaute Melodien möglich macht, war eine kleine Überraschung. Umso neugieriger also, was der Kanadier mit Spotlight machen würde. Shores Score ist äusserst filmdienlich, bleibt immer im Hintergrund und unterstützt dort wo es nötig ist. Ein kleines Thema, ein paar Variationen. Klug und durchdacht, wenn auch musikalisch nicht der grosse Wurf, den Shore-Fans vielleicht seit Lord of the Ringsstets von Shore erwarten.
3 Phil

THE CHAMP
Dave Grusin (Varèse Sarabande)
Das Boxerdrama aus dem Jahr 1979 von Franco Zeffirelli, in der Tat ein Remake des 1931er Films, war ein Überraschungserfolg, nicht zuletzt auch dem Oscargewinn von Hauptdarsteller Jon Voight für Going Homewenige Wochen vor Filmstart schuldend. Die Musik von Dave Grusin wurde nun von Varèse Sarabande eins zu eins von der bisher einzigen Veröffentlichung des Scores, einer LP von Columbia, übernommen und vielleicht etwas überraschend, im normalen Programm veröffentlicht. Man hätte dieses Album jetzt eher in der LP to CD Serie erwartet, doch ist diese nach 12 Ausgaben vorerst beendet worden. Somit gibt es nach Abzug eines 5 Minuten Mozart Einwurfs und dem Titelsong von Marvin Hamlisch 26 Minuten Dave Grusin. Immerhin stattete Varèse die CD mit fünf Seiten Liner Notes von Jim Lochner aus. Grusins für den Oscar nominierte Filmmusik, seine zweite Nomination nach Heaven Can Wait, weitere sollten folgen. The Champ ist eine emotionelle, bisweilen tragische Musik („Gone“), während das „Theme from Champ“ den meisten Filmmusikfans geläufig sein dürfte (nicht zuletzt von Grusins Cinemagic Album). Dieses Thema wurde von den Bergmans später als Song konzipiert und war in Barbra Streisands Programm zu hören. Wieso allerdings Marvin Hamlischs „If You Remember Me“ es auf das Album schaffte, bei dem Grusin damals aus Zeitgründen – er startete gerade sein Jazzlabel GRP – nicht mitarbeiten konnte, das entgeht dem Komponisten heute völlig.
Das Problem der 26 Minuten Dave Grusin ist die Vermischung mit funkyigen Stücken(„Gym Montage“), Bossa Nova Klängen („A Cha-Cha-Do Brazil“) und jazzigem Rythm’n’Blues („Nothing but a Groove“); das und die Einbindung von Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“ machen das Anhören nicht einfach und so startet der dramatische Teil denn auch erst ab Track 8 (bis 12).
3 Phil

ORDINARY PEOPLE/SAVE THE TIGER
Marvin Hamlisch (La-La Land Records)
Ordinary People, Robert Redfords gefeiertes Regiedebüt von 1980 über eine auseinander brechende Familie, heimste viele zuvorkommende Reaktionen ein. Heute, viele Jahre und Redford Filme später, hat sich Redford mit einigen weiteren, bemerkenswerteren Inszenierungen als Filmemacher etabliert. 
Die Idee für die Musik zu Ordinary People hatte Redford während der Dreharbeiten zu The Electric Horseman. Jenes Musikstück von Johann Pachelbel, der Kanon aus „Kanon und Gigue in D-Dur“, blieb bei ihm haften also beauftragte er Marvin Hamlisch, Auszüge für den Score zu arrangieren. Es ist dieser Kanon der fast dauerhaft (genau: in 11 Stücken) aus den Lautsprechern plätschert während der 18 Stücken umfassenden Filmmusik. Zu viel des Guten und zu wenig Abwechslung. Noch kunterbunter sind die Bonus Tracks. Abgeschlossen wird das Album mit Save the Tiger (1974, mit Jack Lemmon und vom späteren RockyRegisseur John G. Avildsen), bei dem Big Band Arrangements die wenigen Filmmusikstücke fast an die Wand drücken. 
Insgesamt ist diese CD doch eine herbe Enttäuschung und ich frage mich ehrlich bei wem sich diese mehrfach im Player finden soll, es sei denn der oder die sei ebenso verliebt in das Pachebel Stück?
2 Phil

18.5.2016