LE PARIA
George Garvarentz (Music Box Records)
Es ist schon erstaunlich. Gerade mal 350 Stück wurden von Le paria gepresst
und doch ist dieser wirklich tolle Score nach wie vor erhältlich. Während man
sich bei einigen limitierten US-Scores die CDs fast aus den Händen reisst,
scheint sich ausserhalb (Mittel)Europas kaum einer um eine französische
Filmmusik zu scheren, die nicht den Namen Delerue oder Jarre trägt (auf den
Seiten der üblichen Verdächtigen ist zu Le pariajedenfalls nicht zu
finden, aber das verwundert wenig). Dabei sei gerade diese Filmmusik von
Georges Garvarentz dem Liebhaber melodischer und ja, fast könnte man es sagen
und es ist nur im besten Sinne gemeint fast altmodischer Filmmusiken sehr ans
Herzen gelegt. Le paria ist eine wundervolle, Ohren füllende Musik
des 1993 verstorbenen Komponisten (Un taxi pour Tobrouk und diverse Songs
für Charles Aznavour, Hauptdarsteller in Le paria) und ein zu entdeckendes
Kleinod im Katalog des französischen Labels Music Box Records. Unbedingt
empfohlen!
5, Phil
PAWN SACRIFICE
James Newton Howard (Lakeshore)
Pawn Sacrifice (2014) ist der neue Film von Regisseur Edward Zwick und
erzählt die dramatische Geschichte vom Schach-Ausnahmetalent Bobby Fischer. Ein
Stoff, der mit Searching for Bobby Fischer (1993; Musik von James
Horner) bereits einmal verfilmt wurde. Während die 1993er-Version narrativ und
musikalisch verspielter daherkam, ist Pawn Sacrifice ein kühles,
nervenaufreibendes Thrillerdrama geworden. Die Musik schrieb James Newton
Howard und entsprechend der filmischen Umsetzung ist auch seine Musik
überwiegend kühl, wobei Klavier und Elektronik den Lead innehaben. Dies ist
über weite Strecken wenig spektakulär und als reines Hörerlebnis wohl nur für
hartgesottene Fans des Films und des Komponisten interessant. Newton Howard
komponierte jedoch ein schönes, dramatisches Thema für Bobby und seinen finalen
Erfolg. Dieses erhält im letzten Stück, „Bobby Wins“, eine kraftvolle und
mitreissende Präsentation, womit „Bobby Wins“ ein echtes Highlight geworden
ist. Dieses Stück gehört in jede Playlist und verzaubert (besonders, nach den eher
mauen, vorausgegangenen 18 Score-Minuten). Fazit: Eine eher
unterdurchschnittliche, funktionale Newton Howard-Musik mit einem fantastischen
Finale, welches glatt ein Extra-Smiley erhalten soll.
Basil, 2
THE AVENGERS: AGE OF ULTRON
Danny Elfman/Brian Tyler (Hollywood Records)
Überraschenderweise erschien nebst Brian Tylers Name auch Danny Elfman als
Komponist für die AvengersFortsetzung Age of Ultron. Was auch immer
der Grund dafür gewesen sein mag (und weshalb Alan Silvestri nicht nochmals zum
Zug kam), es ist durchaus interessant herauszuhören welche Teile von Elfman
sind und welche von Tyler. Oder sagen wir so: Elfman hört man durchaus heraus,
bei Tyler ist das etwas schwieriger. Dem Fragenden ist allerdings rasch
geholfen: Die Tracktitel auf der Rückseite benamselns den jeweiligen
Komponisten. Wer den Film gesehen hat, weiss um die teilweise leise Abmischung
der Musik im Film, auffallend dürfte auch die Verwendung von Silvestris Thema
sein, auf das Elfman anscheinend bestand. Eine ganze CD voll Avengers ist
viel. Fast zu viel des Guten. Wie bei so mancher Musik zu einem Superheldenfilm
derzeit mangelt es auch Age of Ultron an einem starken
Wiedererkennungseffekt, geschweige denn an einem wirklich handfesten Thema.
Hier haben wir sechs Helden plus versammelt und so gibt es auch musikalisch ein
munteres Mischmasch. Zu viele Charaktere auf der Leinwand und eine nicht
sonderlich begeisternde Story. Nachdem die CD durchaus rasant beginnt und
kurzzeitig mitzureissen vermag, verfliegt die milde Begeisterung allenthalben
ab Hälfte der CD. Es gibt sicherlich Unanhörbareres (Mad Max Fury Road),
durchaus aber auch Kreativeres.
2.5, Phil
MACBETH
Jed Kurzel, Decca (Universal)
Mit Macbeth (2015) gelang Regisseur Justin Kurzel eine
hervorragende, wenn auch bleischwere und brutale Adaption des gleichnamigen
Stücks von William Shakespeare. Die Musik hierzu schrieb Komponist Jed Kurzel
(unbekannt, ob bei den beiden eine Verwandtschaft vorliegt). Wie der Film so
ist auch die Musik kühl, kantig und rau, wobei sie am ehesten zwischen Clint
Mansells Musik zu Noah (2014) und Trevor Morris‘ Scores für die
Vikings-TV-Serie (2013–2016) eingeordnet werden kann. Hypnotische, meist
dissonant eingefärbte Klangflächen sorgen für Unbehagen. Auf eingängige
Melodien, heroische Ausbrüche oder harmonische Passagen wartet man vergebens.
Im Film passt die Musik perfekt, doch abseits der Bilder ist Kurzels jüngster
Wurf eine Herausforderung für Ohren und Gemüt, wodurch die Musik höchstens als
interessant jedoch kaum als unterhaltsam bezeichnet werden kann.
2, Basil
THE TROUBLE WITH ANGELS
Jerry Goldsmith (Intrada)
60er Jahre Komödie um zwei Schülerinnen in einem katholischen
Mädcheninternat von Schauspielerin Ida Lupino, eine der in jener Zeit höchst
selten anzutreffenden als Regisseurin tätigen Frauen, die insbesondere fürs
Fernsehen inszenierte (General Electric Theatre, Gilligan’s Island). Intrada
präsentiert den gesamten 43 minütigen Score plus die bisher auf Harkit oder Mainstream
erhältliche Musik. Ein weiteres Häckchen also hinter eine bisher nur als
Albumschnitt erhältliche Goldsmith Komposition. Als easy listening mit
unverkennbarem 60er Jahre Popfeeling aber zweifelosohne auch ein Goldsmith, den
man eigentlich weder verlängert noch verkürzt wirklich braucht, es sei denn man
ist wirklich Goldsmith-Fan und Sammler, so kann man Trouble with Angels in
aller Kürze zusammenfassen.
Eine CD für eine unbeschwerte Dreiviertestunde Musik, mehr nicht.
2.5, Phil
EVERYBODY’S GONE TO THE RAPTURE
Jessica Curry (Sony)
Everybody’s Gone to the Rapture (2015) ist ein neues PS4-Videospiel,
das mit fotorealistischer Grafik und einer ausgeklügelten Narratologie
aufwartet. Das Spiel entführt den Gamer in eine postapokalyptische Welt, wobei
dieser sich nun auf die Spurensuche nach dem Ursprung der Apokalypse begeben
soll. Das Game ist kein Zombieschocker oder Egoshooter, sondern mehr eine
mystische Entdeckungsreise durch ein scheinbar ausgestorbenes, jedoch noch
immer pittoreskes (Süd-) England. Die Musik hierzu schrieb Jessica Curry. Sie
komponierte eine pastorale, ruhige, überwiegend helle, mystische Musik für
(kleines) Orchester und Chor (die London Voices und die Metro Voices), wobei
der Chor und Sologesang hier im Zentrum stehen. Die von Curry geschaffene Musik
vermag eine packende Stimmung zu kreieren und wartet mit zahlreichen
unglaublich schönen, ruhigen und sakralen Momenten auf. Eine Musik, wie man sie
in diesem Kontext nicht erwartet hätte, womit Everybody’s Gone to the
Rapture eine wunderbare Überraschung geworden ist. Sehr empfehlenswert für
Fans ruhiger, meditativer Chor und Orchestermusik!
4, Basil
LET’S GET HARRY
Brad Fiedel (Varese CD to LP)
Die dritte Scheibe im CD to LP Programm von Varèse Sarabande ist Brad
Fiedels Let’s Get Harry, einem Actionstreifen in First Blood und Missing
in Action Manier mit Robert Duvall, Gary Busey, Mark Harmon und Ben
Johnson durchaus illuster besetzt. Der Film generierte deutlich mehr Leben in
den Videotheken als Kinos. Brad Fiedel, zu jener Zeit einer der gefragtesten
Komponisten Hollywoods mit Hits wie The Terminator, Fright Night und The
Big Easy in seiner Filmographie, vor allem bekannt für seine
elektronischen Klänge (True Lies sollte eine Ausnahme bilden), diesen Weg ging
er auch mit Let’s Get Harry. Viel Färbung in exotischem, sprich
südamerikanischem, Flair und natürlich eine gute Dosis Action. Ein richtiger
Hinhörer ist auch diese dritte CD to LP Sache nicht und irgendwie wartet man
als Sammler immer noch auf eine Besonderheit aus dem allerdings von viel
Massenware überfüllten Katalog des Labels.
1.5, Phil
POLDARK
Anne Dudley (Sony)
Poldark (2015–2016) ist eine TV-Serie in bester
Rosamunde-Pilcher-Drama-Tradition der BBC. Sie erzählt die Geschichte vom
Kriegsveteranen Ross Poldark, der nach den amerikanischen Revolutionskriegen
ins englische Cornwall des 19. Jahrhunderts heimkehrt und feststellen muss,
dass seine Geliebte nun seinen Cousin heiraten will. Die Bühne für viel
Herzschmerz ist hergerichtet und vor traumhafter Kulisse ringen die
Protagonisten mit Kummer, Liebe, Schmerz und Vergebung. Die Musik für dieses
Kostümdrama komponierte Anne Dudley. Ihre ruhig fliessende Orchestermusik mit
keltischen Einwürfen, viel intimem Klavierspiel, melodramatischen Streichern
und wunderschönen Violinensoli von Chris Garrick weiss zu gefallen. Auch das
Lied Medhel an Gwyns versprüht viel Charme und bleibt im Ohr hängen. Das
Hauptthema, präsentiert im Stück „Theme form Poldark“ und eingesprenkelt über
die ganze Laufzeit des Albums, ist keine Ausgeburt an Originalität, doch sehr
passend und gefällig. Poldark ist eine schöne Filmmusik geworden, zu
der man herrlich entspannen kann. Orchesterspektakle oder markante Eigenheiten
sucht man jedoch vergeblich. Für Liebhaber von Musiken wie Dario Marianellis Jane
Eyre (2011) oder Pride and Prejudice (2005).
5, Basil
5.10.2015